Ach, so viel Stoff für Polemik ist selten. Ja, es ist eine Geschichte, die zum Drehbuch für eine Hollywood-Hockey-Seifenoper taugt. Der wichtigste Liga-Transfer war der Wechsel von Leonardo Genoni von Bern nach Zug. Endlich ein Meister-Torhüter für die Zuger. Sie haben ihn mit einem Fünfjahresvertrag zum reichsten Schweizer Goalie ohne NHL-Meriten gemacht. Und damit für die zweite Meisterparty in der Klubgeschichte angerichtet.
Aber es funktioniert nicht. Wie so oft bei einem so unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage. Im Sinne des grossen preussischen Strategen Carl Philipp Gottlieb von Clausewitz können wir sagen: auch der beste «Masterplan» funktioniert nach dem ersten Puckeinwurf des ersten Saisonspiels nicht mehr.
Nur der Respekt vor den grandiosen Erfolgen der Vergangenheit, den Titeln mit Davos und Bern und dem WM-Finale von 2018 hält selbst die vorwitzigsten Chronisten davon ab, Leonardo Genoni einen «Lottergoalie» zu schmähen. Es wäre wahrlich eine Respektlosigkeit sondergleichen. Aber nach einem 4:5 gegen Davos und einer Fangquote von 82,14 Prozent wird guter Rat teuer.
Und dann passiert ein Wunder und eine Geschichte beginnt, wie sie eben nur das Eishockey zu schreiben vermag. Wegen einer Blessur – es zwickt offenbar in den Leisten, offiziell wissen wir es nicht, wollen wir es ja auch nicht wissen und es geht uns nichts an – muss Leonardo Genoni (32) nach der Partie gegen Davos seinen Platz dem Junioren Luca Hollenstein (19) überlassen. Wann er zurückkehren wird, ist noch offen. Vielleicht in einer Woche, vielleicht auch noch nicht.
Mit Luca Hollenstein gewinnen die Zuger in Biel, gegen die ZSC Lions – und nun auch auswärts in Langnau. Oder ein bisschen polemischer: in den drei letzten Partien erreichte Leonardo Genoni Fangquoten von 85,71 Prozent (0:4 gegen Gottéron), 86,21 Prozent (5:4 n.P. in Bern) und 82,14 Prozent (4:5 gegen Davos). Luca Hollensteins Statistik: 96,55 Prozent (2:1 in Biel), 97,44 Prozent (3:1 gegen die ZSC Lions) und 92,86 Prozent (3:2 in Langnau).
Die Frage geht natürlich an Zugs Trainer Dan Tangnes. Würden Sie es wagen, Luca Hollenstein zur Nummer 1 zu machen und Leonardo Genoni auch dann, wenn wer wieder fit ist, auf die Bank zu setzen?
Der kluge Norweger fällt auf solche billigen Provokationen nicht herein. Er sagt: «Natürlich könnte ich das tun.» Um dann die Sache ein wenig differenzierter darzulegen. «Wir haben einen Plan, wie wir unsere Goalies einsetzen. Daran hat sich nichts geändert. Wir wollten Luca rund zehn Spiele geben. Nun wird er wohl öfters spielen müssen.» Und er stellt auch gleich klar, dass sich nichts daran geändert habe, dass für ihn Leonardo Genoni die Nummer 1 sei.
Es sei auch nicht so, dass Luca Hollenstein in Biel wegen ungenügender Leistung von Leonardo Genoni zum Zuge gekommen sei. «Das sieht natürlich nach aussen so aus.» Aber Zugs Trainer sagt, selbst wenn Leonardo Genoni gegen Davos «zu Null» gespielt hätte, wäre in Biel Luca Hollenstein eingesetzt worden. «Das war schon lange so abgemacht.»
Und doch: ist es nicht so, dass die ganze Mannschaft ein anderes, besseres Defensivverhalten zeigt, wenn Luca Hollenstein im Tor steht? «Das sieht tatsächlich so aus. Aber es gibt einen anderen Grund: Nach dem Spiel gegen Davos haben wir in der Kabine offen miteinander gesprochen und da ist allen klar geworden, dass wir etwas ändern müssen.»
In der Tat haben wir in Langnau ein anderes Zug gesehen: nicht ein spektakuläres, dynamisches, unwiderstehliches. Ja, nach dem intensiven Spitzenspiel gegen die ZSC Lions am Vorabend wirkten die Zuger ein wenig «stumpf».
Mit den überlegenen spielerischen Mitteln wäre es nicht möglich gewesen, ein starkes, sehr gut organisiertes und leidenschaftliches Langnau zu besiegen.
Es waren zusätzlich die Qualitäten gefragt, die im nächsten Frühjahr in den Playoffs entscheiden werden: Disziplin, gute Defensivorganisation, Unterordnung ins taktische Konzept, Wille, Vertrauen in die eigenen Stärken, kühler Verstand und Geduld auch dann, wenn das Spiel nicht so läuft wie gewünscht und geplant.
Zug feiert nach einem 0:1 und 1:2-Rückstand einen «Arbeitssieg». Ein Sieg im Werktags-Überkleid. Nicht im spielerischen Glitzermantel. Heinz Ehlers SCL Tigers in Langnau hinten vom Eis zu arbeiten – das ist eine grosse Leistung. Typisch für dieses andere Zug: Grégory Hofmann, der Stürmer im gelben Ehrenkleid des fleissigsten Punktesammlers, kann kein eigenes Tor bejubeln. Den Siegestreffer erzielt Dario Meyer, der von Davos ausgeliehene «Hockey-Wanderarbeiter», der sich als Lehrbub schon in Amerika bewährt hat, aber noch bei keinem Club richtig glücklich und heimisch geworden ist. Es ist sein erstes Tor für die Zuger.
Und natürlich war Luca Hollenstein der Vater des Sieges. Dieser junge Goalie spielt mit der Ruhe eines Routiniers, hat den Puck immer im Auge, erahnt die Spielzüge, braucht deshalb keine Spektakelparaden zu machen und kontrolliert die Abpraller. «Er ist neben dem Eis so wie er spielt: ruhig und bodenständig» lobt Dan Tangnes.
Es dürfte ihm tief in seiner Hockeyseele nicht ganz wohl sein, dass sein junger Torhüter das grosse Medienthema ist. Grosse, moderne Trainer wie er reden lieber vom Kollektiv, von der Mannschaft als Ganzes und mögen es nicht, wenn ein Sieg auf einen Hauptdarsteller reduziert wird.
Aber er kennt die Gesetzmässigkeiten des Geschäftes: «Das Publikum mag Heldengeschichten. Wir liefern eine …» Wo er recht hat, da hat er recht.
In der zweiten Dezemberhälfte müssen die Zuger auf Luca Hollenstein verzichten. Seine Dienste werden bei der U 20-WM benötigt. Nach Benjamin Conz (er hexte Langnau 2011 erstmals in die Playoffs) ist er erst der zweite U 20-Goalie, der bereits in der Meisterschaft eine entscheidende Rolle spielt.
Kein Schelm also, wer fragt: könnte Luca Hollenstein sich bereits in der höchsten Liga als Nummer 1 durchsetzen? So wie einst der 18-jährige Elitejunior Reto Pavoni, der in Kloten für den an einer Grippe erkrankten André Mürner ins Tor musste, blieb und einer der grössten Goalies unserer Geschichte wurde und Kloten gleich zu vier Titel (1993, 1994, 1995, 1996) hexte?
Nun, Leonardo Genoni ist halt schon noch eine Nummer grösser als es damals André Mürner war. Mit Vertrag bis 2024. In Zug wird Luca Hollenstein voraussichtlich nicht die Nummer 1.
Könnte er nächste Saison anderorts bereits eine Nummer 1 sein? Biel braucht auf nächste Saison einen Nachfolger für Jonas Hiller. Der SC Bern kann sein Torhüterproblem aller Voraussicht nach nicht mit einem einheimischen Goalie lösen.
Am 24. Oktober hat Luca Hollenstein (19) seinen Vertrag vorzeitig bis 2022 verlängert. Hat er Zug zu früh sein Ja-Wort gegeben? Nein. Sein Agent Dani Giger sagt nämlich: «Je nach Verlauf krieg ich ihn sicher raus …»
Wäre es bei uns gang und gäbe, Spieler zu tauschen wie in der NHL, würden die Berner wohl Thomas Rüfenacht (34) und Justin Krueger (33) für Luca Hollenstein (19) offerieren. Zugs Sportchef Reto Kläy würde ablehnen.
Er hat ja schon Langnaus Claudio Cadonau (31) für nächste Saison eingekauft.
Bei den vielen Wettbewerben und den Doppelrunden braucht es fast zwei Goalies.
In Zug steht man hinter den Goalies wie es sich gehört und die Goalies unterstützen sich gegenseitig. Leo soll sich nur in aller Ruhe auskurieren, die Saison dauert noch lange
Der Eismeister weiss auch bei welchen Klub Dani Giger gespielt hat und wo sein Büro ist.
Aber McIntyre wäre wohl ein guter Ausländer für den SCB es brennt ja dort auch auf den Ausländerpositionen.