Der Aufstieg droht? Hat der Chronist getrocknete Pilze geraucht? Nein, hat er nicht. Aber so ist es: Olten droht der Aufstieg. Mit ein bisschen Bosheit dürfen wir sagen: Ganz tief drinnen in seiner Hockeyseele ist ein möglicher Aufstieg die grösste Hockey-Sorge von Präsident Marc Thommen, seit 2017 im Amt. Am Ende des Tages muss er nämlich dafür sorgen, dass das Defizit ausgeglichen wird.
Letzte Saison rockte Olten, erreichte den Final gegen La Chaux-de-Fonds und am Ende musste der Klub im Sommer trotzdem wieder einmal saniert werden.
Olten ist Hockeytown, der EHC Olten eine Institution, das Publikum leidenschaftlich wie kaum an einem anderen Ort in der Deutschschweiz. Aber eine Rückkehr in die höchste Liga wäre womöglich finanziell doch eine Nummer zu gross. Letzte Saison verzichtete Marc Thommen deshalb vorsichtshalber auf das Engagement eines vierten Ausländers (in der Liga-Qualifikation darf mit vier Ausländern gespielt werden) und so war die Gefahr eines Aufstieges im Falle eines Vorrückens in die Liga-Qualifikation gebannt.
Wer das Geld für genügend Ausländer in der Liga-Qualifikation nicht ausgeben mag, der will ein Team in der National League wohl auch nicht finanzieren. Oder?
Aus dieser Ausgangslage ist eine unmögliche Situation entstanden. Lars Leuenberger ist ein ehrgeiziger Trainer. Er kann Meister und fachlich ist er auf der Höhe. Mit dem Engagement des SCB-Meistertrainers von 2016 signalisierte Marc Thommen im Sommer 2021 Aufbruchstimmung. Die ist ja erforderlich, um Sponsoren und Publikum bei Laune zu halten.
Lars Leuenberger ist mit Olten nicht SL-Meister geworden. Aber der Bruder von ZSC-Sportchef Sven Leuenberger hat die Oltner zweimal hintereinander auf Platz 2 in der Qualifikation und in die Playoff-Finals gegen Kloten und La Chaux-de-Fonds und damit in eine gefährliche Nähe zur höchsten Liga geführt.
Ein Trainer, der das höchste Ziel (SL-Meister, Aufstieg) anstrebt, aber ein umsichtiger, kluger Präsident, der lieber in der Swiss League bleibt und die letzte Meile – die Extrainvestitionen, die es für einen Meistertitel und einen Aufstieg braucht – nicht gehen mag: Die Anstellung von Lars Leuenberger war fachlich richtig, aber bei Lichte besehen eigentlich ein Irrtum.
Lars Leuenberger forderte von seinen Spielern letztlich zu viel und ihm fehlte der Charme und die Selbstironie, um seine harte Linie im Alltag auf Dauer erträglich zu machen. Er blieb authentisch. Der EHC Olten ist nicht der SC Bern. Wer mit dem SCB Meister wird und die SCB-DNA in sich trägt, ist nicht automatisch dazu in der Lage, die besonderen Sensibilitäten eines ganz besonderen «Provinz-Clubs» zu spüren.
Die Mannschaft ist nicht in Gruppen zerfallen. Sie hat sich gegen den Trainer zusammengerauft. Das Engagement von Gary Sheehan als Assistent war am 18. Dezember der Anfang vom Ende der Amtszeit von Lars Leuenberger: Seit diesem 18. Dezember wussten die Spieler, dass die Tage ihres ungeliebten Chefs gezählt sind. Sie mussten im neuen Jahr nur noch für die erforderlichen Resultate sorgen. Und siehe da: Im neuen Jahr hat Olten alle drei Spiele verloren: in Basel (2:6), gegen La Chaux-de-Fonds (2:4) und gar noch gegen die GCK Lions (3:4 n. V.).
Die Gefahr eines Aufstieges wäre zwar unter Lars Leuenberger gebannt gewesen. Aber den Rest der Qualifikation so «durchseuchen» und dann womöglich in den Playoffs schon im Viertelfinal scheitern? Das können sich die Oltner weder emotional noch finanziell leisten.
Die logische Folge: Sportdirektor Marc Grieder, seit 2018 im Amt, feuert den Trainer und befördert Gary Sheehan zum Chef. Marc Thommen obliegt es nun, mit Lars Leuenberger eine Abfindung für den bis 2025 – also noch für die ganze nächste Saison – laufenden Vertrag auszuhandeln. Ein wenig Fracksausen dürfte er schon haben. Nicht wegen der Abfindung. Die kann er, wiederum etwas boshaft gesagt (wofür sich der Chronist entschuldigt), aus seiner Portokasse zahlen. Das Problem ist vielmehr: Gary Sheehan ist der perfekte Trainer für «Provinzteams»: Mit Ajoie ist er gegen das himmelhoch favorisierte Kloten aufgestiegen und mit Ajoie hat er den Cup im Final gegen den Titanen Davos gewonnen.
Auch wenn Olten eigentlich nicht die Kadertiefe und die spielerische Klasse für den Aufstieg hat: Was, wenn auf einmal alles passt, kein wichtiger Spieler wegen Blessuren fehlt und die Hockeygötter mit den Oltnern sind? Auf einmal droht die Gefahr eines Meistertitels oder gar eines Aufstieges. Auch Ajoie hatte nicht die Kadertiefe und die spielerische Klasse für den Aufstieg und ist doch aufgestiegen.
Und da ist noch etwas: Taktisch ist Olten von Lars Leuenberger vorzüglich gebürstet und gekämmt worden. Das Problem war die immer mehr aufkommende Freudlosigkeit in Spiel und Training. Nun macht es mit Gary Sheehan erst einmal wieder Spass. Und das ist gefährlich: Ein taktisch gut geschultes, neu motiviertes Team kann über sich hinauswachsen.
Das ist Oltens und Marc Thommens Dilemma: im Herzen und in der Hockeyseele der Traum von der Rückkehr in die NL. Das Datum wäre passend: 1994 mussten die Oltner nach einem dramatischen Abstiegskampf gegen Biel und einer letzten Entscheidung im Penalty-Schiessen die höchste Liga verlassen. Nun wäre es nach exakt 30 Jahren Zeit für den Wiederaufstieg. Aber der Verstand sagt: Wir haben nur das Portemonnaie für die SL.
In diesem Spannungsfeld zwischen Geist und Geld ist Lars Leuenberger gescheitert. Ein Aufstieg der Oltner ist nun unter neuen Voraussetzungen nicht mehr vollständig auszuschliessen und wäre halt schon reizvoll. Schon nur wegen der Frage, ob der erfolgreiche Architekt und Immobilienunternehmer Marc Thommen halt doch bereit wäre, im Falle eines Falles Oltens Antwort auf Vicky Mantegazza zu werden.
Selten so gelacht - you made my day, Chlous!