Eigentlich sollten wir uns Sorgen machen. 13 WM-Silberhelden von 2013 stehen uns für die WM in Minsk (9. bis 25 Mai) nicht zur Verfügung. Das WM-Finalteam, die Mannschaft des Jahres 2013, existiert nicht mehr.
Die Absagewelle ist zwar spektakulär. Aber sie ist kein Grund zur Sorge und entspricht dem Gang der Hockeywelt in einer olympischen Saison. Grundsätzlich gilt für alle Hockeynationen: Viele Spieler wollen sich die Doppelbelastung Olympische Spiele und WM-Turnier im gleichen Jahr nicht zumuten. Das olympische Turnier im Februar ist jeweils das Ziel jedes Spielers. Doch nur wenige haben Lust, dann im Mai auch noch die WM inklusive der gesamten Vorbereitung zu bestreiten. Mit der Person des Nationaltrainers hat die WM-Unlust nichts zu tun.
Die Auswirkungen dieser vielen Absagen sind viel weniger dramatisch, als jeweils befürchtet wird. Wir haben inzwischen rund 50 Spieler, die für internationale Turniereinsätze taugen. Noch vor 20 Jahren waren es kaum 30. Diese breite Basis macht es möglich, die meisten Absagen zu kompensieren.
Sean Simpson hat auf einige WM-Abmeldungen sauer reagiert. Er weiss zwar jetzt schon, dass diese WM sein letzter Einsatz ist. Sein Vertrag wird ja nicht verlängert und der Kanadier wird nächste Saison Trainer bei Jaroslawl (KHL). Aber er tut mit totalem Engagement alles für einen ehrenvollen, würdigen Abgang. Für ein letztes Hurra. Deshalb empfindet er einige Absagen als persönliche Beleidigung. So ist Sean Simpson. Entweder ganz und gar oder dann gar nicht.
Unser Noch-Nationaltrainer befindet sich jetzt in einer ganz ähnlichen Situation wie im Frühjahr 2010. Damals hat er die Nationalmannschaft nach dem olympischen Turnier (Vancouver) von Ralph Krueger übernommen. Für die WM 2010 in Deutschland hagelte es Absagen. Schliesslich blieben gerade noch sieben Spieler des Olympiateams übrig. Das Schlimmste wurde befürchtet.
Doch der erzwungene Umbruch hat sich kurz- und langfristig segensreich ausgewirkt. Die Schweizer besiegten bei der WM 2010 erstmals überhaupt bei einer WM die Kanadier, holten den 5. Schlussrang und verpassten durch ein 0:1 gegen Deutschland im Viertelfinale nur ganz knapp die Halbfinals. Mehr noch: Elf Spieler aus der WM-Mannschaft von 2010 gehörten drei Jahre später zum WM-Silberteam von Stockholm.
Längst hat sich gezeigt, dass eine Mannschaft nur erfolgreich sein kann, wenn alle mit hundertprozentigem Engagement bei der Sache sind. Lieber ein Spieler mit limitiertem Talent, der alles gibt, als einer mit allem Talent und limitiertem Einsatzwillen. Wenn Stars absagen, bekommen Spieler eine WM-Chance, die sonst vielleicht nie ein Titelturnier bestreiten könnten. Und bei diesen Spielern lodert die Leidenschaft. Letztlich sind im Eishockey die Spielernamen nur auf das Dress genähte Buchstaben.
Früher wurden Spieler richtiggehend zur WM-Teilnahme überredet. Weil wir einfach nicht genug international taugliche Stars hatten. Es hat noch nie funktioniert, wenn die Hunde zum Jagen getragen werden mussten. Richtigerweise werden heute keine Spieler zur WM mitgenommen, die nur halbherzig bei der Sache oder nicht hundertprozentig fit sind. Die Chemie im Team ist bei den Schweizern ein entscheidender Faktor. Die stimmt nur, wenn alle wollen.
An der WM-Ausgangslage ändert sich durch die vielen Absagen nichts. Das Turnier ist gerade in olympischen Jahren, wenn bei allen grossen Nationen viele Stars absagen, noch ausgeglichener als sonst. Für die Schweizer ist alles möglich: Schmähliches Scheitern vor dem Viertelfinale oder spielen um eine Medaille. Unabhängig davon, wie viele Silber-Helden von 2013 dabei sind. Im Falle eines Scheiterns werden wir die Absagen als Ausrede nicht akzeptieren.