Jan Cadieux führt Servette in April 2023 zum Titel und im Februar 2024 zum Triumph in der Champions Hockey League. Zu viel Ruhm, Lob und Preis für die Spieler. Leben wie Gott im Welschland.
Eine Mannschaft mit satten, überbezahlten Leitwölfen, die alles erreicht haben, kann von Jan Cadieux nicht mehr geführt und gefordert werden. Also muss er am 28. Dezember gehen. Logisch. So ist halt hin und wieder der Lauf der Dinge. Eine Wende wäre – vielleicht – mit einem charismatischen neuen Chef möglich.
Sportdirektor Marc Gautschi wählt eine Nachfolgeregelung, die es weder im Profi-Hockey im Westen noch früher in den grossen Hockey-Nationen (CSSR, UdSSR) im kommunistischen Ostblock gegeben hat: eine kollektive Führung. Die bisherigen Assistenten Yorick Treille und Rikard Franzén führen gemeinsam das Team. Keiner der beiden ist Chef. Die Genfer haben seither bloss vier von elf Partien gewonnen.
Als neue Krisenmassnahme wird nun die kollektive Führung mit Stefan Hedlund erweitert: Er ist bei den Lakers am 8. Dezember des Amtes enthoben worden, steht aber noch bis zum Ende der nächsten Saison unter Vertrag. Lakers-Sportdirektor Janick Steinmann reibt sich die Hände: Er kann Hedlund bis Ende Saison leihweise nach Genf schicken und viel Geld sparen.
In Genf wird der Schwede nicht – was logisch wäre – Cheftrainer. Er bekommt die Bezeichnung «Associate Coach». Der Begriff kommt aus dem nordamerikanischen Profihockey. Associate Coaches stehen eine Stufe über einem normalen Assistenten und sind besser bezahlt als sie. Oder einfacher verständlich: Ein Associate Coach ist der Gefreite unter den Assistenten. Also kein neuer Banden-General für Servette. Sondern ein Banden-Gefreiter.
Da ja Genf mit Yorick Treille und Rikard Franzén zwei Trainer hat, ist nun Stefan Hedlund sozusagen der erste «Double Associate Coach» der Welt. Also ein Assistent, der mehr ist als ein gewöhnlicher Assistent und mit zwei Trainern zusammenarbeiten muss, von denen keiner der Chef sein will. Der eine schiebt dem anderen die Verantwortung zu. Eine solche Situation könnte nicht einmal Steven Spielberg für einen Hockey-Film erfinden.
Hedlund ist ein starkes «Alphatier» mit Durchsetzungsvermögen, der die Lakers immerhin viereinhalb Jahre lang befehligt und zu den grössten Erfolgen der Geschichte geführt hat. Seine beiden Kollegen sind freundliche Spielerversteher mit wenig Charisma und Durchsetzungsvermögen. Servette hat also nun schon drei Trainer – Franzén, Treille, Hedlund –, aber nach wie vor keinen richtigen Chef.
Rikard Franzén betont ausdrücklich, dass die Führung kollektiv sei und weder er noch Yorick Treille eine Chefrolle beanspruchen. Freunde haben Stefan Hedlund vor diesem absurden Engagement abgeraten. Aber er hat ja nichts zu verlieren: Der Vorteil einer kollektiven Führung ist ja, dass keiner schuld sein muss und wenn es doch funktioniert, jeder den Erfolg für sich reklamieren kann.
Im Welschland gibt es einen wunderbaren Ausdruck für das, was dem tüchtigen Sportdirektor Marc Gautschi widerfahren ist: «Il a perdu les pedales.» Wörtlich übersetzt: Er hat die Pedale verloren. Wer die Pedale verliert, kann sein Velo nicht mehr kontrollieren. Gautschi hat die Kontrolle über die Sportabteilung verloren. Wenn er Glück hat – und bisher hatte er ja mit dem Meistertitel und dem Triumph in der Champions Hockey League Glück –, endet die inzwischen unkontrollierte sportliche Schussfahrt nicht mit einem Totalschaden.
Diese kollektive Führung eröffnet eigentlich dem Management ganz neue Einnahmemöglichkeiten: Warum nicht den Job eines Assistenten pro Spiel einem zahlenden Kunden verkaufen? Vorschlag: Wer will, kann für 10'000 Franken einen unvergesslichen Abend an vorderster Front an der Bande und in der Kabine mitten im Pulverdampf der Emotionen erleben.
Ob da neben drei Trainern noch ein vierter ein wenig herumsteht, macht keine Differenz. Und wer weiss: Vielleicht kann ein Laie gar mit einem guten Rat etwas zum Erfolg beisteuern.
Servette ist inzwischen in einer Verfassung, dass die Playouts gegen Ajoie nicht mehr ausgeschlossen werden können. Der Vorteil wäre in diesem Fall die Aussenseiterrolle: Favorit wäre Ajoie. On est pas encore au bout des surprises.
Genf: hold my beer…