Die erste Stufe einer Trainerentlassung wird mit Treuebekenntnissen und einem Appell an die Spieler gezündet. So wie jetzt bei Gottéron. Präsident Hubert Waeber sieht keinen Grund für eine Amtsenthebung von Patrick Emond. Der enttäuschende Saisonauftakt sei nicht eine Frage des Talentes – die Mannschaft sei ja praktisch die gleiche wie im Vorjahr – oder der Taktik und damit des Trainers.
Der Wechsel von Christian Dubé zu Patrick Emond sei begrüsst worden. Nun dürfe von den Spielern eine Reaktion erwartet werden. Die Ruhe des umsichtigen Vorsitzenden ist keine gespielte. Seine Besonnenheit hat Gottéron eine wirtschaftliche und sportliche Renaissance beschert. Nun verliert er nicht gleich die Pedale. Im Welschland gibt es ja den schönen Spruch: «Perdre les Pédales», für Panik in Krisenlagen.
Gottérons Präsident weist darauf hin, dass eigentlich fast alles noch so sei wie in der letzten – zumindest in der Qualifikation (Platz 2) – erfolgreichen Saison: Ausser dem Zuzug von Yannick Rathgeb keine wichtigen Transfers und Trainer Patrick Emond sei letzte Saison schon als Assistent dabei gewesen. Er stehe jetzt im regen Austausch mit Roger Rönnberg, der nächste Saison die Mannschaft übernehmen wird.
Und Hubert Waeber legt Wert auf die Feststellung: Gottéron stehe nach der Freistellung von Christian Dubé und dem Warten auf den neuen schwedischen Trainer nicht in einer Übergangs- oder Zwischensaison.
Wo er recht hat, da hat er recht. Wäre die Saison offiziell eine Übergangs- oder Zwischensaison, dann müsste ja eigentlich den Inhaberinnen und Inhabern der Saisontickets ein Übergangs- oder Zwischensaison-Rabatt gewährt werden.
Die Frage wird sein, welcher Grad der Unzufriedenheit sich im traditionell emotionalen Umfeld des Klubs bei gleichbleibender trüber sportlicher Wetterlage entwickeln wird. Gottéron ist neben der katholischen Kirche und noch vor der weltlichen Regierung die wichtigste Institution in der Stadt. Letzte Saison war jedes Spiel ausverkauft. Auch in der neuen Spielzeit hat Gottéron erneut eine 100-prozentige Stadionauslastung.
Der Präsident sagt, bisher sei es noch recht ruhig.
Was zur Frage führt: Was macht eigentlich Christian Dubé? Er sagt, er warte auf einen Telefonanruf. Fast ein wenig so wie im Lied von Max Raabe aus dem Jahre 1992 noch vor der allgemeinen Verbreitung des Hosentelefons:
«Kein Schwein ruft mich an
Keine Sau interessiert sich für mich
Und ich frage mich
Denkt gelegentlich
Jemand mal an mich?
Vielleicht, dass manche mich
Im Land der Dänen wähnen
Oder fern von hier
Wo die Hyänen gähnen»
Nun, Christian Dubé ist nicht im Land der Hyänen. Er ist nicht weggezogen. Zwar hat ihn tatsächlich noch niemand mit einem Jobangebot angerufen. Aber das wird noch werden. Noch bis Ende Saison bezahlt Gottéron sein Salär. Bekommt er ein Jobangebot, dann muss er mit Gottéron an den Verhandlungstisch sitzen. Das bestätigt auch Hubert Waeber:
Es wird dann darum gehen, den Vertrag aufzulösen. Einfach wird das nicht. Der Kanadier kennt die Farbe des Geldes. Christian Dubé könnte jetzt triumphieren. Aber als modisch bewusster Grandseigneur (= vornehmer, weltgewandter Mann) tut er das nicht und stellt bloss lakonisch fest:
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Er sei von der Amtsenthebung völlig überrascht worden. Erst nach einem Aufgebot zu einer Sitzung habe er geahnt, was kommen würde. Und tatsächlich kam es bei besagtem Meeting zur Amtsenthebung.
Aber eine Frage gibt es: Er hat Gerd Zenhäusern, den schlauen Walliser, als Assistenten eingestellt und ist dann von Gerd Zenhäusern gefeuert worden. Eine Geschichte über Verrat, als hätte sie Shakespeare erfunden.
Christian Dubé sagt auf eine entsprechende Frage, er stehe mit Gerd Zenhäusern nicht mehr in Kontakt, und fügt diplomatisch an:
Das bedeutet: Christian Dubé wird noch lange an Gerd Zenhäusern denken. Aber nicht aus Freundschaft.
Der Kanadier hat mit einer Schweizer Lizenz zwischen 1999 und 2015 eine grandiose Karriere als Spieler (Lugano, SCB, Gottéron) gemacht. Er ist in der Schweiz heimisch geworden, möchte den Lebensmittelpunkt mit seiner Familie weiterhin in unserem Land behalten und, wenn es denn geht, wieder im Hockey arbeiten. «Davon verstehe ich ja am meisten …»
Angebote habe er noch keine bekommen und er sei offen für verschiedenste Hockey-Jobs. Die Frage, ob er beispielsweise ein Angebot aus Ajoie oder Genf annehmen würde, liegt auf der Hand bzw. der Zunge. Auch in diesem Zusammenhang ist er ein Grandseigneur. Zu Ajoie sagt er:
Und im Falle von Servette:
Wer nun boshaft ist, interpretiert diese klugen Antworten so: Nein, Ajoie würde er nicht übernehmen. Servette hingegen schon.
Aber wir haben uns immer noch nicht mit der Frage befasst, warum Gottéron in die Krise geraten ist. Zahlen sagen mehr als Polemik.
Saison 2023/24 nach 9 Runden:
2. Gottéron, 20 Punkte, 31:19 Tore
Saison 2024/25 nach 9 Runden:
13. Gottéron, 8 Punkte, 19:28 Tore
Wie kann das sein? Die Erklärung ist womöglich gar nicht so schwierig. Präsident Hubert Waeber hat richtig erkannt, dass es nicht an der Taktik und auch nicht am Talent der Spieler liegen kann.
Was ist es dann? Nun, Kritiker haben Christian Dubé oft ein zu grosses Ego (= lateinisch für Ich) vorgeworfen. Bei Gottéron hat es in der Kabine eine erhebliche Anzahl grosser Egos. Kann ein Trainer mit einem kleinen Ego wie Patrick Emond eine Gruppe mit grossen Egos befehligen? Mit dieser Ego-Gruppe Tacheles reden? Disziplin durchsetzen?
Die Plus/Minus-Bilanzen der Kabinen-Titanen sagen mehr als eine Polemik:
Bei Gottéron muss das Ego des Trainers die Kabine füllen. Dazu ist Patrick Emond nicht in der Lage. Erst recht nicht, weil ja jeder weiss, dass der freundliche Kanadier, der Servette 2021 in den Final geführt hat, nächste Saison nicht mehr Trainer ist und durch Roger Rönnberg ersetzt wird. Das ist längst offiziell bestätigt.
Eine unmögliche Situation für Gottérons Trainer, die es in unserem Hockey so noch nie gegeben hat. Bei Gottéron ist wirklich alles anders.
PS: Der Kanadier Mark French ist der letzte Trainer, der bei Gottéron während der Saison entlassen worden ist. Sportchef Christian Dubé enthob ihn am 4. Oktober 2019 nach sechs Spielen (kein Sieg, zwei Punkte, letzter Platz) des Amtes, amtierte fortan bis zu seiner Absetzung im letzten Frühjahr als Sportchef und Cheftrainer.
Diese handverlesene auf Dubé zugeschnitte Mannschaft steht jetzt ein bisschen verloren da. Auch sind die Schlüsselspieler nicht mehr die jüngsten.
Das kann noch lustig werden für diesen Rönnberg. Er muss besser sein als Dubé, sprich die Finalteilnahme ist Pflicht. Die Spieler werden dann noch ein Jahr älter sein.