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Eigentlich sollten wir auf eine unanständige Art und Weise ehrlich sein und sagen: Zug hat in Bern absichtlich verloren.
Aber das wäre ungerecht und falsch. Kein Sportler geht mit dem Vorsatz in einen Wettkampf, absichtlich zu verlieren. Aber es macht einen riesigen Unterschied, gerade in einem so emotionalen Spiel wie Eishockey, ob die Spieler kompromisslos, leidenschaftlich und entschlossen den Sieg um jeden Preis suchen. Oder einfach mal schauen, was passiert.
Die Zuger haben das getan. Und als sie sahen, dass der SC Bern unbedingt wollte, ergaben sie sich ins Schicksal. Nicht eine Sekunde hat es einen Zweifel darüber gegeben, wer dieses Spiel gewinnen wird. Mit Pascal Bergers 1:0 (10. Min.) ist die Partie bereits entschieden. Eine Partie, die zur Farce wird. Eine Farce ist eine Form des Theaters. Mit sprachlichem Humor, Wortspielen und sexuellen Anspielungen wird Unsinn dargestellt, um das Publikum zu unterhalten. Wir haben diese Definition aus dem Wörterbuch übernommen.
Und genau das war dieses 8:3. Eine Farce. Was zu dazu passt: Ausgerechnet im entscheidenden Moment der Partie – als Zug das erste Tor zum 1:3 gelingt, holt Trainer Harold Kreis bei «Halbzeit» (29:27 Min.) seinen Titanen Tobias Stephan vom Eis und ersetzt ihn durch den 19-jährigen Elite-Juniorengoalie Noel Bader. Noel Bader hat noch nie ein NLA- oder Cupspiel bestritten. Der überraschende Torhütertausch hat fatale Folgen. In gut drei Minuten (32:12 Min. bis 35:22 Min.) fallen drei Treffer zum 6:2.
Frage an Trainer Harold Kreis: War der Torhüterwechsel zur «Halbzeit» im Voraus abgesprochen? «Nein, eigentlich nicht. Ich wollte mal den Spielverlauf abwarten.» Aber warum dann der Wechsel ausgerechnet in dem Augenblick, als sein Team das Momentum zurückgewonnen hatte? «Naja, wir verloren in den Playoffs gegen Davos Tobias Stephan während des Spiels durch eine Verletzung. Diese Situation wollte ich üben. Die Mannschaft darf sich durch so einen Wechsel nicht durcheinanderbringen lassen.»
Wer das Qualifikationsspiel vom letzten Freitag zwischen diesen beiden Teams gesehen hatte (Zug gewann 3:0), rieb sich verwundert die Augen: Waren das die gleichen Spieler? Wo war die spielerische Herrlichkeit eines Lino Martschini, Josh Holden oder Jarkko Immonen? Wie kann es sein, dass eine Mannschaft in ein paar Tagen so zerfällt?
Wäre es ein Meisterschaftsspiel gewesen, dann müssten wir jetzt Alarm schlagen. Einen Spieleraufstand vermuten! Oder einen Streik wegen fehlender Lohnzahlung!
Aber es war einfach nur ein Cupspiel. Sportchef Reto Kläy hat eine plausible Erklärung. «Wir haben erst am 13. November das nächste Meisterschaftsspiel. Ich habe das Gefühl, dass sich nach dem letzten Spiel in Genf schon so etwas wie Ferienstimmung breitgemacht hat.»
Frage an Harold Kreis: Haben seine Jungs die Partie nicht ernst genommen? «Nein, diesen Vorwurf können wir niemandem machen. Es fehlte halt im Vergleich zum letzten Freitag die Brisanz.» Oder anders gesagt: Beim 3:0 gegen den SCB war Meisterschaft. Das zählt. Gestern war «Göpp». Das zählt nicht.
Diese erste Niederlage in Bern seit dem 29. November 2013 (und fünf Siegen) erlöst die Zuger nun vor vom Cup-Wettbewerb und weiteren Peinlichkeiten. Sie sind deshalb gestern trotz einer Niederlage guten Mutes wieder nach Zug heimgereist.
Alle Erklärungen der Zuger sind plausibel. Das Ausscheiden aus dem Cup hat keinerlei Konsequenzen. Und doch ist diese Pleite ein Fanal. Ein Fanal ist ein bedeutungsschweres, folgenreiches oder symbolträchtiges Ereignis. Wer Meister werden will, muss eine Kultur des Gewinnens entwickeln. Das kann Jahre dauern. Siegen ist auch eine Gewohnheit.
Ein Trainer, der es zulässt, dass ein Wettbewerbsspiel (und das ist eine Cup-Partie) nicht ernst genommen wird, begeht eine sportliche «Todsünde». Zug wartet seit 1998 auf den nächsten Titel.
Diese Analyse kann den Eindruck erwecken, der neutrale Chronist entwerte durch die Kritik an Zug den SCB-Sieg. Doch so ist es nicht. Ganz im Gegenteil.
Der SCB verdankt Guy Boucher seine Erfolgsserie im Cup. Denn unter dem gescheiterten NHL-General ist ein solches Larifari-Spiel wie es die Zuger in Bern gezeigt haben nicht denkbar. Das lässt seine untadelige, nie angezweifelte professionelle Einstellung nicht zu. So gesehen besteht Hoffnung, dass der SCB wieder eine Siegermentalität entwickeln kann.
Der SCB ist daher Cup-Favorit. Weil die Konkurrenz offenbar den Cup nicht will. Arno Del Curto hat bereits in der ersten Runde so viele Spieler geschont, dass es gelungen ist, gegen den Erstligisten Dübendorf (!) eine Niederlage herbeizuführen (4:5 n.V.). Er ist der einzige Trainer der Liga, der sich solche Eskapaden leisten kann ohne dass seine Jungs Schaden an der sportlichen Seele nehmen. Der Meister ist nicht mehr im Wettbewerb.
Lugano, auf dem Papier auch ein Anwärter auf den Titel, ist gegen die Lakers kläglich gescheitert. Damit bleibt als letzter ernsthafter Rivale, der auf Augenhöhe mit dem SCB spielen kann, eigentlich nur noch der ZSC.
Der Cup bringt den Erstligisten und den NLB-Klubs aufregende Spiele und Geld in die Kassen. Der Cup könnte eine tolle Sache sein – wenn er von allen NLA-Klubs ernstgenommen würde. Aber das ist nun mal nicht der Fall.
Der Cup bringt in der NLA bei den Spielern und beim Publikum den Stallgeruch einfach nicht aus den Kleidern, bloss ein reines Marketing-Produkt ohne sportliche Seele zu sein. Das ist sehr, sehr schade. Im Fussball wäre es unvorstellbar, dass YB bei einem Cup-Achtelfinal gegen GC allen Saisonkarten-Besitzern gratis Eintritt gewährt, damit überhaupt Zuschauer kommen. Bei der nominellen Spitzenpaarung SC Bern gegen Zug war aber genau dies der Fall. Was nichts kostet, ist nichts wert.