Lucien Favre sagte es seit der Auslosung der Achtelfinals im letzten Dezember mehrmals und er wiederholte es am Tag vor dem Duell nochmals mit Nachdruck: «Entscheidend wird sein, wie wir verteidigen.» Dass seine Mannschaft angreifen kann, hat sie bewiesen. In diesem Kalenderjahr erzielte der BVB in sechs Partien 24 Treffer. Doch zu oft liess die Defensive zu wünschen übrig. Von den Teams in der ersten Tabellenhälfte der Bundesliga hat nur Hoffenheim mehr Gegentreffer kassiert.
Unachtsamkeiten darf sich Dortmund gegen Paris-Saint Germain nicht leisten. «Wir müssen in der Balleroberung sehr stark sein und danach mit Bedacht agieren», erklärte Favre, der vor allem vor den schnellen Kontern des französischen Meisters Respekt hat. Mit Neymar, Kylian Mbappé, Angel Di Maria und Mauro Icardi verfügen die Pariser über ein beeindruckendes Offensiv-Quartett, das allerdings nicht immer diszipliniert verteidigt.
PSG-Trainer Thomas Tuchel bestätigte, dass der zuletzt angeschlagene Neymar nach einer Rippenverletzung wieder fit ist und auflaufen wird: «Er fühlt sich gut, hat das Training mitgemacht und kann spielen. Mit ihm ändert sich für uns alles. Wir haben keinen anderen Spieler mit den gleichen Qualitäten.»
Bei den Dortmundern sind die Personalsorgen grösser. Mit Marco Reus und Julian Brandt fehlen zwei wichtige Spieler, die die beiden treffsicheren Teenager Jadon Sancho und Erling Haaland in der Offensive hätten unterstützen können. Die beiden Schweizer, Roman Bürki und Manuel Akanji, stehen derweil zur Verfügung. Während Bürki als Torwarter Nummer 1 gesetzt ist, wackelt der Stammplatz von Verteidiger Akanji. Beim 4:0-Sieg gegen Eintracht Frankfurt sass er zuletzt nur auf der Bank.
Das trifft wohl auch auf Stürmer Erling Braut Haaland zu. Das Reglement erlaubt den Einsatz der norwegischen Tormaschine, die im Herbst schon für Salzburg in der Champions League gespielt hatte. Goalie Bürki sagte zuletzt über Haaland, dass dieser nicht schwierig sei, sondern im Gegenteil «ein cooler Typ». Und ein äusserst fleissiger: «Ich bin immer einer der Ersten im Trainingszentrum – aber er ist immer noch früher da.»
Die Unsicherheiten bei Paris Saint-Germain betreffen nicht das Kader, sondern vor allem den psychologischen Aspekt. Dreimal in Folge ist der Klub zuletzt im Achtelfinal gescheitert und zumindest zweimal (2017 gegen Barcelona und 2019 gegen Manchester United) zeigte das Team Mängel im mentalen Bereich. Der Druck auf die PSG-Spieler ist umso grösser, als für die katarischen Besitzer in erster Linie das Abschneiden in der Champions League über den Erfolg einer Saison entscheidet. Ein weiteres Scheitern in der ersten K.o.-Runde würde deshalb auch Trainer Tuchel mit grosser Sicherheit den Job kosten.
Für ihn ist es eine Rückkehr nach Dortmund, wo er nicht nur mit offenen Armen begrüsst wurde. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die BVB-Führung um Präsident Hans-Joachim Watzke Tuchel nicht mehr mag. «Wir werden sicherlich keine grossen Freunde mehr», sagte Watzke. Tuchel sprach bei seiner Rückkehr von einem «komischen, aber auch schönen Gefühl.» Er sei sehr dankbar, habe er zwei Jahre lang Trainer beim BVB sein dürfen. «Es war ein Traum, hier Trainer zu sein. Wenn ich nicht das Privileg hätte Trainer zu sein, würde ich mir das Spiel anschauen.»
Für das zweite Achtelfinal-Hinspiel heute Abend (beide beginnen um 21 Uhr) bei Atlético Madrid kehrte der FC Liverpool in jenes Stadion zurück, in dem die Engländer im letzten Juni im Final gegen Tottenham den Titel gewonnen haben. «Es ist ein positives Gefühl, wenn wir an diesen Ort denken», sagte Trainer Jürgen Klopp. Aber eine Pilgerreise soll es nicht werden, ergänzte der Deutsche: «Wenn es eine Mannschaft gibt, gegen die man in allen Bereichen in Bestform sein muss – muss! –, dann ist es Atlético.»
Die Liverpooler sind der klare Favorit im Duell mit den Spaniern, die sich nach den gewichtigen Abgängen im Sommer in dieser Saison schwer tun. Ohne die weitergezogenen Antoine Griezmann, Lucas Hernandez, Rodri und Diego Godin kämpft die Mannschaft von Diego Simeone in der Meisterschaft mühevoll um die Teilnahme an der kommenden Champions League. Von den letzten sechs Spielen konnte nur eines gewonnen werden. Im Cup bedeutete ein Drittligist Endstation.
Ganz anders sieht die Situation beim Titelverteidiger aus. Die Liverpooler, bei denen Xherdan Shaqiri weiterhin verletzt ausfällt, haben saisonübergreifend 103 von möglichen 105 Punkten in der Premier League geholt. In einigen Wochen werden sie den ersten Meistertitel seit 30 Jahren feiern können. (ram/sda)