Am 8. März schien die AC Milan – einmal mehr in jüngster Vergangenheit – am Boden zu sein. Gegen Abstiegskandidat Genua hatte der Meister von 2011 eine desolate Leistung gezeigt und zuhause mit 1:2 verloren. So lagen die «Rossoneri» auf dem enttäuschenden 9. Platz, als das Coronavirus Italien mit voller Wucht traf und dafür sorgte, dass die Serie A über drei Monate lang pausieren musste.
Auch beim Restart durften sich die Milan-Fans keine grossen Hoffnungen auf eine Wende machen. Mit der Roma, Lazio und Juventus warteten in den ersten fünf Runden gleich drei der besten fünf Teams der Liga. Doch nach der Corona-Pause stand plötzlich ein anderes Milan auf dem Platz. 13 Punkte holten die Mailänder in diesen fünf Partien, einzig gegen SPAL liessen sie zwei Punkte liegen.
Vor allem gegen die zwei Teams an der Spitze, Lazio und Juve, beeindruckte das Team von Stefano Pioli. In Rom gewann Milan diskussionslos mit 3:0, gegen Juve drehten die Mailänder einen 0:2-Rückstand und setzten sich mit 4:2 durch. Zuvor war es in dieser Saison noch keinem Team gelungen, sowohl Juve als auch Lazio zu schlagen. Damit ist Milan neben Atalanta Bergamo das einzige Team der Liga, das seit dem Restart noch ungeschlagen ist.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei einmal mehr Zlatan Ibrahimovic. Auch im Alter von 38 Jahren hat der Schwede gezeigt, dass er in Spielen gegen grosse Gegner den Unterschied ausmachen kann. Obwohl er beim Restart noch verletzt fehlte, war er in den beiden Partien gegen Lazio und Juve an insgesamt vier Toren beteiligt.
Damit hat der Schwede seit seiner Rückkehr nach Mailand in neun Spielen bereits fünf Tore und drei Vorlagen auf dem Konto. «Die Gegner haben Glück gehabt. Wäre ich zu Beginn der Saison schon hier gewesen, hätten wir den Titel geholt», so der wie gewohnt selbstbewusste Schwede nach dem Sieg über Juve.
Doch nicht nur aufgrund der Skorerwerte hat sich die Rückholaktion Ibrahimovics ausgezahlt. Auch in den Trainings übernimmt der erfahrene Stürmer eine wichtige Rolle, viele der jungen Teamkollegen profitieren von ihm. «Neben dem Platz ist er ein anderer Mensch. Er ist wie ein grosser Bruder, er gibt mir immer Tipps, wie ich mich verbessern kann», schwärmte etwa der 17 Jahre jüngere Stürmer Rafael Leao gegenüber Sky Sport. Und Aussenverteidiger Theo Hernandez sagte im Interview mit «Onda Cero»: «Er ist ein fantastischer Teamkollege, äusserst positiv. Ihm gefällt es überhaupt nicht, zu verlieren. Wenn wir Fehler machen, motiviert und fordert er uns.»
So haben sich im Windschatten von Ibrahimovic auch Spieler, die schon als Fehltransfers abgestempelt worden sind, massiv gesteigert. Ante Rebic etwa, der in den ersten 17 Saisonspielen nur auf 179 Spielminuten kam, hat in den letzten zwölf Partien in der Meisterschaft zehn Treffer erzielt. Franck Kessié, dessen Abgang eigentlich sicher schien, blüht plötzlich wieder auf. Und Regisseur Ismaël Bennacer wird plötzlich mit Topteams wie Real Madrid oder Manchester City in Verbindung gebracht.
Dank dieser Verwandlung ist Milan auch in der Tabelle wieder auf dem Weg nach oben. Nachdem bis zur Corona-Pause eine erneute Saison ohne Europacup-Teilnahme drohte, liegen die Mailänder mittlerweile auf dem fünften Platz, mit dem sie sich direkt für die Europa League qualifizieren würden. Es wäre das bestmögliche Resultat nach dem Restart, die Top 4 sind mit 14 Punkten Vorsprung und mehr schon zuvor enteilt.
Der plötzliche Höhenflug stellt die Chefetage von Milan nun vor eine schwierige Entscheidung. Schon seit Monaten stehen die Verantwortlichen der «Rossoneri» mit Ralf Rangnick in Kontakt. Es gilt als offenes Geheimnis, dass der Red-Bull-Stratege auf die kommende Saison hin nach Mailand wechseln und dort sowohl Stefano Pioli als Trainer als auch Vereinslegende Paolo Maldini als technischen Direktor ablösen soll.
Nun spielt Milan aber so gut wie schon lange nicht mehr. Einige Fans sind deshalb skeptisch: Ein weiterer Trainerwechsel – der achte in den letzten gut sechs Jahren – wäre in diesem Moment nicht ohne Risiko.
Da schlägt mein 90er-Jahre-Kind-Herz höher.
Forza Milan!!