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Auf Leicesters Spuren: In Russland bastelt FK Rostow gegen die Grossklubs am Märchen

Die Rostower bejubeln das 1:0 gegen Zenit St.Petersburg
Die Rostower bejubeln das 1:0 gegen Zenit St.Petersburg
screenshot: youtube russische premier League

Auf Leicesters Spuren: In Russland bastelt der Fast-Absteiger gegen die Grossklubs am Märchen

Letzte Saison fast abgestiegen und nun völlig überraschend an der Spitze der Premier League. Was stark nach Leicester in England tönt, trifft auch auf Russland zu, wo die Liga denselben Namen trägt. Dort ist Rostow ebenfalls drauf und dran, den Grossen ein gehöriges Schnippchen zu schlagen.
26.04.2016, 13:3903.05.2016, 10:47
Donat Roduner
Donat Roduner
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Russland ist weit weg und die dortige Premier League kann – trotz punktuell beachtlicher Leistungen der Exponenten in der Champions League – nicht zu den europäischen Top-Ligen gezählt werden. Die Geschichte, die sich aber gerade in Rostow abspielt, ist definitiv eine Erzählung wert – gerade dank den frappanten Parallelen zu Leicester.

Apropos Leicester:
Topskorer Jamie Vardy ist vom englischen Verband für ein weiteres Spiel gesperrt worden. Wegen seinem ungebührlichen Verhalten gegenüber dem Schiedsrichter nach der Gelb-Roten Karte gegen West Ham muss der Stürmer auch noch beim kommenden Premier-League-Spiel gegen Manchester United (Sonntag, 1. Mai) auf der Tribüne Platz nehmen. Den «Foxes» reicht ein Sieg aus den verbleibenden drei Spielen, um die Meisterschaft für sich zu entscheiden.

Grösster Unterschied der Geschichte Rostows zu jener Leicesters ist der Ausgangspunkt. 2014 feierten die Rostower mit dem Sieg im Cup den ersten Titel in der Vereinsgeschichte. Dieser war allerdings nicht der Beginn des Märchens, sondern der Beginn eines Abstiegs. Anstatt auf dem Erfolg aufzubauen, schlitterten die Südrussen in die Krise – Trainer Igor Gamula machte zudem mit rassistischen Bemerkungen auf sich aufmerksam und musste bald gehen.

Wieder aufwärts ging es, als die Geschicke in die Hände von Gurban Berdiyew gelegt wurden. Der 63-jährige Turkmene, der 2001 bis 2013 Trainer bei Rubin Kasan gewesen war und von dort mehr als eine Handvoll Personal abtransportierte, übernahm Rostow abgeschlagen am Tabellenende. Unter Berdiyew gelang aber die Wende, die Gelb-Blauen konnten in der letzten Saison den direkten Abstieg um Haaresbreite verhindern und sicherten den definitiven Ligaerhalt in der Relegation gegen den FK Tosno.

Die aktuelle Saison stand wenigstens zu Beginn unter keinem guten Stern: Es gab finanzielle Turbulenzen. Wegen ausbleibender Lohnzahlungen bestreikten die Spieler die Cup-Partie gegen Tosno, die mit Junioren prompt verloren ging (0:1). Doch der griechisch-russische Oligarch Ivan Savvidis, der auch bei PAOK Saloniki (Grie) seine Finger im Spiel hat, stand dem Verein zur Seite.

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Dank der finanziellen Stabilität wurden die Parallelen zu Leicester in der laufenden Saison, in die man trotz namhafter Zuzüge wie den «iranischen Messi» Sardar Azmoun (ausgeliehen von Kasan) als Aussenseiter gestartet war, immer offensichtlicher. Berdiyew legte das Fundament für den Erfolg, indem er Rostow ein funktionierendes Defensivsystem eintrichterte. Dabei spielt die Abwehr in einer Fünferkette, wobei die Aussenverteidiger auch offensiv Akzente setzen sollen.

Alanija und das Wunder von 1995
Der FK Rostow wäre nicht der erste Fussballverein, dem in der höchsten russischen Liga ein völlig unvorhergesehenes Husarenstück gelingt. In der Saison 1994/95 wurde entgegen den Prognosen aller Spartak-Alanija aus der im Nordkaukasus gelegenen Stadt Wladikawkas Meister. Die «Phalanx» der Teams aus Moskau wurde ein erstes Mal durchbrochen.
Wer dem Englischen mächtig ist und diese Story im Detail erzählt haben möchte, der vergnüge sich hier.

Die vergangene Saison beendete der FK Rostow mit 15 Niederlagen und beschämenden 27:51 Toren aus 30 Spielen. Das ist in der aktuellen Spielzeit ganz anders. In bisher 25 Spielen gingen die Rostower nur vier Mal als Verlierer vom Platz und Gegentore haben sie erst mickrige 16 erhalten – Ligabestwert. Noch beeindruckender ist die Bilanz aus den letzten acht Spielen, die alle Ernstkämpfe in diesem Jahr beinhaltet: Sechs Siege, zwei Unentschieden, 10:0 Tore. Torhüter Soslan Dschanajew musste seit der 1:2-Niederlage gegen Krasnodar am 30. November 2015 nicht mehr hinter sich greifen.

Die aktuelle Tabelle.
Die aktuelle Tabelle.
screenshot: weltfussball.com

Die Serie ermöglichte es Rostow, dank einem überzeugenden 3:0-Sieg gegen den amtierenden Meister Zenit St.Petersburg am Sonntag, fünf Runden vor Schluss die Tabellenspitze zu übernehmen. Der Traum vom Meistertitel wird immer realer. Doch im Gegensatz zu Leicester, das drei Runden vor Schluss ein Sieben-Punkte-Polster besitzt, beträgt Rostows Vorsprung auf das zweitplatzierte ZSKA Moskau nur einen Punkt.

Highlights aus dem Spiel gegen Zenit. Man beachte auch die Fünferkette von Rostow. streamable

Dank einem funktionierenden Kollektiv ist Rostow der Erfolg aber zuzutrauen. «Vielleicht hat es keine grossen Namen in unserem Team ... Aber eine gute Mischung aus Jugend und Erfahrung ermöglicht uns die guten Resultate. Wir gehen jeden Match raus, als ob es unser letzter wäre, und darum bringen wir es fertig, stets zu punkten», bringt es Mittelfeldspieler Alexander Erochin gegenüber dem Newsportal RT auf den Punkt.

Rostow hat gute Chancen, das «Leicester Russlands» zu werden. Die Überzeugung ist da und das Restprogramm ist machbar. Gespannt behalten wir den Fussball-Osten im Auge.

Wegweiser für Interessierte:
– Die Kollegen von spielverlagerung.de haben sich vertieft mit der Taktik Rostows gegen Zenit auseinandergesetzt.
– Für all jene, die sich ausführlicher mit dem russischen Fussball auseinandersetzen wollen: Ein Besuch bei Russian Football News oder More Than Arshavin ist empfehlenswert.

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