Sport
Fussball

EM 2022: Ein Turnier, das den Frauenfussball in eine neue Ära hievt

Ganz England hofft auf den ersten Titel der «Three Lionesses».
Ganz England hofft auf den ersten Titel der «Three Lionesses».bild: imago-images.de

Auftakt vor 73'000 Zuschauern – die EM hievt den Frauenfussball in eine neue Ära

Die EM der Frauen in England setzt schon vor dem Eröffnungsspiel von heute Abend neue Massstäbe. Die Schweiz ist zum zweiten Mal an kontinentalen Titelkämpfen dabei, favorisiert sind aber andere.
06.07.2022, 08:0206.07.2022, 14:01
Mehr «Sport»

Wahrscheinlich ist es Zufall, aber es passt trotzdem schön ins Bild. Heute Abend um 21.00 Uhr eröffnen England und Österreich die Fussball-Europameisterschaft der Frauen im Old Trafford. Das Stadion von Weltklub Manchester United wird auch das «Theatre of Dreams» genannt, und vielleicht wird sich die eine oder andere Spielerin tatsächlich wie im Traum vorkommen, wenn sie den Rasen betritt und den Blick über die Tribünen schweifen lässt. Über 73'000 Fans werden da sein für das Eröffnungsspiel dieser 13. offiziellen EM. Die Tickets waren innert kürzester Zeit vergriffen. England will Fussball sehen, Fussball der Frauen. Das war nicht immer so. Zumindest nicht für alle.

Das Old Trafford wird heute Abend restlos ausverkauft sein.
Das Old Trafford wird heute Abend restlos ausverkauft sein.bild: imago-images.de

Am 26. Dezember 1920 findet im Goodison Park in Liverpool ein Benefizspiel statt. Die Frauen aus der Dick-und-Kerr-Fabrik in Preston, welche Lokomotiven und Tramwagen herstellt, spielen gegen Frauen aus St. Helens. Sie gewinnen 4:0, begeistern dabei 53'000 Zuschauerinnen und Zuschauer und nehmen ein, was heute etwa 140'000 Pfund entsprechen würde. Das Geld soll aber nicht wie bei anderen Auftritten des Teams zuvor einfach den Kriegsveteranen zugutekommen, sondern auch der Arbeiterklasse helfen.

Dem englischen Verband FA ist die unerwartete Begeisterung für fussballspielende Frauen nicht geheuer, weshalb er ein knappes Jahr später, am 5. Dezember, beschliesst, Matches der Frauen auf ihren Plätzen zu verbieten, schliesslich sei Fussball «ziemlich ungeeignet für Frauen» und sollte deshalb «nicht unterstützt» werden. Es sollten 51 Jahre vergehen, ehe das Verbot aufgehoben wurde.

Wembley voll in 43 Minuten

In Anbetracht des steten Wachstums und der steigenden Popularität, welche die Sportart in den letzten Jahren erfahren hat, scheinen solche misogynen Handlungen beinahe surreal. Ganz ohne Misstöne kommt die UEFA jedoch auch 2022 nicht davon. Vorab warf die isländische Mittelfeldspielerin Sara Bjork Gunnarsdottir dem europäischen Dachverband vor, Frauenfussball nicht zu respektieren, weil anders, als es bei einer EM der Männer der Fall wäre, nicht in den schönsten und grössten Stadien des Landes gespielt werde, sondern unter anderem die Isländerinnen auf einem Trainingsplatz des Männerteams von Manchester City antreten, der 4700 Personen Platz bietet.

IMAGO / PA Images

Manchester City v Reading - Barclays FA Women s Super League - Academy Stadium A general view inside the stadium ahead of the Barclays FA Women s Super League match at the Academy S ...
Das Manchester City Academy Stadium ist mit 4700 Plätzen die kleinste der zehn EM-Arenen.Bild: imago-images.de

Turnierdirektor Chris Bryant sagte in englischen Medien, man habe sich schon 2019 für die Austragungsorte entscheiden müssen, und aufgrund des Wachstums der letzten Jahre sei das Turnier jetzt grösser als das, woran die FA bei der Bewerbung gedacht habe. «Aber wir mussten nehmen, was wir bekommen, und ausverkaufte Stadien zu haben, ist nie schlecht.»

Apropos ausverkauft: Nicht nur das Eröffnungsspiel wird sicher vor vollen Rängen stattfinden, sondern auch der Final am 31. Juli im Wembley. 43 Minuten dauerte es, bis die 87'000 Tickets abgesetzt waren. Deshalb überrascht es nicht, dass diese EM, bei der die UEFA mit 16 Millionen Euro das doppelte Preisgeld ausschüttet im Vergleich zur letzten Austragung, neue Massstäbe setzen wird bezüglich Zuschauerinteresse: 2017 in den Niederlanden sorgten 274’041 verkaufte Eintritte für einen Rekord, in England wurden nun bereits über 500'000 Tickets verkauft.

Schwieriges Los für die Schweiz

Sportlich ist es ein Turnier, das mehrere Anwärter auf den Titel kennt: Spanien mit Tiki-Taka, Titelverteidiger Niederlande, der WM-Dritte Schweden und Rekordsieger Deutschland (acht EM-Titel) dürfen ebenso wenig ausser Acht gelassen werden wie Frankreich oder Gastgeber England, der getragen vom Publikum auf den grossen Coup hofft.

Für die Schweiz ist es die zweite Europameisterschaft nach 2017. Damals schieden die Schweizerinnen unter der Ägide der heutigen Deutschland-Trainerin Martina Voss-Tecklenburg in der Vorrunde aus.

Natürlich soll das diesmal anders sein, natürlich träumen die Spielerinnen von Nils Nielsen von einem Vorstoss in die Viertelfinals. Mit Schweden und der Niederlande hat die SFV-Auswahl aber zwei Schwergewichte in der Gruppe. Eines davon hinter sich zu lassen, wird schwierig werden. Sämtliche 31 Partien werden übrigens auf SRF entweder im Fernsehen oder online live übertragen. (pre/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Stadien der Frauen-EM 2022 in England
1 / 13
Die Stadien der Frauen-EM 2022 in England
Vom 6. bis 31. Juli findet die Fussball-EM 2022 der Frauen in England statt. Die Schweiz trifft auf Portugal, Schweden und die Niederlande.
quelle: keystone / robert ghement
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Schiri wird von Fussballerin in die
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
35 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Schlaf
06.07.2022 10:32registriert Oktober 2019
Immer dieses männliche gegen weibliche ist nicht gut für unsere Gesellschaft!

Sollen doch alle die wollen das Turnier schauen, wems gefällt wird in Zukunft auch wieder Spiele der Frauen schauen, wems nicht passt, lässt es halt sein.

Das Stadion voll bei der Eröffnung ist ja mal ein gutes Zeichen, dass der Frauenfussball am ankommen ist.

Time will tell.
202
Melden
Zum Kommentar
35
Medaillensegen: So viel olympisches Edelmetall holen wir mit der 10-Millionen-Schweiz

Die 10-Millionen-Schweiz.

Zur Story