
Es ist kompliziert: Das Verhältnis zwischen Trainer Petkovic und Nati-Star Shaqiri ist nur «ok». Bild: KEYSTONE
02.09.2019, 15:5302.09.2019, 18:32
Drei Tage vor dem wegweisenden Spiel in der EM-Qualifikation in Dublin gegen Irland besammelte sich das Schweizer Nationalteam in Zürich. Zu reden gab dabei vor allem die Absenz von Xherdan Shaqiri. Nationalcoach Vladimir Petkovic erklärte die heikle Personalie.
Am Montagnachmittag sass Vladimir Petkovic im Konferenzraum des Hotel Atlantis am Fusse des Zürcher Hausberges Üetliberg und sprach zu den Medien.
Irgendwann ergriff er das Trinkglas vor ihm und sagte: «Ich will nicht pessimistisch sein. Ich sage auch über dieses Glas: Es ist halbvoll.» Dabei lachte er, denn er hatte kurz zuvor den letzten Schluck genommen.

Bei Liverpool läuft es für Shaqiri noch nicht wie erhofft. Bild: KEYSTONE
Die Pointe war gut. Dabei ging es durchaus um ein ernstes Thema - zumindest im Mikrokosmos des Schweizer Fussball-Nationalteams. Denn die Frage an Petkovic hatte gelautet: Glauben Sie, dass Xherdan Shaqiri im Oktober wieder für die Schweiz spielen will? Der Vergleich mit dem halbvollen Trinkglas war Petkovics Antwort darauf, konkreter wurde er nicht.
Was im Oktober oder November oder auch 2020 sein wird, weiss niemand. Jetzt im September aber hatte Shaqiri das Aufgebot von Petkovic abgelehnt. Am Freitag hatte Petkovic die Personalie nicht kommentiert. Er hätte das tun können, dann wäre übers Wochenende weniger spekuliert worden in den Medien und an den Stammtischen. Petkovic findet: «Die Dinge werden von den Leuten ohnehin immer verschieden interpretiert. So hatten die Zeitung immerhin ihre Schlagzeilen und die Online-Portale ihre Klicks.»

«Shaqiris Motivation ist leer», sagte Petkovic an einer Medienkonferenz. Bild: KEYSTONE
Am Tag des Zusammenzugs in Zürich gab Petkovic nun Erklärungen ab. Shaqiri fühle sich nicht in der Verfassung, um für die Mannschaft den Unterschied machen zu können. Petkovic sprach davon, dass Shaqiris Motivation «leer» sei. «Es gab mit ihm schon früher diese Probleme. Jetzt tut es mir leid, dass ich ihm nicht helfen kann.»
«Es gab mit Shaqiri schon früher diese Probleme. Jetzt tut es mir leid, dass ich ihm nicht helfen kann.»
Vladimir Petkovic
Shaqiris Problem ist dies: Bei Liverpool spielt er nicht und dies seit Monaten. In dieser Saison stand er in der Premier League einmal während fünf Minuten im Einsatz. Letztmals gehörte er am 30. Januar zur Startformation. Danach kam er in der Meisterschaft nur noch auf vier Teileinsätze mit insgesamt 60 Minuten. Der Einsatz im Halbfinal-Rückspiel der Champions League ist der Höhepunkt seines Jahres.
Die Situation ist für Shaqiri deprimierend. Er ist in Liverpool gefangen im goldenen Käfig. Der Klub will ihn nicht verkaufen. Shaqiri mag nicht das Niveau haben seiner Mitspieler Mohamed Salah oder Sadio Mané, aber für Trainer Klopp ist es angenehm, als Stürmer Nummer 6 über einen Spieler mit den Qualitäten Shaqiris zu verfügen.
Gefangen im goldenen Käfig
Shaqiri also leidet in Liverpool - und in Zürich ist Petkovic hin- und hergerissen. Er akzeptiert die Gefühle seines besten Offensivspielers, er will Verständnis aufbringen für seinen Entscheid. Aber er sagt auch: «Ich glaube, er hätte zum Nationalteam kommen können. Dann wäre er auf andere Gedanken gekommen. Es gab auch früher Spieler, die kamen im Klub nicht zum Einsatz. Aber beim Nationalteam haben wir ihnen geholfen, sie konnten bei uns Spielpraxis sammeln, und dann ging es auch im Klub wieder besser.»
Statt Shaqiri im SFV-Camp und in den Spielen gegen Irland und Gibraltar helfen zu können, musste sich Petkovic damit begnügen, eine SMS zu schreiben. «Es war ein sehr langes SMS mit positiven Gedanken.» Petkovic gilt nicht als grosser Kommunikator. Vielleicht hat er deshalb betont von einem «sehr langen SMS» gesprochen. Es war wohl seine Art, auf den stolzen, manchmal sensiblen, manchmal übermütigen, aber manchmal eben offenbar auch schwermütigen Shaqiri zuzugehen. Petkovic sagt dazu: «Mein Verhältnis zu Xherdan ist okay, aber es könnte viel besser sein. Vielleicht müssten sich beide etwas öffnen, dann gehen alle als Gewinner aus dieser Situation heraus.»Noch stehen die Spiele in dieser Woche in Irland und gegen Gibraltar an. Doch schon jetzt ist man gespannt auf das Aufgebot für die Oktober-Länderspiele in Dänemark und zuhause gegen Irland. Mit Shaqiri? Ohne Shaqiri? Für Petkovic und das Nationalteam ist zu hoffen, dass dannzumal das Glas nicht halbleer ist.
Vladimir Petkovic verabschiedet sich ins Training.
«Ein grosses Danke an alle beim Verband, die jetzt gegangen sind. An alle neuen: Glückwunsch. Es ist keine einfache Position. Wir versuchen gemeinsam, den Schweizer Fussball besser zu machen. Wir haben vieles schon gut gemacht, wir haben aber auch noch Punkte, in denen wir uns verbessern können. Es kommen langsam neue, gute Inputs.»
Es erwartet uns ein schönes, bedeutendes Spiel. Die Zuschauer werden hinter der eigenen Mannschaft stehen. Es erwartet uns eine Mannschaft, die uns gut tun könnte, wenn wir unser Spiel durchziehen. Wir haben in letzter Zeit gute Spiele gezeigt, wir können dem Spiel optimistisch entgegenblicken.
«Wir haben unsere Spielkultur, wir gehen nicht davon weg, nur weil ein Spieler fehlt. Wir werden alles unternehmen, damit wir die richtigen Optionen haben. Wir haben auch schon ohne Shaqiri gespielt. Es ist ein Mannschaftssport. Jeder Spieler muss noch mehr drauflegen.»
«Wir dürfen nicht vergessen, dass Shaqiri fast 100 Spiele für die Nati absolviert hat. Er hat in vielen Spielen den Unterschied gemacht. Er ist aber auch ein Mensch, der schwierige Zeiten durchmacht. Wir müssen alles machen, damit Shaqiri wieder vollmotiviert zurückkehrt. Manchmal müssen wir etwas mehr Respekt haben vor den Spielern.»
«Ich glaube, es ist auf einem Niveau, das ok ist. Es könnte aber auch besser sein. Wir müssen uns gegenseitig noch mehr öffnen. Und daran glauben, dass wir aus solchen Situationen als Gewinner rauskommen können. Das braucht Er, das brauche ich, das braucht die Nati und das braucht Liverpool.»
«Ich will nicht pessimistisch sein. Für mich ist das Glas halbvoll. Ich bin bereit, alles zu unternehmen, um Shaqiri zu schützen. Ich werde mit ihm alles machen, dass er stärker zurückkommt und die Nationalmannschaft davon profitieren kann.»
«Er hat keine Verletzung. Er ist im Moment vielleicht ein wenig leer, hat keine Motivation. Er hat geglaubt, es ist das beste für ihn, nicht zur Nati zu kommen.»
Er hat die gesamte Vorbereitung beim Klub mitgemacht, Lichtsteiner nicht.
«Das ist schwierig zu sagen. Ich habe vor dem Aufgebot und auch im August mit ihm gesprochen. Im Sommer hat er teilweise alleine trainiert. Jeder Spieler hat die Hoffnung dabei zu sein, aber ich muss einschätzen, welche Spieler in diesem Moment die besten sein werden. Natürlich ist es etwas schwieriger, weil er Captain ist. Es kann aber auch störend sein, wenn der Spieler trotz seiner Rolle nicht bereit ist und ich ihn auf der Tribüne lassen muss.»
«Zum Glück nicht. Aber ich finde es auch nicht so schlimm. Wir versuchen den Spielern zu helfen und die Spieler helfen unserer Mannschaft und mir. Es ist ein Geben und Nehmen. Da haben wir eine Linie gefunden. Da kommt es nicht drauf an, welcher Spieler es ist – Shaqiri oder ein anderer.»
Das Thema: Ob die Pressekonferenz gleich mit dem Erscheinen des Aufgebots abgehalten werden soll oder erst wie jetzt drei Tage später.
«Ich glaube nicht, dass diese Erklärung gewisse Medienberichte verhindert hätte. Es gibt nach jeder Aussage Berichte, die in andere Richtungen gehen. Aber schauen Sie, sie hatten nun drei Tage Zeit zu spekulieren. Sie haben Zeitungen verkauft und Klicks gesammelt. Wir können das in Zukunft gerne auch anders lösen.» (lacht)
«Fünf Tage vor dem Zusammenzug haben wir entschieden, dass es keinen Sinn macht, dass Xherdan kommt. Er braucht diese zwei Wochen um gedanklich wieder Fuss zu fassen. Ich wünsche er greift in Liverpool wieder richtig an.»
«Wir sind alle eine Mannschaft. Wir versuchen beim Wir-Gefühl noch besser zu werden.»
«Das wird ein schwieriges Spiel. Sie haben genug Punkte, um auch etwas zu riskieren. Wir müssen bereits sein und uns die drei Punkte sichern.»
«Momentan ist die Tabelle schwer lesbar, alle haben unterschiedlich viele Spiele. Unser Ziel ist es aber immer, auf den Platz zu gehen, um zu gewinnen. Jetzt haben wir zwei kleine Schritte vor uns, die sehr bedeutungsvoll sein können. Wir haben nicht so viel Zeit, aber wir müssen alles tun, um unsere wichtigen Punkte wieder abzurufen.»
«Shaqiri hat im Moment nicht das Gefühl, dass er in der Nati den Unterschied ausmachen kann. Etwas, wofür er sonst sehr wichtig ist. Er fühlt sich nicht bereit. Ich verstehe und akzeptiere den Wunsch von Xherdan. Vielleicht hätte ihm die Nati auch neuen Schwung geben können, aber ich verstehe die Schwierigkeiten, die er im eigenen Klub hat. Wir haben das akzeptiert. Er soll diese Zeit nutzen, um wieder der alte Xherdan zu werden, der uns so viel bringt. Ich bin zuversichtlich, dass er das schafft. Ich habe ihm eine lange SMS geschickt mit positiven Gedanken.»
«Ich habe mir Gedanken gemacht zu diesem Zusammenzug. Ich will im September immer die bestmögliche Mannschaft nominieren, aber auch eine Mannschaft, die gut zueinander passt. Einige Spieler sind nicht dabei, teilweise wegen Verletzungen oder weil sie Trainingsrückstand haben. Einige haben auch gespürt, dass sie unserer Mannschaft nichts bringen und sich lieber auf die Probleme im eigenen Klub konzentrieren.
Mit Lichtsteiner bin ich sehr zufrieden, er hat in Augsburg einen neuen Klub gefunden. Das ist für ihn sehr wichtig. Er war für mich noch nicht weit genug, um bei uns zu sein. Dasselbe gilt für Lang, der auch im letzten Moment gewechselt hat. Er kann diese Zeit nutzen, um in seiner neuen Mannschaft Fuss zu fassen.»
«Es dauert noch einige Stunden, ich hoffe mit unseren Spielern passiert nichts mehr. Einige Spieler haben den Klub gewechselt und müssen sich im neuen Team erst einfinden. Deshalb ist beim Nati-Termin im September nicht so wichtig, wie viel ein Spieler im Klub gespielt hat. Das Aufgebot sind die 23 besten Spieler, die wir momentan haben.»

«Von mir aus gehe ich ein wenig zurück, vor diese Sommerferien, zurück zur Nations League. Das Negative war das Resultat. Alles andere war positiv. Diese Erfahrung, uns gegen die Grossen zu messen, war wichtig. Dass es nicht besser geklappt hat, war auch etwas Pech dabei. Wir müssen noch das Penaltyschiessen üben.»
Er stellt Stephan Baumgartner als neuen Kommunikationschef des Fussballverbands vor. Der erklärt den Ablauf der Pressekonferenz.

Bald treten Petkovic und Tami vor die versammelte Presseschar.
Vor dem beiden EM-Qualifikationsspielen gegen Irland und Gibraltar tritt Nati-Trainer Vladimir Petkovic zusammen mit Nati-Direktor Pierluigi Tami heute um 15 Uhr vor die Medien. Der Coach wird sich unter anderem zur Nicht-Berücksichtigung von Ex-Captain Stephan Lichtsteiner und zum freiwilligen Fernbleiben von Xherdan Shaqiri äussern müssen.

Bild: KEYSTONE
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