Sport
Leichtathletik

Caster Semenya verliert vor dem CAS: Testosteron-Obergrenze bleibt

FILE - In this Wednesday, Aug. 19, 2009 file photo South Africa's Caster Semenya celebrates after winning the gold medal in the final of the Women's 800m during the World Athletics Champions ...
Bild: AP/AP

Caster Semenya verliert vor dem Sportgerichtshof: Testosteron-Obergrenze bleibt

Die 800-m-Olympiasiegerin Caster Semenya verliert vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) ihren Fall gegen die IAAF. Semenya muss ihren Testosteronwert reduzieren, um wieder starten zu können.
01.05.2019, 12:1601.05.2019, 14:18
Mehr «Sport»

Um was es geht: Die 800-m-Läuferin Caster Semenya gilt als intersexuell. Sie weist für Frauen ungewöhnlich hohe Testosteron-Werte aus, die bei ihr durch eine Erbkrankheit ausgelöst werden. Durch den erhöhten Testosteron-Wert verfügen Athletinnen wie die 28-jährige Südafrikanerin über einen Wettbewerbsvorteil. Testosteron (das männliche Geschlechtshormon) gilt als einer der wichtigsten Faktoren für körperliche Leistungsfähigkeit.

Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hat im letzten Jahr für Athletinnen, die über Distanzen zwischen 400 m und einer Meile antreten, einen Testosteron-Höchstwert eingeführt. Dieser beträgt 5 Nanomol pro Liter (nmol/l) Blut. Zum Vergleich: Normal sind bei Frauen Werte von 0,12 bis 1,79 nmol/l.

99 Prozent aller Sportlerinnen verfügen über Testosteron-Werte unter 3 nmol/l. Bei den Männern beginnen die Normalwerte bei 10,5 nmol/l. Frauen mit höheren Werten (wie bei Semenya) sollen diesen Wert sechs Monate lang mit Hilfe von Medikamenten auf 5,0 nmol/l senken und dürfen diesen Grenzwert danach nicht mehr überschreiten. Gegen diese Regel richtete sich Semenyas Einsprache beim Sportgerichtshof. Sie führte an, diese sei diskriminierend.

«Manchmal ist die beste Reaktion, gar nicht zu reagieren.»
Caster Semenya

Der Sportgerichtshof erachtete die IAAF-Regel zwar tatsächlich als diskriminierend, aber auch «als notwendiges, vernünftiges und angemessenes Mittel» um das Fairplay gegenüber allen zu wahren. Die Richter wiesen in ihrem Urteil aber ausdrücklich auch darauf hin, dass es im konkreten Einzelfall zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Regel kommen kann. Das CAS-Urteil könnte Auswirkungen auf das Startrecht von Frauen mit hohen Testosteronwerten für die WM vom 27. September bis 6. Oktober in Katar haben. Bis zum WM-Start verbleiben weniger als sechs Monate.

Semenya muss nun ihren Testosteron-Wert reduzieren, um wieder starten zu können – oder sie muss den Entscheid des CAS innerhalb der nächsten 30 Tage vor dem Bundesgericht anfechten. Semenyas erste Reaktion nach dem Urteil des CAS: «Manchmal ist die beste Reaktion, gar nicht zu reagieren.»

Streitfrage seit 2009

An Caster Semenya scheiden sich in der Leichtathletik die Geister seit zehn Jahren. 2009 wurde sie in Berlin erstmals Weltmeisterin über 800 m. Schon vor dem Start kursierten Gerüchte, wonach die Südafrikanerin keine richtige Frau sei – wegen ihrer tiefen Stimme und männlich anmutender Gesichtszüge. Es folgte ein Startverbot der IAAF, welches wieder aufgehoben wurde. Die IAAF legte 2010 einen maximalen Testosteron-Wert von 10,0 nmol/l fest. Diese Regel wiederum wurde 2015 vom Sportgerichtshof aufgehoben. Die IAAF musste danach beweisen, dass erhöhte Testosteron-Werte zu erhöhter Leistungsfähigkeit führen. Diesen Beweis erbrachte die IAAF 2017 mittels einer Studie. 2018 führte die IAAF den Testosteron-Grenzwert von 5 nmol/l ein.

Nicht nur die zweimalige Olympiasiegerin und dreimalige Weltmeisterin Semenya («Ich will so rennen, wie ich geboren wurde») wehrt sich gegen die neue IAAF-Regel. Es gab einen offenen Brief von 60 Spitzensportlerinnen, mit dem verlangt wurde, dass keine Frau ihren Körper verändern müsse, um an Wettkämpfen für Frauen starten zu dürfen. Selbst die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte den Weltverband dazu auf, die Regel wieder zu streichen. (abu/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die erfolgreichsten Teilnehmer Olympischer Sommerspiele
1 / 13
Die erfolgreichsten Teilnehmer Olympischer Sommerspiele
Michael Phelps, USA, Schwimmen: 23 Gold, 3 Silber, 2 Bronze.
quelle: ap/ap / matt slocum
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
72 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
gjonkastrioti
01.05.2019 12:31registriert Oktober 2014
So hart das jetzt klingt, wenn man das nicht macht, haben Frauenwettbewerbe einfach keinen Sinn mehr.
27123
Melden
Zum Kommentar
avatar
DieFeuerlilie
01.05.2019 12:54registriert März 2017
“Semenya erachtete das als Akt der Diskriminierung ihrer Weiblichkeit.“

Nun ja.. man/frau könnte das auch von der anderen Seite betrachten:
Derart hohe Testosteron-Werte unterdrücken, diskriminieren ihre Weiblichkeit.

Genetisch betrachtet mag es ja anders sein, aber von aussen betrachtet wirkt sie jedenfalls mehr wie ein Mann als wie eine Frau.

Semenya in einem Frauenwettbewerb mitmachen zu lassen wirkt auf mich jedenfalls unfair.
Da erscheint mir die Diskriminierung einer einzelnen Athletin fairer als die Diskriminierung (Chancenlosigkeit) aller anderen weiblichen Athletinnen.
16818
Melden
Zum Kommentar
avatar
Patsia
01.05.2019 16:18registriert Juni 2016
Ganz schwierige Situation, für die es mMn keine gerechte Lösung gibt. Auf der einen Seite verstehe ich Semenya, die sich dagegen wehrt, dass sie ihren aufgrund einer unverschuldeten Laune der Natur gegebenen Körper verändern muss, um überhaupt starten zu dürfen. Das ist klar gegen die eigene körperliche Integrität. Auf der anderen Seite ist es aber auch völlig verständlich, dass die IAAF Testosteronhöchstwerte, die zudem deutlich über dem normalen Wert liegen, für Frauen definiert, um die Wettbewerbe fair zu machen. Ich bin froh, muss ich darüber nicht entscheiden, denn ich wüsste nicht wie!
605
Melden
Zum Kommentar
72
Hirscher über sein Comeback: «Ich will nicht, dass man für mich Ausnahmeregeln macht»
Heute Morgen ging die Nachricht eines spektakulären Comebacks durch die Sportwelt. Marcel Hirscher, 67-facher Weltcupsieger, kehrt in den Ski-Weltcup zurück, wobei er künftig für den niederländischen Verband antreten wird. Nun meldete sich der Österreicher zu Wort.

Fünf Jahre sind vergangen, seit Marcel Hirscher 2019 seine Skischuhe an den Nagel gehängt hatte. Am Mittwochmorgen wurde bekannt, dass der Österreicher ein Comeback auf die nächste Saison hin plant. Nun äusserte sich der achtfache Gesamtweltcup-Sieger über seine Rückkehr in den Skizirkus.

Zur Story