Ein Schweizer wird in einer offiziellen Zeremonie auf dem Sachsenring in Deutschland ganz offiziell zur Töff-Legende gekürt. Und einer ist drauf und dran, eine Legende zu werden.
Stefan Dörflinger (70) wird am Freitag als erster Schweizer in die «Hall of Fame» aufgenommen. Er hat zwischen 1982 und 1985 vier Mal hintereinander die damals kleinste WM-Klasse (50 bzw. 80 ccm) gewonnen.
Bis zur einer solchen Ehrung muss sich Tom Lüthi noch ein paar Jahrzehnte gedulden. Seine Chancen stehen gut, dass er dereinst als zweiter Schweizer offiziell zur Legende erklärt wird.
Aber eigentlich hat er diesen Adelsstand schon erreicht. Wer Assen als WM-Leader verlassen hat, ist seit der Einführung der Moto2-WM (2010) mit einer Ausnahme (2013 Scott Redding wegen Sturzverletzungen) auch Weltmeister geworden.
Tom Lüthi ist vor einer Woche also als WM-Leader aus Holland abgereist, damit statistisch WM-Favorit und versucht am Sonntag auf dem Sachsenring, seine Spitzenposition zu verteidigen.
Ganz unabhängig davon, ob es ihm schliesslich gelingen wird, zum zweiten Mal nach 2005 (125 ccm) Weltmeister zu werden: Sein goldener Karriereherbst ist schon jetzt so oder so eines der erstaunlichsten Comebacks in der gesamten GP-Geschichte (seit 1949) und macht ihn zur fahrenden Legende.
Lüthis Karriere beginnt so richtig am 13. Juni 2003 mit dem ersten Podestplatz (2./125 ccm) in Barcelona. Dieser Blick zurück ist aufschlussreich. Von den insgesamt 84 Piloten, die damals in den drei Klassen ihre Höllenmaschinen an den Start gerollt haben, sind heute nur noch fünf aktiv: Valentino Rossi (40), Jorge Lorenzo (32), Andrea Dovizioso (33), Simone Corsi (32) und eben Tom Lüthi (32).
Eine Rolle im Titelkampf spielen diese Saison nur noch Dovizioso (WM-2. MotoGP) und Lüthi. Rossi und Lorenzo stecken in der grössten Krise ihrer Laufbahn und Corsi (WM-21.) ist in der Moto2-WM nur noch ein Hinterherfahrer.
Der goldene Karriereherbst von Tom Lüthi ist auch deshalb erstaunlich, weil er in seiner Karriere arg gelitten und sich seit dem GP-Debüt 2002 auf dem Sachsenring (26./125 ccm) so ziemlich jede Verletzung zugezogen hat, die einem Rennfahrer blühen: Unter anderem Becken-, Ellenbogen-, Hand- und Beine- und mehrere Male das Schlüsselbein gebrochen.
Aber er denkt nicht an Rücktritt. Er sagt, das Alter spiele keine Rolle: «Entscheidend ist die Leidenschaft für den Rennsport. Und die ist bei mir so gross wie am Anfang.» Das mag banal tönen. Aber genau das ist es: Alle Grossen in allen Sportarten werden von einer Leidenschaft für ihre Sache getrieben.
Inzwischen zeigt sich: Das völlig missglückte MotoGP-Abenteuer der letzten Saison – kein WM-Punkt - hat seine Karriere neu lanciert. Diese Schmach hat ihn tief im Stolz getroffen. Jetzt hat er eine Mission: Die Rehabilitation.
Sie ist ihm bisher eindrücklich gelungen. Die Mischung aus Erfahrung (er ist neun und mehr Jahre älter als alle anderen Moto2-Titelanwärter) und Leidenschaft ist perfekt.
Ein Erfolg am Sonntag auf dem Sachsenring (wo er noch ohne Sieg ist) hätte einen ganz besonderen Wert: Er käme dann auch auf 18 Siege. Auf genau gleich viele wie Stefan Dörflinger.