Nachspiel im «Fall Flückiger» – aber wer bezahlt eigentlich die Rechnung?
Der «Fall Flückiger» ist nach wie vor hoch heikel. Selbst die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat festgestellt, dass Swiss Sport Integrity schludrig gearbeitet hat. Die festgestellte Menge der Substanz Zeranol war gemäss WADA lediglich ein auffälliger Wert, kein Doping also, und ist fälschlicherweise von den zuständigen Stellen als «positive Probe» und «Doping» verkündet und als Grundlage für eine Sperre benutzt worden, die sich als unrechtmässig herausgestellt hat. Mathias Flückiger ist so um einen EM- und WM-Start gebracht worden. Zudem war das Vorgehen der Doping-Fahnder von Swiss Sport Integrity nicht formgerecht. Ein Skandal. Punkt.
Auf Anfrage bestätigt Fabio Gramegna, Fachspezialist Medien bei Swiss Olympic, dass die oberste helvetische Sportbehörde nun für diesen Fall ein Nachspiel angeordnet hat.
Zum einen lädt Swiss Olympic die beteiligten Parteien, darunter Swiss Sport Integrity, die Stiftung Schweizer Sportgericht und Mathias Flückiger, zu einem runden Tisch ein. Dieser soll ganzheitlich die Frage klären, ob sich weitere Massnahmen aufdrängen, um die Prozesse in der Dopingbekämpfung zu verbessern. Dies in Ergänzung zum bereits eingeführten neuen Verfahrensreglement vor dem Schweizer Sportgericht und dem per 1. Januar 2025 überarbeiteten Doping- und Ethik-Statut.
Zum anderen gibt Swiss Olympic ein juristisches Gutachten in Auftrag, um zu klären, wer rechtlich gesehen für die Aufarbeitung eines solchen Falls überhaupt zuständig ist. Das ist aktuell nicht geklärt, da sowohl die Stiftung Swiss Sport Integrity als auch die seit Juli 2024 tätige Stiftung Schweizer Sportgericht als unabhängige Institutionen tätig sind. Folglich ist es für Swiss Olympic zentral, die Frage der Zuständigkeit einer übergeordneten Aufbereitung nicht nur für diesen spezifischen Fall, sondern generell zu prüfen.»
So wie angekündigt deutet einiges darauf, dass dieses Nachspiel ein Freispiel für die Verantwortlichen dieses Skandals werden könnte. Ein runder Tisch, die Feststellung, dass die Frage geklärt werden soll, ob sich weitere Massnahmen aufdrängen, sind die richtigen Schritte.
Aber zu einer ehrlichen Aufarbeitung gehört noch mehr: Nämlich nicht nur der Blick nach vorne mit der Frage, was künftig besser werden soll. Sondern auch der Blick zurück mit mehreren Fragen: Wie gross ist beispielsweise der Vertrauensverlust in Swiss Sports Integrity – unsere Doping-Behörde –, wenn dieser Fall keine Konsequenzen für die Verantwortlichen hat und das gleiche Personal einfach weitermachen darf? Und es wird noch zu klären sein, wer eigentlich die Rechnung bezahlt. Also wer für den Schaden aufkommt, den Mathias Flückiger durch das Fehlverhalten von Swiss Sport Integrity erlitten hat.
Der Image-Schaden und die entgangene WM-Chance sind kaum monetär zu beziffern und in unserem Rechtssystem schwerlich einklagbar. Aber die sechsstelligen Kosten für die Verteidigung (die schliesslich zum Freispruch führte und die Olympia-Teilnahme ermöglichte) kann Mathias Flückiger auf den Rappen genau ausweisen. Das Nachspiel ist daher juristisch eine hoch heikle Angelegenheit. Denn jedes Schuldeingeständnis kann entsprechende Schadenersatzforderungen auslösen. Auch deshalb wird in der vorgängigen offiziellen Erklärung sorgsam um den Brei herumgeschrieben und jede Schuldzuweisung vermieden.
Wer also bezahlt die Rechnung? Affaire à suivre.