Unmittelbar vor dem letzten Weltcuprennen vor der Olympia-Selektion für Paris stellt dieses Urteil eine gute Nachricht für den Oberaargauer Mountainbiker Mathias Flückiger (35) dar. Die Disziplinarkammer des Schweizer Sports sprach fast zwei Jahre nach den Tests Flückiger von allen Vorwürfen des Zeranol-Dopings frei. Weil die Urinproben vom 5. Juni 2022 und die entsprechenden Analyseresultate nicht verwertbar seien.
Weniger gut für Flückiger ist, dass vor den Rennen in Nove Mesto (CZE) diese Woche am Mittwoch die Anhörung stattfand. Eine optimale Vorbereitung für das entscheidende Cross-Country-Rennen vom Sonntag sieht anders aus.
Das Urteil der Disziplinarkammer bedeutet auch: Mathias Flückiger hätte nie gesperrt werden dürfen, die Analyseergebnisse hätten nie an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Der Gesamtweltcupsieger von 2021 und Olympia-Zweite von 2020 und grosse Rivale von Nino Schurter ist zu Unrecht provisorisch gesperrt worden.
Warum Flückigers Probe nicht verwertbar ist, steht noch nicht fest. Schliesslich informierte Swiss Sports Integrity (SSI), die Schweizer Dopingbehörde (und nicht die Disziplinarkammer des Schweizer Sports, die entschieden hat) über den Freispruch. Die Urteilsbegründung steht noch aus. Fest steht hingegen seit längerem, dass der vom Lausanner Labor festgestellte Zeranol-Wert unterhalb des Schwellenwerts lag, dass es sich deshalb um eine «atypische Probe» handelte, wie das Labor schon in seinem ersten Bericht auch festhielt. Schnell einmal kam der Verdacht von Verfahrensfehlern auf.
Die Disziplinarkammer erteilte der Swiss Sports Integrity nun eine schallende Ohrfeige. Seit der Stellungsnahme von Mathias Flückiger im Oktober 2023 ging während sieben Monaten im Verfahren nichts. Der Schweizer Dopingbehörde SSI wurden in den letzten Tagen aber lediglich die Feiertage über Pfingsten plus zwei Arbeitstage gewährt, um 3152 Seiten Verfahrensakten zu studieren. Eine Antrag um Verschiebung der Anhörung um eine Woche wurde ohne Begründung abgewiesen. Und mit dem Freispruch für Mathias Flückiger - sprich: mit dem Entscheid, dass die Dopingprobe nicht verwendbar ist - folgte gleich noch eine weitere Watsche an SSI. Swiss Sports Integrity sagt: «Unser rechtliches Gehör wurde mindestens dreimal eklatant verletzt.»
Für die SSI ist Flückigers Freispruch nicht nachvollziehbar und falsch. Auch diese Haltung ist nachvollziehbar, denn nun geht es ums Finanzielle und um Schadenersatz, «wobei wir nicht wissen, ob der Athlet diesen Weg gehen will oder nicht», wie SSI-Direktor Ernst König festhält.
Nun beginnt das Warten auf die Urteilsbegründung. Für Dr. Marco Steiner, den Sportjuristen, steht indes fest, dass «Swiss Sports Integrity wohl nicht darum herumkommen wird, das Verfahren an den TAS (den internationalen Sportgerichtshof) weiterzuziehen». Auch Ernst König, der Direktor von SSI, geht davon aus, dass «entweder wir oder eine andere Behörde das Verfahren weiterziehen wird» - auch wenn Ernst König das bedauert.
Das wiederum bedeutet: Der «Fall Flückiger» ist noch nicht ausgestanden. Die Chronologie liest sich mittlerweile so: Am 5. Juni 2022 wurde Mathias Flückiger an den Schweizer Meisterschaften kontrolliert. Am 11. Juli stand das Analyse-Ergebnis des Lausanner Labors fest. Am 18. August wurde Mathias Flückiger von Swiss Sport Integrity provisorisch gesperrt. Vier Monate später, am 17. Dezember hob die Disziplinarkammer die provisorische Sperre auf. Am 17. August 2023, ein Jahr nach der ausgesprochenen provisorischen Sperre, beantragte Swiss Sports Integrity bei der Disziplinarkammer die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens. Diese Woche fand vor der Disziplinarkammer zuerst die Anhörung statt (am Mittwoch). Zwei Tage später entschied die Kammer, dass die Probe und das Analyseresultat nicht verwertbar seien.
Auch Mathias Flückiger meldete sich am späten Abend noch zu Wort. «Höchst erfreut, aber vor allem erleichtert», nahm er das Urteil der Disziplinarkammer von Swiss Olympic zur Kenntnis. Sein Mediensprecher Christian Rocha ergänzte, dass Flückiger dieses Urteil nach dem Weltcuprennen in Nove Mesto (CZE) gerne selber kommuniziert hätte, da er derzeit den Fokus auf die Leistungen auf der Rennstrecke richten möchte.
(dab/sda)
Es liegen nun so viele Fakten vor, dass die öffentliche Vorverurteilung von Flückiger auf falscher Basis vorgenommen wurde, dass SSI jetzt schon verloren hat.
Wer schon Ehrlichkeit beim Sport will, muss auch eingestehen können, dass sie verloren haben.
Nun hoffe ich stark, dass das Umfeld von Flückiger klare Forderungen an diesen Hobbyverein stellt.