Gibt es in Zeiten des Kommerzes noch ein bisschen Olympische Romantik? Ja. Unsere Hockey-Frauen sind die letzten Romantikerinnen im Zeichen der fünf Ringe. Sie betreiben ihren Sport noch so wie es Graf Pierre de Coubertin, der Gründer der neuen Olympischen Spiele, etwas naiv und schwärmerisch im Sinn hatte: alles für den Sport, nichts fürs Geld.
Unsere Hockey-Frauen sind die einzigen in unserer Delegation, die ausser Ruhm nichts zu gewinnen haben. Wer in einer Einzelsportart antritt, kann olympischen Erfolg mit viel oder etwas weniger Werbeeinnahmen versilbern. Im Teamsport ist diese Möglichkeit verwehrt.
Lukrative Profiverträge durch herausragende olympische Leistungen? Nicht bei den Frauen. Das höchste Glück ist die Möglichkeit, als olympische Heldin an einer Universität in Nordamerika studieren zu dürfen. Eishockey ist wahrscheinlich neben American Football der extremste Männersport. Das Geld wird von den Klubs und dem Verband fast ausschliesslich ins Männerhockey investiert.
Wenn es um Frauen-Hockey geht, bleibt es bei Lippenbekenntnissen. Folgende Fragen an Verbandsdirektor Patrick Bloch, um die Wertigkeit des Frauenhockeys bei der Zentralorganisation unseres Hockeys aufzuzeigen.
Die Antwort ist kurz und klar: «Die Jahresrechnung von Swiss Ice Hockey wird jeweils im jährlichen Geschäftsbericht veröffentlicht. Zu Details in Bezug auf das Budget sowie den einzelnen Abteilungen geben wir keine weiteren Auskünfte.»
Nun, das Budget des chinesischen Verteidigungsministeriums dürfte transparenter sein als das Sportbudget unserer obersten Hockey-Behörde. Wie viel Geld ins Frauenhockey investiert wird, lässt sich also nur erahnen. Kenner wie ZSC-Manager Peter Zahner sagen, es sei viel weniger als eine Million. Insgesamt dürfte es wohl nicht viel mehr sein als die Mandate von Nationaltrainer Patrick Fischer und seines Assistenten Tommy Albelin. Oder die Honorare und Spesen des Verbands-Verwaltungsrates.
Keine andere Sportart ist von einer Gleichstellung also so weit entfernt wie unser Hockey. Was sich auch daran ablesen lässt, dass von den Organisationen der höchsten Liga nur die ZSC Lions und der HC Lugano ein Frauenteam unterhalten. Sieben Olympiateilnehmerinnen kommen aus diesen beiden Klubs, 13 spielen in Schweden oder in Nordamerika, wo Frauen-Hockey einen ungleich höheren Stellenwert hat.
Der Versuch, die Klubs der höchsten Liga zum Führen einer Frauenabteilung zu verpflichten (was ohne Weiteres möglich wäre), ist gescheitert. Dabei wäre diese Investition sinnvoll. Mit langfristigem Nutzen: Frauen, die Hockey gespielt haben, bleiben dem Hockey oft später auch dann in verschiedensten Funktionen und auf verschiedensten Ebenen erhalten, selbst dann, wenn sie keine Spitzenspielerinnen waren (das ist bei Männern genauso). Luganos kluge Präsidentin Vicky Mantegazza hat selber in der höchsten Liga gespielt.
Auch unter Berücksichtigung der geringen Bedeutung darf die Verbandspolitik beim Frauenhockey als schäbig bezeichnet werden. Kürzlich sagte die Nationalverteidigerin Lara Christen in einem Interview auf die Frage, ob die Frauen denn vom Verband unterstützt werden, mit entwaffnender Offenheit:
Auf eine weitere Frage, ob sie sozusagen Lehrgeld bezahlen musste, führt sie aus: «Ja, so kann man es sagen. Das war eine rechte Belastung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man mit dem Sport nie etwas verdienen wird. Natürlich hat die Familie geholfen.»
So ist das also: Der Hockey-Verband, der Präsident Michael Rindlisbacher eine Jahresentschädigung von 87'000 Franken plus 20'000 Franken Fixspesen gönnt und für den fünfköpfigen Hobby-Verwaltungsrat im Jahr 232'000 Franken für Honorare und Spesen ausgibt, stellt nun immerhin den Frauen ein bisschen Material zur Verfügung und verlangt bei den Zusammenzügen der Junioren-Nationalteams keine Kostenbeteiligung mehr.
Und so hat unser Frauenhockey unter schwierigen, ja finanziell schäbigen Bedingungen den Aufstieg in die Weltklasse geschafft. Das mag auf den ersten Blick bei der geringen Konkurrenz (für Medaillen sind eigentlich nur Kanada, die USA, Finnland und Schweden «gesetzt») kein Wunder sein.
Aber in diese fest gefügte Hierarchie einzudringen, ist nahezu unmöglich. 2014 in Sotschi haben die Schweizerinnen das Unmögliche geschafft und Bronze geholt – als bisher einzige Aussenseiterinnen. Alle übrigen Medaillen seit Aufnahme der Frauen ins Olympische Hockeyturnier 1998 gingen bisher an Kanada, die USA, Finnland und Schweden.
Dieses «Bronze-Wunder» ist die grössere Überraschung als die WM-Finals von 2013 und 2018 der Männer. Und mit Sicherheit der sportliche Erfolg mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis in der Geschichte unseres gesamten Hockeys. Die Chancen auf eine Medaille sind der von der Zuger Legende Colin Muller gecoachten Frauen ungefähr gleich gross wie jene der Männer. Colin Muller war als Assistent von Sean Simpson 2013 bei der Silber-WM der Männer dabei.
Die Hornusser oder Synchronschwimmer hätten wohl auch gerne die Mittel aus dem Fussball. Die Tennis-Herren fragen sich vermutlich auch, weshalb sie bei Grand Slams auf drei Gewinnsätze spielen müssen, die Frauen nur auf zwei - bei gleichem Geld.
Es gibt sicherlich noch viel zu tun im Bereich der Gleichberechtigung, aber gerade beim (Profi-)Sport zählt das Publikumsinteresse.
Versteht mich nicht falsch. Ich bin zu 100% für Gleichberechtigung. Nur hat das hier nichts mit Gleichberechtigung wie z.B. in der "normalen" Arbeitswelt zu tun.