Viele Fans von Manchester City haben nach 90 Minuten genug gesehen. Mit Tränen in den Augen und derben Flüchen auf den Lippen ziehen sie beim Saisonfinale enttäuscht aus dem Etihad-Stadion ab. Die Nachspielzeit läuft und das Heimteam liegt gegen den Fast-Absteiger Queens Park Rangers 1:2 zurück, während Manchester United beim FC Sunderland gerade 1:0 gewonnen hat.
Trotz hunderter Öl-Millionen von Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan haben es die Citizens offenbar wieder einmal im letzten Augenblick vergeigt – die 44-jährige Wartezeit auf den dritten Meistertitel will einfach kein Ende nehmen.
Dabei hatte doch alles für Manchester City gesprochen. Stadtrivale United schwächelte im Endspurt gehörig und hatte seinen Fünfpunkte-Vorsprung bis zum letzten Spieltag verzockt. Dank der besseren Tordifferenz (+64) konnte City den punktgleichen Titelverteidiger (+56) im finalen Fernduell mit einem Sieg fast sicher vom Thron stossen.
Zwar geht Manchester United in Sunderland nach 20 Minuten durch Wayne Rooneys 27. Saisontor in Führung, aber mit etwas Glück bucht Pablo Zabaleta noch vor der Pause auch das 1:0 für Manchester City. Hektisch wird es im Etihad-Stadion, als Djibril Cissé drei Minuten nach dem Seitenwechsel entgegen dem Spielverlauf das 1:1 für QPR erzielt.
Der hitzköpfige Rangers-Captain Joey Barton tut kurz darauf sein Möglichstes, um City wieder auf die Siegesstrasse zu bringen. In der 55. Minute rastet er völlig aus, schlägt mit dem Ellbogen nach Carlos Tevez und tritt als Zugabe noch Sergio Agüero von hinten um, nachdem ihm Schiri Dean den roten Karton vor die Nase gehalten hat. Er wird für diese Brutalo-Aktion 12 Spiele gesperrt.
Doch statt den Sack in Überzahl endlich zuzumachen, lässt sich das Team von Roberto Mancini auskontern. Jamie Mackie trifft mit dem 2:1 für QPR mitten ins City-Herz.
Es folgt ein wütender Sturmlauf des Heimteams. An dessen Ende stehen 19:0 Corner, 24:3 Schüsse und 70 % Ballbesitz – nur ein Tor will den Citizens in der regulären Spielzeit partout nicht mehr gelingen.
Mancini springt in der Schlussphase wie Rumpelstilzchen an der Seitenlinie auf und ab. Weil niemand mehr auf ihn hören will, fängt er an auf italienisch rumzubrüllen. Das hilft auch nicht wirklich. Später gibt er zu Protokoll: «Ich bin 47. Aber ich fühle mich, als ob ich heute 90 Jahre alt geworden bin.»
In Sunderland machen sich die United-Stars nach dem Schlusspfiff schon auf den Weg zur Gästekurve, um mit ihrem Anhang den unverhofften Last-Minute-Titel zu feiern. Doch City rennt weiter an.
In der 92. Minute lohnt sich das. Edin Dzeko trifft nach einem Eckball per Kopf zum 2:2 – aber das reicht noch nicht! Drei Minuten Nachspielzeit bleiben noch. Nigel De Jong lanciert Kun Agüero, der legt an der Strafraumgrenze ab auf Balotelli, der den Ball mit letztem Einsatz zurück zu Agüero spitzelt. Der Argentinier verzögert den Abschluss und schiesst den Ball in der 94. Minute mit Volldampf an QPR-Goalie Kenny vorbei ins himmelblaue Glück.
Das Etihad-Stadion steht Kopf. Die Zuschauer, die schon auf dem Heimweg waren, kehren schleunigst um. Die Reporter, Fans und Spieler schreien sich gemeinsam die Seele aus dem Leib. Es ist das dramatischste Finish in der Geschichte der Premier League – mit einem Happy End für Manchester City.
Vincent Kompany bringt die Gefühlslage auf den Punkt: «Wunder geschehen ja des öfteren in Manchester – aber dieses Mal war es endlich einmal auf unserer Strassenseite.»
Während die City-Ekstase keine Grenze kennt, steht die United-Entourage in Sunderland völlig bedröppelt auf dem Rasen. Giggs, Rooney und Co. haben die Kunde von der späten Wende aus dem Radio erfahren und treten geschockt den Rückzug in die Kabine an.
Trainer Alex Ferguson verliert kurz die Fassung und beginnt gegen den Stadtrivalen zu stänkern. Schliesslich fasst er sich aber und zollt den Siegern Respekt: «Die Premier League ist die stärkste Liga der Welt. Wer sie gewinnt, der hat es auch verdient.» Weniger sportlich sind die siegestrunkenen City-Fans nach diesem Krimi. In Anlehnung an die vielen späten United-Siege singen sie bis tief in die Nacht: «We won it in Fergie-Time!»