Auf die Top 10 hatten Küng und Dillier gehofft. Daraus wurde nichts. Der erst 21-jährige Küng, der 2:17 Minuten auf Kirjenka verlor, bezahlte bei seiner WM-Premiere und in seinem bisher längsten Zeitfahren Lehrgeld, Dillier gelang die Steigerung im Vergleich zu seiner ersten WM im Vorjahr (18.) nicht - im Gegenteil. Den anvisierten Olympia-Quotenplatz, zu dem ein 12. Rang nötig gewesen wäre, verfehlten beide klar. Das Team-Zeitfahren, in dem sie am Sonntag mit BMC Weltmeister geworden waren, hinterliess bei Küng und Dillier offenbar Spuren.
Küng, der nach seiner schweren Brustwirbel-Verletzung erst vor einem Monat wieder in den Rennbetrieb zurückgekehrt war, buchte die 53,5 km lange Prüfung gegen die Uhr als lehrreiche Erfahrung ab. «Ich hatte keinen Anhaltspunkt für ein so langes Zeitfahren», so der mit Abstand jüngste der 65 gestarteten Fahrer. «Diesen Richtwert habe ich jetzt, und nun weiss ich auch, woran ich für die Zukunft arbeiten muss. Von dem her werte ich es positiv.»
Küng, der als grösste Schweizer Radsport-Hoffnung zählt, dürfte den über einstündigen Kampf gegen die Uhr etwas unterschätzt haben. «Es war sehr hart. Vielleicht bin ich etwas zu schnell losgefahren, es war schwierig zum Einteilen», sagte der BMC-Profi, der in seiner ersten Elitesaison Weltmeister auf der Bahn (Einzelverfolgung) und mit dem BMC-Team auf der Strasse (Team-Zeitfahren) wurde sowie zwei weitere Rennen gewann (eine Etappe an der Tour de Romandie und die Limburg Classic).
«Ich bin dort, wo ich im Moment stehe, und nehme viel mit vom heutigen Tag», sagte der Thurgauer weiter. Man dürfe nicht vergessen, dass er eine kräfteraubende Reha-Phase hinter sich habe. In der Tat ist es als Erfolg zu werten, dass der Schweizer nach seiner Verletzung bereits wieder mit der erweiterten Weltspitze mithalten kann.
Für Küng ist die Strassensaison nun beendet. Bereits heute (Donnerstag) fliegt er in die Schweiz zurück, wo er in den kommenden Tagen die Vorbereitungen für die Bahn-EM in Grenchen aufnimmt. An den kontinentalen Titelkämpfen vor heimischem Publikum möchte Küng mit dem Mannschafts-Vierer brillieren und der Olympia-Qualifikation auf dem Oval ein Stück näher kommen.
Zu den Anwärtern auf einen Platz im Bahn-Vierer zählt auch Dillier. Der 25-jährige Aargauer bestreitet im Gegensatz zu Küng aber am Sonntag noch das Strassenrennen. Über seine Vorstellung im Zeitfahren war Dillier enttäuscht: «Ich habe mir etwas mehr erhofft. Es ist jeweils schwierig vorauszusagen, was wirklich drin liegt, aber es lief nicht sonderlich gut.» Nach dem ersten Viertel lag Dillier nur an 45. Stelle, im Rennverlauf vermochte er sich dann aber noch zu steigern.
Eher unter den Erwartungen blieben nicht nur die Schweizer, sondern auch die Topfavoriten auf den WM-Titel. Und so standen mit Kirjenka, dem Italiener Adriano Malori und dem Franzosen Jérôme Coppel drei Fahrer auf dem Podest, die man nicht unbedingt dort hatte erwarten dürfen.
Kirjenka ist zwar seit Jahren als ausgezeichneter Zeitfahrer bekannt. An Weltmeisterschaften gewann er einmal Bronze (2012) und wurde zweimal Vierter (2013 und 2014). In diesem Jahr gewann der 34-jährige Routinier die Zeitfahr-Prüfung am Giro d'Italia. In Richmond verwies er Malori um 9 und Coppel vom Schweizer IAM-Team um 26 Sekunden auf die nächsten Plätze.
Einen bitteren Tag erlebte Tony Martin. Der deutsche Topfavorit klassierte sich mit einem Rückstand von 1:16 Minuten nur im 7. Rang. Fabian Cancellara, der an der WM abwesende Schweizer Radstar, bleibt damit der einzige Radprofi, der vier Zeitfahr-WM-Titel in seinem Palmares aufweist. Bereits im Vorjahr (2. hinter Bradley Wiggins) war der Wahlschweizer Martin an der Marke gescheitert.
Nebst Martin mussten auch die anderen meistgenannten Medaillenanwärter Tom Dumoulin (Ho/5.) und Rohan Dennis (Au/6.) Niederlagen einstecken. (si)
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