Im September 2018 hat der Schweizer Ahmet Schaefer die Firma Core Sports Capital (CSC) gegründet, die eine Allianz aus drei Klubs verwaltet: Clermont Foot in Frankreich, Vendsyssel in Dänemark und Austria Lustenau in Österreich – alles Zweitligisten, bis jetzt zumindest. Denn Clermont Foot hat diese Saison den Aufstieg in die Ligue 1 geschafft.
Im Video-Interview lerne ich einen Mann kennen, bei dem nach wenigen Minuten klar wird, warum er sich selbst als Fussballunternehmer bezeichnet. Im einen Moment hört sich Schaefer an wie ein Investor, der von Return of Investment und Geschäftsmodellen spricht, im nächsten Satz erklärt er nicht minder eloquent die Spielphilosophie seiner Vereine.
Herzliche Gratulation zum Aufstieg mit Clermont Foot.
Ahmet Schaefer: Dankeschön, das ist eine unglaubliche Genugtuung, nachdem die letzte Saison abgebrochen wurde. Damals waren wir ja auf Rang 5 und wurden dann von der Corona-Pandemie gestoppt, weil die Aufstiegsplayoffs nicht ausgetragen wurden. Das war frustrierend.
Jetzt sind Sie am Ziel – zumindest mit einem Verein. Sie besitzen ja nicht nur in Frankreich einen Fussballklub, sondern auch Zweitligaklubs in Dänemark und Österreich. Was haben Sie vor?
Die von mir gegründete Core Sports Capital (CSC) ist wie ein Ökosystem mit drei Assets. Clermont ist der Hauptpfeiler, Vendsyssel aus Dänemark und Austria Lustenau sind Satellitenvereine. Der Gedanke dahinter ist es, Synergien zu nutzen. Am Ende wollen wir aber, dass alle drei Klubs selbsttragend sind. Man könnte sagen, wir funktionieren diesbezüglich wie die Star Alliance – nur mit Fussballklubs statt Fluggesellschaften.
Synergien? Erklären Sie das doch konkret.
Wenn es einem Spieler in Frankreich nicht ganz reicht, geht er nach Österreich, dort kann er bei Austria Lustenau Spielpraxis sammeln. Derzeit sind vier Spieler von Clermont an Lustenau ausgeliehen, zudem einer nach Vendsyssel. Für diese Klubs ist es gut, wenn sie Spieler erhalten, die sie sich sonst nicht leisten können. Es profitieren also alle.
Für Spielerleihen brauchen sie aber keine Allianz von Klubs.
Es ist ja auch nur ein kleiner Teil unserer Synergien. Wir arbeiten auch im operativen Alltag zusammen.
Zum Beispiel auf der Scouting-Ebene. Da arbeiten zehn Scouts für ein gemeinsames Netzwerk mit einer ausführlichen Datenbank, die laufend ergänzt wird. Das erlaubt es uns, Spieler permanent zu tracken und untereinander zu vergleichen. Alle drei Klubs haben Zugriff auf dieses System und profitieren davon. Die Synergien betreffen aber auch Trainingsabläufe, die zentral besprochen und dann von den einzelnen Klubs umgesetzt werden.
Also haben die drei Klubs die gleiche Spielphilosophie?
Genau, das ist das Ziel. Die Trainer der drei Klubs haben wöchentlich Meetings, in denen sie sich austauschen. Wir wollen den gleichen Spielstil, die gleichen Trainings, die gleiche Formation. Damit die Kommunikation noch besser funktioniert, wollen wir in Zukunft in Dänemark und Österreich französisch sprechende Co-Trainer engagieren.
Die Auswahl der Trainer läuft also zentral gesteuert durch die CSC?
Wir haben mit Ingo Winter einen äusserst gut vernetzten Mann im Team, der über gute Kontakte verfügt und bei der Auswahl hilft. Ein Trainer muss in unser System passen und hat nicht nur sportliche Ziele.
Was denn noch?
Es geht auch darum, Spieler weiterzuentwickeln und Transferwert zu generieren. Wir sind schliesslich ein Fussballunternehmen, das wirtschaftlich denkt und Gewinn erwirtschaften möchte. Geld verdienen im Fussball ist möglich – wenn man sauber arbeitet.
Im Sommer 2019 kam Adrian Grbic ablösefrei von Altach zu Clermont. Der Österreicher spielte eine überragende Saison mit 17 Toren in 26 Spielen. Ein Jahr später hat Clermont von Lorient 9 Millionen Euro für ihn erhalten. Ich nehme an, das ist ein Paradebeispiel dafür?
Grbic ist der zweitteuerste Abgang der Ligue-2-Geschichte. Wenn man Spieler ablösefrei verpflichten und dann nach nur einer Saison so teuer verkaufen kann, ist das für uns natürlich ein sehr schöner Case.
Mehr Geld gibt es auch durch den Aufstieg, der ihnen soeben gelungen ist.
Auf jeden Fall, wobei wegen der TV-Verträge* noch nicht ganz klar ist, wie hoch unser Budget sein wird. Wir rechnen mit einem Budget im Bereich von 23 bis 25 Millionen Euro. Bisher waren wir bei 10 Millionen. Einen Teil davon werden wir sicher investieren. Bisher haben wir Spieler gratis verpflichtet, da müssen wir nun sicher investieren und noch fünf bis sechs Spieler verpflichten. Die Spielerlöhne werden ebenfalls höher sein.
Von welchen Beträgen sprechen wir da?
Im Moment bekommen die bestbezahlten Spieler rund 15'000 Euro pro Monat. Danach werden wir bis 30'000 maximal bis 40'000 Euro gehen.
Das ist nicht viel im Vergleich zur Konkurrenz.
Wir haben ein sehr effizientes Budget. In gewissen Klubs verdienen Spieler, ich spreche hier nicht von Ausnahmetalenten, sondern von mittelmässigen Spielern, 150'000 Euro pro Monat. In diesem Fall könnte uns die Corona-Krise sogar entgegenkommen.
Wie das?
Weil andere Klubs sparen müssen und die Spieler loswerden wollen. Wir können die Spieler ausleihen und einen Teil des Lohnes übernehmen. Bei gewissen Spielern gäbe es da sicher noch die Option, sie danach fest zu verpflichten. Aber klar ist, wir müssen eine Stunde früher aufstehen als alle anderen.
Was unterscheidet Sie von anderen Investoren?
Grundsätzlich bieten wir Beratungsdienstleistungen im Fussball. Uns ist wichtig, dass wir sagen, was wir machen und dabei offen und transparent kommunizieren. Ich bin ein Fussballunternehmer. Ich habe mein ganzes Geld in diese Klubs investiert, bin sozusagen All-In gegangen. Natürlich habe ich grosses Interesse daran, wirtschaftlich zu arbeiten und einen gesunden Verein zu führen. Ich will also keinen Erfolg kaufen mit zig Millionen wie das bei anderen Investoren vielleicht der Fall ist. Ich habe keinen Fonds oder Staat hinter mir, der weiter Geld reinpumpt. Ist das Geld weg, ist es weg.
Wie kommt das bei den Fans an?
Wir haben bereits beim Einstieg mit den diversen Ultra-Gruppierungen gesprochen, da gab es zu Beginn eine gewisse Skepsis. Aber wir kommunizieren ganz offen. Die Leute wissen, woher das Geld kommt. Dass wir gut wirtschaften, ist ja auch im Sinne der Fans. Ausserdem schliesst sich Erfolg und Wirtschaftlichkeit nicht aus. Zudem ist es unsere Philosophie, attraktiven Fussball zu spielen. Also keine langen Bälle, sondern mit Kurzpassspiel hinten rauszukombinieren. Der sportliche Erfolg mit Clermont gibt natürlich Kredibilität, auch für die anderen Klubs.
Der Red-Bull-Konzern verfolgt ein ähnliches Konzept, das hervorragend funktioniert. Was unterscheidet sie?
Die RB-Vereine sind reine Marketing-Instrumente, wir sind ein Fussball-Unternehmen. Aber das heisst nicht, dass wir nicht zu RB geschaut haben. Sie haben sehr viel richtig gemacht und waren mit ihrem Geschäftsmodell erfolgreich.
Ein anderes Modell ist dasjenige der Familie Pozzo, welche die beiden Vereine Udinese und Watford besitzt. Was halten sie davon?
Ich hatte bei diesem Modell das Gefühl, dass Udinese geopfert wurde, um Watford in der Premier League
zu halten – was dann aber nicht gelungen ist. Das wollen wir nicht, alle drei Klubs sollen selbsttragend sein.
Was machen sie bei Clermont besser als die Konkurrenz?
Wir haben eine sehr flache Hierarchie. In unseren Klubs gibt es keine CEOs oder Sportchefs, die Eigeninteressen verfolgen. Wenn wir einen Spieler verpflichten, hat am Ende der Trainer das letzte Wort, er muss ja schliesslich mit dem Spieler arbeiten.
Bei Clermont Foot sticht aus dem aktuellen Kader Mohamed Bayo heraus. Er stammt aus der Region, ist erst 22 Jahre alt und hat 22 Saisontore erzielt. Wie läuft die Jugendförderung bei Clermont?
Wir haben ein «Centre du Formation», dem sind schon mehrere Profis entsprungen. Wir versuchen auch hier, vorhandene Synergien zu nutzen und teilen zum Beispiel die Infrastruktur mit dem örtlichen Rugby-Verein. Man kann sich also austauschen, Physiotherapeuten teilen oder Videoanalysten anstellen. In diesem Bereich haben wir sehr bewusst investiert. Wenn es Spieler dann in die erste Mannschaft schaffen, ist das ein schöner Return of Investment.
Warum investieren Sie überhaupt in Frankreich?
Das hat drei Hauptgründe: Frankreich hat ein sehr hohes Talentpotenzial. Kein Land exportiert mehr Spieler nach England. An der letzten WM in Russland waren alleine 58 Spieler aus dem Grossraum Paris dabei. Zudem gab es in Frankreich eine Angleichung der Fernsehgelder an andere grosse Fussballnationen wie Deutschland oder Italien. Und natürlich hat Frankreich eine enge Verbundenheit zur Schweiz, das war ebenfalls ein Faktor.
Warum haben Sie sich um keinen Klub in der höchsten Liga bemüht?
Wir waren im Gespräch mit Troyes, die damals noch in der Ligue 1 waren. Die Verhandlungen sind dann aber gescheitert und wir haben uns gedacht: Warum eigentlich nicht in der 2. Liga einen Klub suchen? Irgendwo, wo wir das Potenzial sehen zum Aufsteigen, aber noch irgendwas fehlt.
Wie konnten Sie es sich eigentlich leisten, Fussballklubs zu kaufen?
In erster Linie konnte ich die Klubs vergleichsweise billig erwerben. Die Besitzer hätte die Klubs für mehr Geld nach China verkaufen können, doch unser gutes Modell hat sie überzeugt. Das Geld dazu habe ich selbst verdient. Der Druck, dass es läuft, ist also da.
Warum besitzen Sie keinen Schweizer Verein?
Wir haben uns auch den einen oder anderen Schweizer Verein angeschaut, sind dann aber davon abgekommen. Das hat verschiedene Gründe: Die Fernsehgelder sind vergleichsweise tief, ein Einstieg damit nicht lukrativ. Dazu kommen Formalitäten bei der Verpflichtung von Nicht-EU-Spielern. Zudem war es mir lieber, keinen Verein «vor der Haustüre» zu besitzen. Diese zusätzliche Aufmerksamkeit wollte ich nicht.
Persönlicher Assistent von Sepp Blatter....
Na gut, ich wünsche natürlich gutes Gelingen.