Leon Spinks? Er ist damals fast ein «Nobody». Zwar holt er 1976 in Montreal Olympiagold im Halbschwergewicht. Aber bei den Profis hat er noch keine Heldentaten vollbracht und ist am 22. Oktober 1977 in Las Vegas gegen Scott LeDoux, der auf keiner Weltrangliste geführt wird, nicht über ein Unentschieden hinausgekommen.
Und doch wird sein Kampf gegen Titelverteidiger Ali eine grosse Sache. Das Fernsehen zahlte die Rekordgage von vier Millionen Dollar. Drei Millionen für Ali, 300'000 für Spinks und der Rest für die Spesen.
Am 15. Februar 1978 treten die beiden in Las Vegas im Hilton in den Ring. Ali nimmt Spinks nicht ernst. Er hat für diesen Kampf kaum trainiert. Er albert ein bisschen im Ring herum. Als wolle er für die Millionen-Gage ein paar Runden Show bieten.
Aber der fast um einen Kopf kleinere und 20 Kilo leichtere Spinks mischt kräftig mit. Immer wieder trifft er seinen Gegner am Kopf.
Als Ali auf einmal nicht mehr ein Clown sein will, ist es zu spät. Spinks bekommt den Fight gegen den Titelverteidiger unter Kontrolle. Leon Spinks gewinnt sensationell nach Punkten. Erstmals seit 43 Jahren holt einer im Schwergewicht den Titel nach Punkten.
Aber nun wird es kompliziert. Einer der beiden Box-Weltverbände (WBA, WBC), die WBC, hatte ihre Einwilligung zu diesem Kampf nur gegeben, weil beide Boxer unterschrieben hatten, im Falle eines Sieges anschliessend den Titel gegen Ken Norton zu verteidigen. Da jeder davon ausgegangen war, dass Ali gewinnt und dann ein Titel-Kampf Ali gegen Norton das ganz grosse Geld bringt.
Nun ist aber Spinks Weltmeister und niemand will für einen Kampf zwischen ihm und Norton viel Geld bezahlen. Und so hält sich Spinks nicht an diese Abmachung. Er verteidigt seinen Titel gegen … Ali. Weil dafür das grosse Geld locker gemacht wird. Für eine Revanche gegen Ali am 15. September 1978 in New Orleans beträgt die Börse 3,5 Millionen Dollar.
Weil er sich nicht an die Abmachung hält, gegen Ken Norton anzutreten, wird Leon Spinks von der WBC der Titel aberkannt. Den WBC-Titel holt nun Larry Holmes gegen Ken Norton.
Aber das interessiert niemanden. Alle interessieren sich nur für die «Battle of New Orleans», angesetzt auf den 15. September 1978. Ali gegen Spinks. Um den Schwergewichtstitel nach Version WBA.
Ali hat aus seinen Fehlern gelernt. Er trainiert wie verrückt. Er zieht sich in ein Haus ausserhalb von New Orleans zurück, um seine Ruhe zu haben und allen Versuchungen der irdischen Genüsse auszuweichen. Seine Sparringpartner leiden und jammern. Und Ali klopft vor dem Kampf auch keine grossen Sprüche.
Schnell wird klar, wie der Kampf dieses Mal ausgehen wird. Ali ist bis in die Haarspitzen motiviert und bereit. Keine Clownereien. Titelverteidiger Leon Spinks wirkt hingegen gehemmt. Die sieben Monate als Weltmeister haben Spuren hinterlassen. Er hat mehrmals Schwierigkeiten mit der Polizei gehabt. Fahren ohne Ausweis. Alkohol. Drogen. Zu viel Rock und Roll, zu wenig Training.
Der Titelverteidiger verliert sang- und klanglos nach Punkten. Ali holt sich als erster Boxer der Geschichte den Schwergewichts-Titel zum dritten Mal zurück. Es ist zwar nur die «halbe Krone,» nur der Titel des Weltboxverbandes WBA. Doch das schmälert den Triumph nicht. Hauptsache, Ali ist wieder der Champion. Die Welt jubelt.
Aber es ist nicht mehr der grosse Ali. Das bisschen verbliebene Klasse hat ihm gereicht, um einen körperlich unterlegenen, gehemmten Gegner in einem schlecht geführten Titelkampf zu besiegen. Der Grösste aller Zeiten erklärt den Rücktritt. Er tritt im Alter von 36 Jahren als Weltmeister ab. Doch es sollte nur sein letzter Sieg, der Anfang vom Ende, aber noch nicht sein letzter Kampf sein.
Ali lässt sich noch einmal zu einem Comeback überreden. Am 2. Oktober 1980 versucht er, zum vierten Mal Weltmeister zu werden, gegen seinen früheren Sparring-Partner und WBC-Weltmeister Larry Holmes. Ali zieht sich vier Monate lang in die Berge von Deer Lake zurück und trainiert verbissen. Er läuft jeden Tag zehn Kilometer und unterzieht sich einer brutalen Diät: Spinat-Saft und Steaks. Er hat das Training mit 136 Kilo begonnen und ist vor dem Kampf nur noch 100 Kilo schwer.
Dabei macht er in seiner Verbissenheit einen Fehler. Er will unbedingt, um seinen Gegner zu beeindrucken, auf die 100-Kilo-Marke herunterkommen. Die letzten Kilos schafft er nicht mehr mit Training und greift deshalb zu Chemie. Am 2. Oktober 1980 ist er in Las Vegas gegen Larry Holmes (bis dahin 35 Siege in 35 Kämpfen) chancenlos.
Ali kann keinen einzigen Wirkungstreffer anbringen und wird nur durch die offensichtliche höfliche Zurückhaltung seines Gegners vor einem Niederschlag bewahrt. Er ist so ausgelaugt, dass ihn Trainer Angelo Dundee zur elften Runde nicht mehr in den Ring lässt. Es ist Alis erste und einzige vorzeitige Niederlage.
Dieser Kampf ist als «Last Hurrah» als einer der traurigsten Tage in die Boxgeschichte eingegangen. Ali erleidet nach dem Kampf einen Kreislauf-Zusammenbruch, kann nicht zur Doping-Kontrolle erscheinen und wird dafür gebüsst. Aber so schmählich will er seine Karriere nicht beenden.
Weil man ihn in den USA nicht mehr boxen lässt, findet sein allerletzter Kampf am 11. Dezember 1981 in Nassau statt, gegen Trevor Berbick. Bei diesem «Drama auf Bahamas» ist Ali bereits von seiner Krankheit (Parkinson) gezeichnet und verliert einstimmig nach Punkten. Nun ist definitiv Schluss. Er hat 61 Profikämpfe bestritten. Davon gewann er 56 (37 durch K. o.) und verlor nur vier.