20. Februar 2015, 18:56 Uhr
Brüssel/Athen – Der Schuldenstreit zwischen Griechenland und der Euro-Zone hat sich unmittelbar vor den womöglich entscheidenden Verhandlungen der Finanzminister zugespitzt: Griechenland lehnte Korrekturen an seinem Antrag auf weitere Milliardenkredite am Freitag klar ab. Mehrere Euro-Länder beharrten dagegen auf einem Bekenntnis zu den früheren Reformzusagen. Kanzlerin Angela Merkel forderte «erhebliche Verbesserungen in der Substanz», versicherte aber: «Griechenland soll in der Euro-Zone bleiben.»
Die Euro-Finanzminister sitzen seit dem Nachmittag zum dritten Mal binnen zehn Tagen zusammen, um über Griechenland zu beraten. Zum Auftakt der Ministerberatungen äusserte sich Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem jedoch etwas zuversichtlicher als vorher. Nach einem Vorgespräch mit Griechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis, Finanzminister Wolfgang Schäuble und IWF-Chefin Christine Lagarde, sagte der Euro-Gruppen-Chef, dass es Grund für etwas Optimismus gebe. Er fügte aber hinzu: «Es ist noch immer ziemlich schwierig.»
Die Zeit drängt, weil das jetzige Hilfs- und Reformpaket für Griechenland Ende Februar endet - danach droht die Zahlungsunfähigkeit. Die von der linken Syriza-Partei geführte neue Regierung in Athen lehnt weite Teile der Reformauflagen für die Hilfsmilliarden ab.
Am Donnerstag hatte Griechenland einen Antrag auf Verlängerung der Kredithilfen der Euro-Länder gestellt. Den Gläubigern fehlt aber eine klare Haltung zu den Reformzusagen. Die Bundesregierung sprach in einem internen Papier deshalb von einem «trojanischen Pferd». Griechenland wolle lediglich eine Brückenfinanzierung erreichen und unter dem Strich das alte Reform- und Hilfsprogramm stoppen.
Merkel sagte nach einem Treffen mit Frankreichs Präsident François Hollande in Paris, die deutsche Politik sei auf das Ziel ausgerichtet, Griechenland im Euro zu halten. Sie erklärte aber auch, vor einer Bundestagsabstimmung über eine Fortsetzung der Kredite müsse es erhebliche Verbesserungen geben.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, es gebe zu viele falsche Zungenschläge in Athen. «Hochgradige Erfahrung» sei ihm dort nicht begegnet, sagte er der «Wirtschaftswoche». Er betonte aber: «Ein Austritt Griechenlands wird nicht passieren.»
Sondergipfel der Regierungschefs?
Bei einem Vorbereitungstreffen ihrer Staatssekretäre stellten sich Teilnehmern zufolge alle anderen Euro-Regierungen hinter die harte Haltung Deutschlands.
Dagegen betonte ein griechischer Regierungssprecher, Athen werde in der Euro-Gruppe nicht über die Verlängerung des Reformprogramms diskutieren. Griechenland habe «alles dafür getan, um zu einer für beide Seiten vorteilhaften Lösung zu kommen, die auf dem Prinzip des gegenseitigen Respekts fusst, betonte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras. »Respekt sowohl für die Regeln der EU als auch für das Wahlergebnis von Mitgliedstaaten.« Er zeigte sich gewiss, dass der Antrag akzeptiert werde: »Das ist der Zeitpunkt für eine historische politische Entscheidung über die Zukunft Europas."
Hinter den Kulissen bemühte sich Tsipras in Telefonaten mit anderen EU-Regierungschefs um Unterstützung. Konkrete Inhalte der Gespräche wurden allerdings nicht bekannt. EU-Kommissar Günther Oettinger schloss nicht aus, dass es in der kommenden Woche zu einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs kommt.
Eine harte Haltung gegenüber den Griechen fordern vor allem die ehemaligen Euro-Sorgenkinder, die ihren Bevölkerungen ebenfalls harte soziale Einschnitte zumuten mussten. Portugals Regierungschef Pedro Passos Coelho sagte, Griechenland wolle das Geld, nicht aber das Paket von Verpflichtungen: «Das ist nicht hinnehmbar.» Griechenland wird von der Euro-Zone und vom IWF seit 2010 mit 240 Milliarden Euro vor der Staatspleite bewahrt.
EZB spielt «Grexit» durch
Ohne Finanzierungsquellen von aussen würde Griechenland schon bald zahlungsunfähig: In diesem Jahr muss die Regierung Kredite von insgesamt 17 Milliarden Euro bedienen. Irgendwann würde die Regierung dann voraussichtlich beginnen, eine eigene Währung zu drucken, dies wäre faktisch der «Grexit» aus der Euro-Zone.
EZB-Mitarbeiter rechnen bereits intern durch, wie anschliessend der Rest der Euro-Zone zusammengehalten werden könnte. Trotz aller Dementis drängten die Währungshüter die Griechen ausserdem dazu, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen. In Bankenkreisen hiess es, die Griechen räumten immer mehr Geld von ihren Konten ab, binnen zwei Tagen mehr als eine Milliarde Euro. Offenbar hätten sich die Sparer erinnert, dass in Zypern 2013 in einer ähnlichen Lage an einem Wochenende Kapitalverkehrskontrollen eingeführt worden seien.
mik/Reuters/dpa/AFP