Als US-Präsident Richard Nixon 1971 das «Goldfenster» schloss und den Dollar den freien Marktkräften überliess, hatte dies zur Folge, dass der Greenback massiv abgewertet wurde. Weil ihre Exporte deswegen verteuert wurden, beschwerten sich Deutsche und Franzosen darüber lauthals. Den damaligen US-Finanzminister, den Texaner John Conally, liess das kalt. «Der Dollar ist unsere Währung – aber euer Problem», erklärte er ungerührt.
Derzeit könnte man sinngemäss das Gegenteil sagen: Der Euro ist die Währung der Europäer, aber er wird immer mehr zum Problem der Amerikaner. Seit die US-Notenbank, das Fed, bekannt gegeben hat, Schluss zu machen mit der Geldspritze namens Quantitative Easing (QE), wird der Dollar stärker und stärker.
Innerhalb von weniger als einem Jahr hat der Greenback gegenüber dem Euro um mehr als 20 Prozent zugelegt; und möglicherweise ist das noch nicht das Ende. Inzwischen hat der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ebenfalls ein umfangreiches QE gestartet und kauft monatlich für 60 Milliarden öffentliche und private Schuldscheine auf. Damit will er eine Deflation verhindern und der maroden Wirtschaft der Einheitszone auf die Beine helfen.
Draghis Massnahmen zeigen Wirkung: Dank des kontinuierlichen Wertverlustes des Euros ziehen Investoren ihr Geld aus Europa ab. Gemäss Angaben des «Wall Street Journal» soll der Kapitalabfluss im letzten Quartal 2014 rund 134 Milliarden Dollar betragen haben. Dieser Trend könnte noch einige Zeit anhalten. Die Analysten der Deutschen Bank etwa glauben, dass ein Euro bis Ende 2017 nur noch 85 Cents wert sein könnte.
Der Kapitalabfluss schadet der realen Wirtschaft Europas keineswegs. Im Gegenteil: Er schwächt den Euro und erweist sich so als indirekter Segen. Die Exportchancen steigen, und zusammen mit dem ebenfalls billigen Öl besteht erstmals seit Jahren die Chance, dass sich die europäische Wirtschaft erholen könnte –, auch die Wirtschaft der Krisenländer.
Weniger Freude an dieser Entwicklung haben die Amerikaner. Die Exporte kommen unter Druck, die Gewinne der internationalen Konzerne leiden und das Handelsbilanzdefizit steigt wieder an. Doch die Amerikaner jammern auf höherem Niveau. Sie sind viel weniger von Exporten abhängig als die Europäer. Nur 13 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts werden mit Ausfuhren erzielt, in Deutschland sind es 40 Prozent, und in der Schweiz hängt bekanntlich jeder zweite Franken vom Export ab.
Dank einer kräftigen Nachfrage im Inland hat sich die US-Wirtschaft erholt. Allgemein wird daher angenommen, dass Fed-Präsidentin Janet Yellen die schon lange erwartete Erhöhung der Leitzinsen irgendwann auch umsetzen wird.
Der Kurs des Dollars und die US-Leitzinsen sind auch für die Wirtschaft der Schwellenländer eine Schicksalsfrage. Sie steuern die weltweiten Kapital- und Handelsströme. Als das Fed im Herbst 2010 begann, mit einem QE den Kurs des Dollars in den Keller zu treiben, jaulte der brasilianische Finanzminister Guido Mantega auf. Der Aufschwung der so genannten Brics-Staaten kam ins Stocken. Mantega sprach von einem neuen «Währungskrieg».
Inzwischen haben alle bedeutenden Zentralbanken die Geldschleusen geöffnet. Doch es zeigt sich, dass dieser Währungskrieg indirekt positive Folgen hat. Die Notenbanken wurden nämlich gezwungen, mit billigem Geld der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. «Seit 2010 haben diese Währungskriege wenig geschadet», stellt deshalb Gavyn Davis in der «Financial Times» fest. «Vielleicht haben sie sogar genützt.»
Allerdings stossen die Zentralbanken mit ihrem billigen Geld nun an eine Grenze. Ob die Fed ihre Leitzinsen tatsächlich erhöhen kann, ist noch keineswegs gesichert. «Wie alle anderen Zentralbanken hat sie die Kontrolle über ihr Schicksal teilweise verloren», stellt Davis fest.