Er tüftelte an Gaslampen und versuchte sich in der Bauwirtschaft, doch erst mit der Erfindung eines Milchpulvers für Kinder gelang ihm der geschäftliche Durchbruch: Henri Nestlé. Sein Erfindergeist bildet das Fundament des Weltkonzerns, der bis heute seinen Namen trägt.
Dieses Jahr wäre Nestlé 200 Jahre alt geworden. Bis er 1867 mit seiner «Farine lactée» unternehmerischen Erfolg hatte, war es ein langer Weg. Geboren wurde Heinrich Nestle, wie er bei Geburt noch hiess, am 10. August 1814 in Frankfurt am Main. Nach einer Apothekerlehre begab er sich auf jahrelange Wanderschaft, die ihn schliesslich ins schweizerische Vevey führte.
Ob Nestlés Auswanderung mit der Restauration nach dem Wiener Kongress und den damit verbundenen Repressionen in Frankfurt zusammenhing, ist bis heute nicht eindeutig belegt. Passen würde es aber zu ihm: Nestlé galt als Freigeist.
Nicht nur pflegte er Kontakte zu Frankfurter Liberalen, die sich beispielsweise für die Pressefreiheit einsetzten, zeitlebens war ihm auch seine Unabhängigkeit sehr wichtig. So widerstand er mehreren Übernahmeversuchen seines Konkurrenten George Page und hütete sich vor der Abhängigkeit von fremden Geldgebern.
Das Startkapital für seine erste Unternehmung im Jahr 1843 erhielt er von einer reichen Tante in Frankfurt. Fortan nutzte er seine Kreativität und sein unternehmerisches Geschick, um sein Geschäft ins Rollen zu bringen.
Er verkaufte Gaslampen an die Stadt, stellte Produkte wie Dünger, Limonade oder Branntwein her und versuchte sich in der Bauwirtschaft - dies allerdings ohne Erfolg. Von Rückschlägen liess er sich aber nicht entmutigen, stattdessen tüftelte er mit frischem Elan an neuen Projekten.
In den Jahren nach seiner Heirat mit der Arzttochter Anna Clementine Therese Ehmant im Alter von 46 widmete sich der Unternehmer schliesslich der Säuglingsernährung. Mithilfe einer einfach zu handhabenden Alternative zur Muttermilch wollte er der damals hohen Kindersterblichkeit Einhalt gebieten.
Nestlé vermutete, dass die hohe Sterberate von Kindern mit der Tatsache zusammenhing, dass zu dieser Zeit nur wenige Mütter ihre Säuglinge stillen konnten oder wollten. Die Problematik betraf ihn persönlich: Fünf seiner dreizehn Geschwister hatte er niemals kennengelernt, sie waren vor seiner Geburt gestorben.
Mehrere Jahre lang forschte der Apothekergehilfe an einem passenden Produkt auf Milchbasis, bis er das Milchpulver für Säuglinge erfand. Dieses stiess dank medizinischen Gutachten und nicht zuletzt einer geschickten Vermarktung auf einen überwältigenden Erfolg. Schon bald verkaufte Nestlé sein «Farine Lactée» weltweit.
Mit seiner Erfindung inspirierte der deutsche Migrant zudem später den Waadtländer Daniel Peter zur Verfeinerung der Schokolade durch Milch. Dieser erfand mit der Beimischung von Nestlés Milchpulver zur Kakaomasse die Milchschokolade. Seit 1927 gehört auch Peters Cailler-Schokoladenmarke zum Nestlé-Konzern.
Die grosse Nachfrage nach Nestlés Kindermehl machte indes einen fortlaufenden Ausbau der Produktionskapazitäten nötig. Das wäre bald ohne Fremdkapital nicht mehr möglich gewesen, weshalb sich der deutsche Tüftler 1875 schliesslich aus den Unternehmensgeschicken zurückzog.
Mit seinem Geschäft verkaufte er zugleich die von ihm geschaffene Marke - inklusive Logo, Name und seiner eigenen Unterschrift. Als unverwechselbares Logo hatte er ein seinem Familienwappen ähnliches Symbol kreiert. Dieses zeigt ein Nest, in dem die Vogelmutter ihre Kinder füttert. Dafür steht auch der Familienname Nestle (kleines Nest), den der Tüftler erst bei seiner Einbürgerung im welschen Vevey mit einem Accent ergänzte. Mit dem Aufbau der Marke Nestlé erwies sich der einstige Apothekergehilfe als Pionier im Marketing.
Anlässlich seines 200. Geburtstag besinnt sich Nestlé auf seinen Gründer zurück. In dessen Heimat Deutschland feiert der Konzern mit Ausstellungen, wissenschaftlichen Veranstaltungen und einer Werbekampagne den runden Geburtstag. So zeigen etwa Werbespots, die diesen Sommer im Fernsehen und im Internet zu sehen sind, Henri Nestlé als wohltätigen Unternehmer.
Der Konzern will sich damit nach dessen Vorbild und unter dem Motto «Qualität nehmen wir persönlich» als innovativer Vorreiter für eine gesunde Ernährung positionieren. Allerdings kommt diese Kampagne nicht überall gut an: Auf Sozialen Medien wurde nach der Erstaustrahlung des Spots beispielsweise an verschiedene Lebensmittelskandale erinnert, darunter an den Milchpulverskandal in den Siebzigerjahren. Damals geriet der Konzern wegen aggressiver Verkaufsmethoden von Säuglingsnahrung in Entwicklungsländern in Kritik. Firmengründer Henri Nestlé bekam davon allerdings nichts mehr mit. (whr/sda)