In den letzten Tagen hätte der grösste Börsengang aller Zeiten über die Bühne gehen sollen. Die chinesische Finanzgruppe Ant wollte sich dem Publikum öffnen und dabei rund 37 Milliarden Dollar frisches Kapital aufnehmen. Daraus wurde nichts. Im letzten Moment hat die chinesische Regierung das Unterfangen gestoppt.
Auf den ersten Blick scheint das Vorgehen Pekings unverständlich. Der Börsengang der Ant Group wäre ein grosser Triumph der chinesischen Wirtschaft gewesen. Er hätte der gesamten Welt gezeigt, wie weit fortgeschritten die Finanz-Technologie im Land der Mitte inzwischen ist und demonstriert, dass die Finanzplätze Hongkong und Shanghai mittlerweile locker mit New York und London mithalten können.
Warum also hat Peking ein klassische Eigengoal geschossen? Vielleicht ist es bloss ein Hahnenkampf zweier Männer. Präsident Xi Jinping ist nicht nur machtbewusst, er ist auch extrem eitel. Wer ihn kritisiert, lebt gefährlich. Genau dies tat jedoch Jack Ma, der legendäre Gründer von Alibaba. Die Ant Group ist aus einem Spin-off von Alibaba entstanden.
Ma seinerseits geniesst in China Rockstar-Status und Bescheidenheit zählt ebenfalls nicht zu seinen Kernkompetenzen. Die chinesische Antwort auf Jeff Bezos hatte es gewagt, Kritik an der chinesischen Führung zu üben. Ende Oktober warf er ihr in einer Rede in Shanghai vor, mit einer «Pfandleihhaus-Mentalität» zu verhindern, dass Kleine Zugang zu günstigen Krediten hätten.
Diese Kritik kam bei den Parteioberen gar nicht gut an. Sie verlangten im letzten Moment von der Ant Group, dass sie nachbessere und neue Sicherheitskriterien erfülle. Damit demonstrierten sie auch der gesamten Businessgemeinde unmissverständlich, wer nach wie vor das Sagen hat.
Ein hoher Manager einer chinesischen Staatsbank erklärte gegenüber der «Financial Times»: «Jack Mas Rede in Shanghai erweckte den Eindruck, dass er die Finanzbehörde öffentlich in Frage stellen wolle. Das ist inakzeptabel. Deshalb haben die Regulatoren reagiert und neue Regeln aufgestellt.»
Chen Zhiwu, Finanzprofessor an der Hong Kong University, sieht es ähnlich: «Solange ein Businessmann seinen Geschäften nachgeht, viel Geld verdient, aber den Mund hält, ist alles gut. Sonst nicht. Jack Ma hat sich zu weit aus dem Fenster gelehnt – und die Konsequenzen zu spüren bekommen.»
Schliesslich gibt es noch einen dritten Grund für die Absage des Börsengangs in letzter Minute. Die Ant Group hat das Potential, das chinesische Finanzsystem umzukrempeln. Sie hat sich zu einer mächtigen Schattenbank entwickelt, die sich der Kontrolle der Bank of China entziehen könnte. So stellt das «Wall Street Journal» fest:
Mit anderen Worten: Ant erscheint der chinesischen Regierung als zu grosses Klumpenrisiko für das Finanzsystem. Daher haben die Regulatoren in letzter Minute Nachbesserungen verlangt, um diese Risiken zu minimieren.
Das Vorgehen Pekings gegen Ant nur mit persönlicher Eitelkeit des Präsidenten und einer Machtdemonstration der Partei zu erklären, wäre daher zu kurz gesprungen. Das Schattenbank-Problem stellt sich nämlich auch bei uns, konkret im Fall von BlackRock. In den letzten Jahren ist hier ebenfalls ein Finanzriese entstanden, der ebenfalls im Begriff ist, das Finanzsystem zu unterlaufen.
Die deutsche Finanzjournalistin Heike Buchter hat den Aufstieg von BlackRock in ihrem gleichnamigen Buch analysiert. Sie kommt zu einem ähnlichen Schluss wie die Behörden in Peking, nämlich dass hier eine heimliche Weltmacht entsteht, die besser kontrolliert werden muss. Deshalb schreibt sie:
Blackrock ist die grösste Gefahr für unsere Wirtschaft. Mittlerweile gehören z.B. alleine in Deutschland über 25% aller Immobilien direkt oder indirekt Blackrock.
Ebenfalls ist Blackrock bei fast jedem Fortune 500, DAX oder auch SME Unternehmen der grösste Einzelaktionär!!!
(1) Der Autokrat über ein mächtiges Reich und wie er mit Konkurrenz umgeht. Wird schon interessant sein, wie sich das über die Jahr(zehnte) nun entwickelt, der Mann ist ja nicht ewig so vital.
(2) Die Regulierung von Parabanken: Facebook (Libra), Fonds (Blackrock) u.a. Schattenbanken unterstehen (noch) nicht den Bankengesetzen, GwG-Gesetzen u.a. Regulierungen. Hierzu muss man leider konstatieren, dass immer mehr Geld bei immer weniger Akteuren monopolisiert wird - und Geld regiert die Welt, meist im Hintergrund.