Adidas ist seit längerer Zeit in der Krise. Letzte Woche gab der Sportartikelhersteller die vierte Gewinnwarnung in Folge heraus. Die Hauptaussage dabei: Die Einnahmeausfälle aufgrund der Beendigung der Zusammenarbeit mit Kanye West nagt an den Zahlen des Unternehmens.
Während das nachvollziehbar scheint und bestimmt ins Gewicht fallen dürfte, hat Adidas aber auch an anderen Fronten zu kämpfen. Eines der Probleme: Die Marke ist nicht mehr so «cool».
«Die Zahlen sprechen für sich selbst. Wir sind derzeit nicht so leistungsfähig, wie wir sein sollten», lässt sich Bjørn Gulden, neuer Vorstandsvorsitzender bei Adidas, in einem Statement vom Donnerstag zitieren. Die Ankündigung beinhaltete bereits die vierte Gewinnwarnung des Unternehmens seit Juli.
Für das kommende Jahr erwartet Adidas einen «Rückgang des währungsbereinigten Umsatzes im hohen einstelligen Prozentbereich.» Das würde bedeuten, so das Unternehmen weiter, dass für 2023 «ein Betriebsergebnis in etwa auf Break-Even-Neveau» herausschauen würde. Mit anderen Worten: Gewinn dürfte kaum gemacht werden.
«Das Jahr 2023 wird ein Jahr des Übergangs sein, um die Grundlage dafür zu schaffen, wieder ein wachsendes und profitables Unternehmen zu sein», so das Unternehmen mit Sitz in Herzogenaurach bei Nürnberg. Diese Ziele zeigen sich auch darin, dass Adidas 2023 zusätzlich mit einmaligen Ausgaben von bis zu 200 Millionen Euro rechnet – Kosten, die «Teil einer strategischen Prüfung» seien, die der Sportartikelhersteller jetzt unternehme, um in Zukunft wieder profitabler zu werden.
Eine Gewinnwarnung wie diejenige von Adidas am Donnerstag bedeutet selten Gutes. Und so reagierten denn auch die Märkte darauf: Die Aktie verlor bis am Freitag über elf Prozent.
In seinem Statement betont die Adidas-Führung insbesondere die Verluste, welche die Marke durch den Abbruch der Partnerschaft mit Kanye West weiter erleiden wird. Im Oktober gab das Unternehmen bekannt, dass es die hochprofitable Kollaboration mit dem Rapper beendet, nachdem dieser mit antisemitischen Äusserungen für einen Aufschrei gesorgt hatte.
Nun sitzt Adidas auf einer Fülle von «Yeezy»-Produkten («Adidas Yeezy» beschreibt die Modekollaboration zwischen dem Unternehmen und dem Rapper). Gemäss der Medienmitteilung von Adidas sei zurzeit noch unklar, was damit geschehe. Man prüfe zurzeit verschiedene Optionen zur künftigen Nutzung des Bestands an «Yeezy»-Produkten.
Wie das Unternehmen aber mitteilt, hinterlässt das «Yeezy»-Debakel alleine durch das Ausbleiben an Verkäufen ein Minus von 1,2 Milliarden Euro Umsatz sowie eine Gewinnschmälerung um 500 Millionen Euro. Und da sind mögliche Abschreibungen noch nicht mit eingerechnet. Denn:
«Sollte das Unternehmen unwiderruflich beschliessen, seinen aktuellen Bestand an Yeezy-Produkten nicht zu verwenden, würde dies die Abschreibung des Yeezy-Bestands nach sich ziehen und das Betriebsergebnis des Unternehmens in diesem Jahr um weitere 500 Millionen Euro reduzieren», schreibt Adidas in seinem Statement. Sollte das eintreffen, könnte 2023 sogar ein Verlust drohen.
Was also tun mit den Produkten? Eine Möglichkeit wäre, die Kleidung von ihrem «Yeezy»-Namen und -Branding zu befreien, um sie so zu verkaufen. So zumindest hatte es Adidas unmittelbar nach der Trennung von Kanye West kommuniziert. Wie das Unternehmen mitteilte, würde der Verkauf der Artikel unter eigenem Namen Einsparungen in Höhe von 434 Millionen Dollar an Lizenzgebühren und Marketingkosten bedeuten.
Analysten sind jedoch der Meinung, dass ein Weiterverkauf der umbenannten Ware schwierig wäre und die einzigen Optionen, die sich ihnen bieten würden, die Vernichtung der Kleidung oder deren Spende wären. «Es gibt wirklich keine guten Optionen für diese notleidende Marke, die irgendwo zwischen Prestige und Luxus angesiedelt ist», meinte beispielsweise ein Analyst gegenüber CNN.
Vergangenen Oktober wurde bekannt, dass Adidas einen neuen CEO engagieren wird. Bjørn Gulden ist kein Unbekannter: Während fast zehn Jahren leitete der Norweger den Konkurrenten Puma. Und hatte dabei richtig Erfolg: 2022 schrieb Puma die besten Zahlen in der Geschichte der Marke. Es waren beeindruckende Zahlen, so diverse Analysten, gerade in einer Zeit, in der nicht nur Sportartikelhersteller mit Absatzproblemen, zum Beispiel in China, zu kämpfen haben.
Die Nachricht eines Wechsels von Gulden spiegelte sich auch in der Aktie von Adidas wider: Nachdem sie 2022 nur eine Richtung kannte – und zwar unten –, machte die Aktie Anfang November einen Sprung von fast 20 Prozent.
Zwar litten im schlechten Börsenjahr 2022 auch die Konkurrenten: Nike zum Beispiel verlor seit letztem Februar gut 13 Prozent und Puma gleich über 30 Prozent. Aber während sich diese beiden zuletzt wieder stark erholten, ist das für Adidas, das 40 Prozent innerhalb eines Jahres verlor, nicht absehbar.
Ausser dem «Yeezy»-Debakel spricht das Unternehmen in seiner Mitteilung konkret keine weiteren Gründe für die schlechten Zahlen an. Wie das «Manager Magazin» aber berichtet, gibt es diese durchaus.
Da wäre zum Beispiel der wichtige Absatzmarkt China, der Adidas seit der Coronakrise grosse Sorgen macht. Alleine 2022 musste das Unternehmen über 30 Prozent Umsatzeinbussen in China – seinem lukrativsten Absatzmarkt – hinnehmen.
Ebenfalls unerwähnt liess Adidas die enttäuschenden Verkaufszahlen der Produkte aus der Zusammenarbeit mit Beyoncés Marke «Ivy Park»: Das «Wall Street Journal» berichtete letzte Woche, dass der Umsatz der einst trendigen Streetwear-Marke im vergangenen Jahr um 50 Prozent auf etwa 40 Millionen Dollar gesunken ist – weit unter den internen Prognosen von 250 Millionen Dollar. Die Partnerschaft sei «stark und erfolgreich», verteidigte sich Adidas daraufhin gegenüber dem «Wall Street Journal».
Was Adidas aber langfristig vielleicht noch mehr zu schaffen machen dürfte, ist seine fehlende sogenannte «Brand-Heat», wie das «Manager Magazin» schreibt. Der Ausdruck beschreibt, wie «heiss» eine Marke ist: wie stark kann sie sich als Lifestyle-Marke etablieren, inwiefern gilt sie als «in» und wie wird die Marke von seiner Kundschaft wahrgenommen.
Das heisst mit anderen Worten in diesem Fall: Adidas ist nicht mehr so «cool». Gemäss «Manager Magazin» bemängeln Analysten seit Langem die mangelnde «Brand-Heat» der Marke. Sie stützen sich dabei beispielsweise auf die Auswertung von Social-Media-Plattformen stützen. Auch hier würden die Börsenzahlen diesem Schluss recht geben: Innerhalb der letzten fünf Jahre verlor Adidas an der Börse fast 23 Prozent an Wert – während die Konkurrenten Nike und Puma je fast 80 Prozent zulegten.
Bei Puma machte der neue CEO Gulden die «Brand-Heat» zu einem zentralen Teil seiner Marketingstrategie. Ob ihm dasselbe bei Adidas gelingt, wird sich noch zeigen. Aus Sicht des neuen CEOs Gulden scheint es auf jeden Fall kein schlechter Zeitpunkt zu sein, um die gescheiterte Kollaboration mit «Ye» als Grund für die kriselnden Zahlen zu betonen.
Eine Kooperation mit einem Typen, der schon vor Jahren den Bezug zum Normalen verloren hat, ist ein grosses Risiko.
Sportbrands machen zwar schon lange am meisten Asche mit Streetware, aber dieses Beispiel zeigt, dass offenbar mit grossen Risiken gearbeitet wird, um viel Geld zu machen mit billigem Plastik und Kinderarbeit...