Die US-Notenbank Fed hat mit ihrer ersten Leitzinserhöhung seit vielen Jahren das Kapitel «Finanzkrise» zugeschlagen. Risiken bleiben allerdings. Deshalb versprechen die US-Notenbanker, weiterhin vorsichtig zu sein.
Die Fed erhöht nach sieben Jahren extrem billigen Geldes erstmals wieder ihre Leitzinsen. Die kurzfristigen Zinsen steigen um zunächst 0,25 Prozentpunkte auf ein Niveau zwischen 0,25 und 0,5 Prozent. Dies teilte der Offenmarkt-Ausschuss der Fed nach seiner Dezember-Sitzung am Mittwoch in Washington mit.
Zuletzt hatte es 2006 eine Erhöhung der Leitzinsen in den USA gegeben. Danach senkte die Notenbank den Zins schrittweise bis auf nahe Null, um den Folgen der Finanzkrise zu begegnen. Sie beliess ihn lange dort. Nach einer Erholung der US-Wirtschaft und der Vorlage stabiler Daten vom Arbeitsmarkt sah die Fed den Moment für eine Wende hin zu einer Normalisierung ihrer Geldpolitik gekommen.
Zuletzt hatten sich mit Arbeitsmarkt und Inflation die wichtigsten Indikatoren so entwickelt, dass ein Zinsanhebung wahrscheinlicher wurde.
Die Entscheidung war in aller Welt mit Spannung erwartet worden. Die Zinspolitik der USA hat weitreichende Bedeutung. Sie beeinflusst den Kurs des Dollars. In der US-Währung werden viele internationale Geschäfte abgewickelt. Zahlreiche Rohstoffpreise werden in Dollar errechnet, Finanzanlagen in Dollar gehalten.
Der Offenmarktausschuss sei zu der Erkenntnis gekommen, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt dieses Jahr noch einmal erheblich verbessert habe, hiess es in einer Mitteilung der Notenbank. Die Arbeitslosenquote ist von über zehn Prozent inmitten der Finanzkrise auf zuletzt fünf Prozent gesunken, im November kamen über 200'000 neue Stellen hinzu. Der Ausschuss sei auch überzeugt, dass sich die Inflation - derzeit durch niedrige Energie- und Lebensmittelpreise gedrückt - wieder der Zielmarke von zwei Prozent annähere.
Für Europa und die Schweiz sind das gute Neuigkeiten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vor zwei Wochen die Euro-Geldschleusen weniger weit als erwartet geöffnet. Das stärkte die Gemeinschaftswährung etwas, auch gegenüber dem Franken. Letzteres wiederum erlaubte es der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vergangene Woche, nicht noch negativere Zinsen einzuführen, um die Attraktivität des Frankens weiter zu senken.
Mit –0,75 Prozent hat die SNB bereits die höchsten Strafzinsen für Banken, die das Geld bei der Notenbank parken. Die EZB hat sie «nur» von –0,2 auf –0,3 Prozent gesenkt. Die SNB ist damit am weitesten in unbekannte Gewässer vorgedrungen. Experten monieren, dass die Auswirkungen einer Verschärfung dieser Politik am Geldmarkt nicht abzuschätzen seien.
Die Anomalien sind längst spürbar: Wer der Eidgenossenschaft für drei Monate Geld leiht, erhält keine Zinsen mehr, sondern muss selbst für diese als sicher geltende «Anlage» fast 1 Prozent Zins zahlen. Auch für ihre zehnjährigen Schulden berappt die Schweiz am Markt keine Zinsen.
Ausserdem schwächt die US-Zinserhöhung den Franken auch gegenüber dem Dollar, denn höhere Zinsen machen den Dollar attraktiver, er wird von Investoren stärker nachgefragt.
Obwohl sowohl Euroland als auch – im Schlepptau der EZB – die Schweiz noch weit entfernt sind von einer eigenen Zinserhöhung, könnte das Ende der Fahnenstange endlich erreicht sein. Die Zinsen dürften hierzulande auch im nächsten Jahr zwar auf dem gegenwärtigen Niveau verharren. Aber die Talsohle würde durchschritten.
So gesehen bedeutet die Zinswende in den USA auch eine Umkehr der Tendenz auf dem alten Kontinent, wenn auch mit Verzögerung.
Heikel ist eine US-Zinserhöhung für die Schwellenländer. Sind die Renditen in Amerika tief, fliessen Hunderte von Milliarden jener Dollars, welche die Notenbank in die Wirtschaft pumpt, auf der Jagd nach Renditen ins Ausland, gerade auch in die Schwellenländer. Denn in diesen aufstrebenden Volkswirtschaften locken die höchsten Gewinne.
Zwar haben sie den Test eines Zinsanstiegs 2013 im Vergleich zur Asienkrise der 90er-Jahre relativ gut überstanden. Niemand weiss aber, wie viel schnelles Geld wieder in den sicheren Hafen des Dollars zurückfliesst, sobald der US-Währungsraum wieder mehr Zins abwirft. Schlimmstenfalls droht eine Zahlungsbilanzkrise.
Zwar haben die meisten Schwellenländer viel höhere Devisenreserven als früher. Diese könnten den Abfluss kompensieren und die Importe finanzieren. Auch die Defizite der meisten Staaten sind kleiner. Doch sind bei weitem nicht alle Länder gleich robust. Sogar in China, der mittlerweile zweitgrössten Volkswirtschaft der Erde, könnte der Zinsschritt für Turbulenzen sorgen. (az/sda/reu)