Das Handelshaus Trafigura aus Genf ist einer der grössten Metallhändler der Welt. Trotzdem ist der Riese offenbar einem Betrug zum Opfer gefallen. Der Schaden: 557 Millionen US-Dollar.
Wie konnte Trafigura so hintergangen werden? Und wer steckt (angeblich) dahinter?
Es ist der 9. November 2022. Inspektoren der Trafigura stehen im Hafen von Rotterdam vor mehreren Containern. Als sie einige öffnen, bestätigt sich der Verdacht der Firma: Man hat der Trafigura statt Nickel wertlosen Kohlenstoffstahl verkauft. Während Nickel pro Tonne knapp 24'000 US-Dollar kostet, wird Kohlenstoffstahl für weniger als 1'000 US-Dollar gehandelt.
Auch der nächste Container bringt kein Nickel zutage. Der übernächste auch nicht. Zum Schluss hält Trafigura in einem Dokument, das einem englischen Gericht zugestellt wurde, fest: «Keiner dieser Container schien Nickel in irgendeiner Form zu enthalten.» Wie die NZZ berichtet, dürften insgesamt 1104 Container nicht die versprochene Ware enthalten. 25'000 Tonnen Nickel, verpufft.
Bereits im Februar wurde bekannt, dass der Rohstoffhändler massive Abschreibungen vornehmen muss. Als Grund wurde ein «systematischer Betrug» angegeben.
Betrügereien sind im Rohstoffhandel nicht ungewöhnlich, schon vor Jahrtausenden beschwerten sich Händler darüber, dass sie hintergangen wurden, wie zeitgemässe Schriftstücke belegen. Ungewöhnlich ist jedoch, dass Firmen von Grösse und Relevanz wie Trafigura Opfer eines Betrugs werden.
Trafigura, in Singapur eingetragen und von Genf aus gesteuert, ist eine der grössten Rohstoffhändlerinnen der Welt. Ihr Kerngeschäft liegt im Metall und im Erdöl. Wie das Konkurrenzunternehmen Glencore entstammt auch Trafigura unter anderem aus der Feder von Marc Rich, dem berühmt-berüchtigten Rohstoffmogul.
Vergangenes Jahr konnte das Unternehmen einen Rekordgewinn von rund 7 Milliarden US-Dollar verzeichnen.
Trafigura sieht ihren indischen Geschäftspartner, Prateek Gupta, als Verantwortlichen des Betrugs. Gupta besitzt ein breit gefächertes Spektrum an Unternehmen – darunter auch Teile der TMT Metals AG, die in Zug registriert ist.
Trafigura hatte schon seit 2015 Geschäftsbeziehungen zum indischen Unternehmer. Dabei handelten sie mit diversen Metallen – seit rund drei Jahren lag Nickel jedoch vermehrt im Fokus. Dabei liefen die Geschäfte, sogenannte Transitgeschäfte oder Buyback-Transaktionen, meist so ab:
Solche Transitfinanzierungen durch Buyback-Geschäfte sind vollkommen legal und ermöglichen kleineren Unternehmen, an grosse Kredite zu gelangen. Die Citigroup wusste davon und billigte den Deal.
In manchen Fällen verkaufte die Trafigura das Nickel auch auf eigene Faust direkt an Drittkunden. Diese haben nun gedroht, Trafigura rechtlich anzugehen, weil ihnen schlussendlich Nickel im Gesamtwert von rund 94 Millionen Dollar verkauft, aber nur Stahl geliefert wurde. Während der ganzen Zeit legte Gupta Bankgarantien der Silver Bank vor, eines kleinen Instituts auf Mauritius. Und da setzt der Betrug an.
So schreibt die NZZ, dass Gupta seine Finger bei der Silver Bank im Spiel hat. 2021 kaufte die Investorin Silver Star SPC, eingetragen auf den Cayman Islands, eine angeschlagene Bank auf Mauritius und benannte sie zur Silver Bank um.
Die Silver Star SPC ist ausserdem seit 2021 Mehrheitsaktionärin der TMT Metals AG, wie einem englischen Handelsregister zu entnehmen ist. Bis dahin war Prateek Gupta als kontrollierender Eigentümer von TMT Metals aufgeführt gewesen. Es ist unklar, wer zum jetzigen Zeitpunkt hinter Silver Star und der Silver Bank steht.
Die «Financial Times» berichtet, dass Verbindungen zwischen ehemaligen Mitarbeitern Guptas und der Silver Star bestünden. Diese verneint jedoch, weder direkt noch indirekt etwas mit Gupta zu tun zu haben. Dennoch steht die Vermutung im Raum, dass sich Gupta über die Silver Bank selber Garantien ausgestellt hat, um sich «einen Anstrich der Seriosität zu geben», wie die NZZ schreibt. Und scheinbar hat es funktioniert.
Im Verlauf des Jahres 2022 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der Firma mit Genfer Sitz und Gupta. Die Volumen der Nickelgeschäfte hatten zugenommen, was für Trafigura auch ein höheres Risiko bedeutete, da mehr von ihrem Kapital gebunden war. Zudem verlängerte sich die Zeit der Transporte, die finanziert werden musste.
Im Juli wurde bekannt, dass Gupta von indischen Behörden ins Visier genommen wurde. Der Verdacht: Betrug, wobei unter anderem auch Verkäufe an Scheinfirmen aufgeführt wurden. So drängte die Bank Citigroup schlussendlich auf eine Inspektion des Metalls. Dieses wurde standardmässig nur dann überprüft, wenn es direkt durch die Trafigura an Dritte verkauft wurde. Wenn das Nickel wieder an eine von Guptas Firmen oder an eine Drittfirma unter Verhandlung von Gupta ging, wurde nicht kontrolliert.
Für Trafigura steht nun fest, dass das Handelshaus einem «systematischen Betrug» zum Opfer gefallen ist. Gupta soll selbst gesagt haben, dass er knapp bei Kasse sei. Die Metalltransaktionen könnten so für ihn durchaus eine Möglichkeit gewesen sein, an Geld zu kommen – mindestens für die Dauer des Transports.
(cpf)