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MoneyTalks: Anlegen oder warten? Wie du die Risiken in Schach hälst

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Jetzt anlegen oder lieber warten? Wie du die Risiken in Schach hälst

Seit Wochen geht es auf den Märkten bunt zu, mal bisschen rauf aber vor allem eher in eine Richtung – abwärts. Chance oder Gefahr? Jetzt anlegen oder doch lieber warten? Was du darüber wissen solltest
26.05.2022, 17:49
Olga Miler
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«….alles am Zusammenbrechen, aber ich versuche mal cool zu bleiben».
«Bin etwas unschlüssig, obwohl es irgendwann wieder obsi gehen müsste und jetzt eigentlich der beste Zeitpunkt wäre, um zu kaufen?»
«Für mein Money Mindset hilft mir Fokus auf Langfristigkeit und nicht zu oft aufs Konto schauen»

Was gerade passiert, beschäftigt viele von uns. Dies sind Aussagen aus meinen Chat-Gruppen. Die Unsicherheit ist gross und gerade diejenigen, welche allenfalls im Dezember oder Januar angefangen haben zu investieren, trifft es hart.

Unsicherheit ist weiterhin gross

Getrieben von Inflationsängsten, Unsicherheit durch Krieg, Lieferengpässen, einer möglichen Energiekrise, restriktiver Coronapolitik in China, steigenden Zinsen der Zentralbanken geht es seit Wochen auf den Märkten eher nur in eine Richtung: abwärts. Die New York Times hat letzten Freitag getitelt: «Stocks fell, pushing the S&P 500 into bear market territory». Zwar kam dann 3.5 Stunden später doch eine kurzfristige Erholung, aber schaut man sich die letzten Monate an, dann hat der S&P 500 seit 1.1.2022 um -18.6% nachgegeben, der Swiss Market Index um -11.6%.

Auch Krypto bleibt nicht verschont, so gaben z.B. die Kurse von Bitcoin von ca. 47'000 auf 30'000 US$/BTC nach und Ethereum, Anfang Januar noch bei 3'800, heute ungefähr bei 2’000 US$ /ETH. Dass die Unsicherheit gross ist, zeigt auch der VIX (Volatility Index), dieser ist seit Anfang Jahr um 12.94 Punkte oder 77.9% gestiegen.
*Kurse: Stand Mo 23. Mai 2022, Quellen: cash.ch, Google Finance, Coinmarketcap.com

Die Zwickmühle

Was also tun mit dem Geld? Das ist leider gar nicht so einfach. Lässt du es auf dem Sparkonto, dann ist dein Geld zwar keinen Kursschwankungen ausgesetzt, hat aber wegen der tiefen Zinsen auch keine Chance sich zu mehren und seine Kaufkraft mindert sich durch die Inflation. Diese ist in der Schweiz im Moment gemäss dem SECO ungefähr 2.4% . Im Vergleich zur Eurozone mit 7.5% und den USA mit 8.3% (Daten April) scheint dies noch moderat. Erwartet wird für 2022 eine Teuerung für die Schweiz von ca. 1.9% und für 2023 von 0.7%.

Investierst du dein Geld, dann ist es entsprechenden Risiken von Kursschwankungen ausgesetzt, hat aber auch die Chance sich zu mehren.

Jetzt anlegen, etwas verändern oder lieber doch warten?

Eine abschliessende Antwort gibt es nicht, da niemand weiss, wie sich die Zukunft wirklich entwickeln wird. Hier ein paar praktische Gedanken dazu:

  1. Jetzt ist kein sehr günstiger Zeitpunkt, um zu verkaufen: Wenn du bereits investiert bist und keine Gründe wie horrende Gebühren oder riesige Ballungsrisiken dafür sprechen, dann ist jetzt kein so günstiger Zeitpunkt, um zu verkaufen; ausser du hast sehr wenig Zeit zur Verfügung, so dass du eine etwas länger dauernde Erholung gar nicht mitmachen könntest (idealerweise wärst du darauf bereits vorbereitet, so dass du von den jetzigen Entwicklungen nicht mehr so stark betroffen bist), oder dein Money Mindset verursacht dir so grosse Panik, dass du bei weiteren Achterbahnfahrten nach unten schlichtweg in Ohnmacht fällst und in Gefahr gerätst, dann zu einem noch tieferen Preis aus Panik zu verkaufen. In diesen Fällen kann es helfen, dein Risikoprofil jetzt neu zu überprüfen und allenfalls eine vorsichtige Umschichtung, z.B. weniger Aktien, durchzuführen.
  2. Soll ich mein Portfolio jetzt thematisch anders ausrichten? Jede herausfordernde Zeit bringt auch neue Anlagemöglichkeiten, daher ist es immer gut regelmässig zu schauen in was dein Geld investiert ist und ob dein Portfolio vielleicht gewisse neue ungewollte Risiken birgt, z.B. von Firmen, die von der gegenwärtigen Lage besonders betroffen sind, geographische Ballungsrisiken existieren, ob du Währungsrisiken ausgesetzt bist und ob die Branchen und Themen, die du hast, noch wirklich passen. Natürlich kannst du auch gezielt nach neuen kurzfristigen oder längerfristigen Möglichkeiten suchen, die vielversprechend scheinen (z.B. erneuerbare Energien), und diese mit passenden Beträgen z.B. als Satelliten hinzufügen.
  3. Deinem Ersparten auf dem Sparkonto einen Mini-Boost geben: Beim Anlegen bestimmt sich dein Risiko vor allem durch den Anteil der risikoreichsten Anlage-Kategorie (Anlageklasse), da diese am meisten schwankt. Krypto und Exoten wie Hebelprodukte mal ausgenommen ist dies i.d.R. der Anteil Aktien. Diesen kannst du über dein Risikoprofil selbst bestimmen. Wenn du also jetzt z.B. mit dem Anlegen starten oder deinem Ersparten die Chance geben möchtest, ein wenig zu wachsen, um z.B. die Inflation zu mindern, dann kannst du eine Anlage mit wenigen Prozenten in z.B. Aktien tätigen, z.B. 5-10%. Das Risiko wenn es nicht so kommt ist selbstverständlich da, aber doch eher überschaubar, und wenn die Zeiten sich bessern, dann profitierst du.
  4. Jetzt kaufen, weil es günstig ist? Ob es noch günstiger wird weiss niemand, Daten aus der Vergangenheit, als Bsp. am S&P 500 zeigen: Während der Corona-Krise fiel der S&P 500 während eines Monats im März 2020 um -34%. Selbstverständlich war da die Ausgangslage eine andere als jetzt und grosse Unsicherheit wegen der Pandemie. Die Erholung setzte auch schnell ein. Jetzt treffen sehr viele Faktoren wie Inflation, steigende Zinssätze und damit Rezessionsängste aufeinander und niemand weiss, ob die gegenwärtige Korrektur bereits die Talsohle ist. Oder ob es vielleicht noch weiter runtergeht und ob und wie lange es für eine Erholung dauert. Es kann natürlich auch sein, dass bei gewissen Anlagen die Korrektur bereits lange überfällig war. Das Einzige, was sicher ist, ist Unsicherheit. Und die macht den Märkten oft am meisten zu schaffen, so dass das Auf- und Ab wohl noch eine Weile andauern wird. Für alle, die jetzt investieren möchten, können die folgenden Punkte nützlich sein: mit langfristigen Zeitrahmen planen, diversifiziert, allenfalls gestaffelt, damit du bei den Schwankungen gesamthaft von Durchschnittspreisen profitierst, und dich für das Auf- und Ab mental wappnen.

Ich weiss nicht, wie es euch geht, bei mir haben die Depots meiner Kinder etwas gelitten, das hat mich am meisten beschäftigt. Seither fordere ich mein Money Mindset nicht heraus und bleibe mal ohne grosse Experimente bei der jetzigen Strategie mit gestaffelt und langfristig.

Wie seht ihr das? Kaufen oder doch lieber warten?

olga miler, frauen und geld, blog, watson
bild: zvg
Olga Miler ...
... war über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen bei der UBS tätig, unter anderem hat sie dort das Frauenförderungsprogramm und den UBS Gender ETF aufgebaut. Jüngst gründete sie das Start-up SmartPurse, eine Plattform, auf der sie digitale Kurse und Workshops zum Thema Finanzen für Frauen anbietet. Letztes Jahr schrieb Miler den watson-Blog «Frauen und Geld» und wird uns dieses Jahr mit «MoneyTalks» an ihrer Expertise teilhaben lassen.
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