Wie geht es weiter mit der Credit Suisse? Eine Gerüchtewelle verursachte vergangene Woche einen beängstigenden Kurseinbruch bei deren Aktien. Die Titel stürzten von einem Niveau von fünf Franken in der Vorwoche auf nur mehr vier Franken ab. Der Börsenwert der zweitgrössten Schweizer Bank ist mit rund zehn Milliarden Franken kaum mehr höher als jener von mittelständischen Banken.
Einen gehörigen Schrecken hatten die Investoren am Donnerstagabend von einer «Reuters»-Meldung. Unter Verweis auf «Insiderkreise» kolportierte die Nachrichtenagentur, eine Kapitalerhöhung im Umfang von bis zu vier Milliarden Franken stünde an.
Eine Aktienemission in dieser Grössenordnung käme beim aktuellen Börsenkurs einer faktischen Enteignung der bestehenden Aktionäre nahe: Auf drei bestehende Aktien müsste die Bank rund eine neue Aktie ausgeben, um auf den gewünschten Emissionserlös zu gelangen. Wer da kein frisches Geld einschiesst, verliert einen Drittel seiner Eigentumsrechte.
Vermutlich haben über das Wochenende ein paar gewichtige Eigentümer Alarm geschlagen und die Credit Suisse gezwungen, ihr langes Schweigen zu brechen. Die «umfassende strategische Überprüfung» sei «gut auf Kurs», gab die Bank am Montagmorgen in einer unverfänglich klingenden Mitteilung an die Medien bekannt.
Das Communiqué enthält nichts offensichtlich Neues. Es bestätigt vielmehr die groben Inhalte und Ziele der Strategieüberprüfung, deren Ergebnisse die Bank schon im Juli auf den Termin vom 27. Oktober versprochen hatte.
Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann und sein CEO Ulrich Körner wollen die risikoreichsten Geschäftsbereiche der Investment Bank zurückbauen, das Eigenkapital im Konzern neu verteilen und zusätzliche Kosteneinsparungen von mehr als einer Milliarde Franken erreichen. Von einer milliardenschweren Kapitalerhöhung ist in ihrer Medienmitteilung mit keinem Wort die Rede.
Dafür umso mehr von den bekannten strategischen Stossrichtungen und Optionen. Ausdrücklich angesprochen werden die Planung und die Umsetzung potenzieller Verkäufe von Geschäftsbereichen und Vermögensverwerten. Auch das Kostensenkungsprogramm im Umfang von mehr als einer Milliarde Franken findet explizite Erwähnung.
Dass das Wort Kapitalerhöhung nirgends in dem Text auftaucht, ist wohl die einzige wichtige Botschaft, die Credit Suisse zwischen den Zeilen verbreiten wollte – aus gutem Grund. Das Management weiss sehr genau, dass es seine Eigentümer erst dann wieder um frisches Geld bitten kann, wenn es auch eine Chance gibt, dieses durch wertsteigernde Investitionen zu mehren.
Daran bestehen nicht nur unter Grossinvestoren erhebliche Zweifel. Seit Oktober 2015 beschaffte sich die Bank mit Hilfe von drei Kapitalerhöhungen insgesamt rund zwölf Milliarden Franken. Dafür wurde die Zahl der Aktien um zwei Drittel auf aktuell 2.65 Millionen Stück erhöht, aber der Börsenwert der Bank schmolz von 42 Milliarden Franken (Ende 2015) auf 10 Milliarden Franken zusammen.
Die Grossaktionäre, die den Hauptteil einer weiteren Kapitalerhöhung stemmen müssten, werden daher mit aller Kraft darauf drängen, dass die Credit Suisse zuerst alle anderen Optionen der Mittelbeschaffung auslotet und umsetzt. Im Vordergrund steht ein Verkauf des grossen und in der Vergangenheit bisweilen besonders erfolgreichen Geschäfts mit Kreditverbriefungen.
Die französische BNP Paribas und der Private Equity Investor Apollo sollen bereits Interesse an einer Investition bekundet haben, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg vor zehn Tagen berichtet hatte. Ob ein solcher Verkauf gelingt und wie weit die Credit Suisse damit kommen wird, bleibt abzuwarten.
Die Gerüchtewelle dürfte in den nächsten Wochen nicht abebben. Auf den Finanzmärkten wird die Stimmung zusehends schlechter. Das gilt in besonderem Mass auch für das Geschäft mit hochrentierenden Unternehmensanleihen, in dem Credit Suisse traditionell eine starke Stellung hat. Es steckt vor dem Hintergrund des rasch steigenden allgemeinen Zinsniveaus in einer schwierigen Lage.
Eine weitere Gewinnwarnung im Blick auf die am 27. Oktober zu veröffentlichenden Zahlen zum dritten Quartal wäre deshalb keine Überraschung. In den vergangenen sechs von sieben Quartalen musste die Bank den Markt jeweils vorzeitig auf die allzu optimistischen Gewinnschätzungen vorbereiten.
So dürfte die Rückeroberung der Agenda-Hoheit bei der Credit-Suisse-Führung vorerst ein frommer Wunsch bleiben. Die Kapitalerhöhung bleibt eine Option, bis es Fakten über eine alternative Mittelbeschaffung gibt. Und neue Gerüchte könnten schon bald ins Kraut schiessen – etwa über die Grössenordnung des anstehenden Stellenabbaus, der schon mit 5000 möglichen Entlassungen zu Reden gab.
Dass die Credit Suisse auch anders kann, als nur zwischen den Zeilen kommunizieren, hat sie vergangene Woche beweisen. Auf eine Behauptung von «Reuters», sie wolle ganz aus dem amerikanischen Markt aussteigen, reagierte die Bank mit diesem Statement: «Die Credit Suisse verlässt den US-Markt nicht. Jede Berichterstattung, die etwas anderes suggeriert, ist kategorisch falsch und völlig unbegründet.»
Ironischerweise stärkt dieses klare Dementi alle Gerüchte, die gerade etwas weniger klar in Abrede gestellt werden. (bzbasel.ch)