Tony Hayward war immer schon ein Meister des Fettnapfes. Die Krönung jedoch kam im Mai 2010: Da reiste der Vorstandschef des Ölmultis BP nach Louisiana, um die Folgen der «Deepwater Horizon»-Katastrophe zu inspizieren. Die BP-Bohrinsel war sechs Wochen vorher explodiert, seither strömten Millionen Barrel Öl in den Golf von Mexiko. Es war die grösste Ölpest der Welt, das schlimmste Umweltdesaster der US-Geschichte.
Der Brite Hayward stand unter Druck, sein obligatorisches Bedauern zu vermitteln. Elf Ölarbeiter waren umgekommen, die Wirtschaftsgrundlage der US-Golfstaaten war bedroht, zum zweiten Mal seit dem Hurrikan «Katrina» fünf Jahre zuvor.
«Es tut uns leid, dass das ihr Leben so massiv unterbrochen hat», sprach Hayward also an einem ölverpesteten Strand in Louisiana in die Kamera. «Niemand will mehr als ich, dass diese Sache vorbei ist. Ich hätte gerne mein Leben zurück.»
Damit besiegelte Hayward, der damals mehr als eine Million Dollar im Jahr verdiente, sein Schicksal als Gesicht der Katastrophe. Mit seinem Selbstmitleid hatte er den Zynismus einer ganzen Industrie offenbart. Drei Monate später war er seinen Job los.
Der Ölfilm, der auf bis zu 75'000 Quadratkilometer anschwoll, brachte ein ganzes Ökosystem ins Wanken, tötete Zehntausende Tiere, verseuchte Strände, zerstörte Korallenriffe, raubte Fischern den Lebensunterhalt, zerstörte eine Saison lang das Tourismusgeschäft in fünf US-Bundesstaaten. Bis heute soll gut ein Drittel des ausgelaufenen Öls unter der Wasseroberfläche herumschwimmen.
BP zahlte eine Strafe von 4,5 Milliarden Dollar, dazu 43 Milliarden Dollar Schadensersatz, Säuberungsaufwand und Gerichtskosten, weitere 18 Milliarden Dollar könnten folgen. Der Jahresgewinn von BP aber ist mit zuletzt 25 Milliarden Dollar inzwischen wieder so hoch wie vor der Katastrophe.
Auch Hayward fiel auf die Füsse, trotz all seiner Fehltritte während der Ölpest. Von BP bekam er 1,5 Millionen Dollar Abfindung zugeschustert – und eine Pension von 17 Millionen Dollar. Er ging bergsteigen und skilaufen, doch der Zwangsruhestand hielt nicht lange.
2011 kehrte Hayward ins Ölgeschäft zurück. Gemeinsam mit dem türkischen Milliardär Mehmet Sepil – der 2010 in Grossbritannien wegen Insiderhandels bestraft wurde – und befreundeten Investoren gründete er die Firma Genel Energy, um im kurdischen Norden des Iraks Öl zu fördern.
Dieses Abenteuer wurde zuletzt zwar vom Durchmarsch der Terrormiliz "Islamischer Staat« (IS) gestört. Doch Hayward stört das wenig: Genel habe im Irak eine »grossartige Zukunft«, versicherte er der »Financial Times« – deren Reporter wiederum staunte, wie »relaxt, gebräunt und verjüngt" der 57-Jährige aussehe.
In der Tat steigt Genels Aktienkurs seit seinem Jahrestief von Mitte Oktober derzeit wieder. Haywards Rehabilitation ist in vollem Gang – zumindest in seiner alten Branche. «Die Leute wissen, dass er ein Sündenbock war, das Opferlamm», sagt Fadel Gheit, ein Ölanalyst beim US-Investmenthaus Oppenheimer.
Seit 2013 hat Hayward noch einen zweiten Job, als Chairman des Schweizer Rohstoffriesen Glencore – für ein Salär von abermals mehr als einer Million Dollar. Déjà-vu: Dieser Konzern gibt seine Umweltsünden sogar offen zu, darunter Trinkwasserverseuchung und das Ablassen von Giftstaubwolken. Hayward sitzt bei Glencore auch im Umwelt- und Gesundheitsausschuss.
Nebenher verdient er sich als Experte und Berater etwas hinzu, etwa bei der US-Finanzfirma AEA Investors und der Londoner Investmentbank Numis Securities. «Meine Karriere sollte nicht von einem tragischen Ereignis definiert werden», sagte Hayward, als ihm die schottische Robert Gordon University im Juli vorigen Jahres einen Ehrendoktor verlieh – für seine «enormen Beiträge um die Öl- und Gasindustrie».
Doch nicht alle sehen das so. Eine Rede Haywards vor der Birmingham University lief weniger glatt: Mehrere Protestler störten seinen Auftritt lautstark, bevor sie von Sicherheitsbeamten abgeführt wurden.
Und Haywards Gattin Maureen, die ihn während der «Deepwater Horizon»-Krise noch vehement verteidigt hatte, reichte im Dezember 2012 die Scheidung ein, nach 27 Jahren Ehe – wegen «unzumutbaren Verhaltens». Ihr Scheidungsantrag wurde innerhalb von 50 Sekunden genehmigt.