Eine ganze Nacht lang war eine hochauflösende Infrarotkamera des Riesenteleskops VLT in Chile auf ein einziges Objekt gerichtet, obwohl Beobachtungszeit bei der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem Berg Paranal sehr kostbar ist. Mit Hilfe der Daten, die das Instrument namens Naco dabei sammelte, konnte ein internationales Team unter der Leitung von Sascha Quanz von der ETH Zürich seine früher aufgestellte Hypothese bestätigen: Ein junger, gasförmiger Planet – der unserem Jupiter wahrscheinlich nicht unähnlich sein dürfte – umkreist den Stern mit der Bezeichnung HD 100546.
In astronomischen Massstäben gilt HD 100546 mit einem Alter von fünf bis zehn Millionen Jahren als jung und zählt mit einer Entfernung von «nur» 335 Lichtjahren zu unserer kosmischen Nachbarschaft. Wie viele junge Sterne ist er von einer grossen Gas- und Staubscheibe umgeben. In deren äusseren Region befindet sich der junge Planet, etwa 50 Mal weiter entfernt von seinem Mutterstern, als die Erde von der Sonne.
Bereits 2013 hatte das Team eine erste Forschungsarbeit veröffentlicht, in der es die Existenz dieses jungen Planeten vermutete. Damals diskutierten die Forscher aber noch eine andere Erklärung für die gesammelten Daten: Beim beobachteten Objekt könnte es sich auch um einen zwar bedeutend grösseren, jedoch älteren Riesenplaneten handeln, der weiter innen in der zirkumstellaren Scheibe gebildet und hinausgeschleudert wurde. «Ganz ausschliessen können wir dieses Szenario noch immer nicht», gibt Sascha Quanz zu. «Aber es ist sehr viel unwahrscheinlicher als unsere Erklärung, dass es sich dabei um einen entstehenden Planeten handelt.»
Wäre das Objekt früher weiter innen entstanden, hätte es genau in der Ebene der Gas- und Staubscheibe herausgeschleudert werden müssen, und zwar zum richtigen Zeitpunkt, so dass es die Forscher jetzt beobachten konnten. «Das wäre ein sehr grosser Zufall», sagt Sascha Quanz. Deshalb bevorzuge man die naheliegende Interpretation, die in diesem Fall schon exotisch genug sei. Aufgrund der neuen Beobachtungen sind die Forscher zudem sicher, dass das gemessene Signal nicht von einer Hintergrundquelle stammen kann. «Am besten erklären lassen sich die beobachteten Eigenschaften tatsächlich mit einem neu entstehenden Planeten, eingebettet in die Scheibe um seinen Mutterstern», so das Fazit der Studie, die im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts «PlanetS» entstanden ist und jetzt in der Fachzeitschrift «Astrophysical Journal» veröffentlicht wird.
Der Planet – HD 100546 b genannt – ist das erste derartige Objekt, das bisher entdeckt wurde. «Es liefert uns einzigartige Beobachtungsdaten zum Entstehungsprozess eines riesigen Gasplaneten», sagt Sascha Quanz. Wie, wo und wann in den Scheiben um junge Sterne Riesenplaneten geformt werden, untersuchte man bisher vor allem theoretisch oder mit Hilfe von Computersimulationen. «Jetzt haben wir ein ‹Labor›, aus dem wir empirische Informationen beziehen können», erklärt der ETH-Forscher.
Andere Astronomen haben zwar inzwischen zwei weitere junge Sterne gefunden, von denen man annimmt, dass sie junge Riesenplaneten beherbergen, doch diese Objekte scheinen in einem etwas späteren Entwicklungsstadium zu sein: Auf ihren Umlaufbahnen haben sie bereits grosse Lücken in den Scheiben, in die sie eingebettet sind, hinterlassen. Solche Leerstellen fehlen in der Umgebung von HD 100546 b.
«Unser Objekt befindet sich noch immer im Entstehungsprozess und scheint immer noch von sehr viel Staub und Gas umgeben zu sein», sagt Sascha Quanz. Neben der zirkumstellaren Scheibe um den Stern könnte es also eine kleinere, zirkumplanetare Scheibe geben, die den neu entstehenden Planeten umgibt.
Aufgrund der Beobachtungen in drei verschiedenen Wellenlängenbereichen konnten die Forscher eine erste Schätzung der Temperatur und Grösse des Objekts ableiten. Danach scheint es in einem Gebiet, dessen Durchmesser sieben Jupiterdurchmessern entspricht, im Mittel über 600 Grad Celsius heiss zu sein. Dass die Wärmestrahlung aus einem so grossen Bereich stammt, spricht dafür, dass es sich bei der Quelle um eine Kombination von einem jungen Planeten und einer zirkumplanetaren Scheibe handelt. Künftige Beobachtungen mit dem Radioteleskop Alma in der chilenischen Atacama-Wüste sollen bestätigen, dass der entstehende Planet tatsächlich selbst von einer Scheibe umgeben wird, und Hinweise auf deren Masse und Ausmass liefern.
Und vielleicht wird HD 100546 für noch mehr Erkenntnisse sorgen: Aufgrund früherer Beobachtungen des Sterns vermuten die Astronomen, dass ein zweiter Planet um ihn kreisen könnte. Er wäre dem Stern ungefähr fünfmal näher als der jetzt nachgewiesene junge Planet. Möglicherweise können die Astronomen also sogar die Entstehung von mehreren Planeten im gleichen System beobachten. Allerdings muss die Existenz des zweiten, inneren Planeten noch gesichert werden. Überraschend wäre sie nicht: Viele der bisher fast 2000 entdeckten Exoplaneten gehören zu einem System mit mehreren Planeten – wie unser Sonnensystem. (ethz)