Während der Coronapandemie zeigte sich klar: Menschen aus wohlhabenden Quartieren erkrankten seltener schwer an Covid-19, mussten seltener hospitalisiert werden und starben auch seltener daran als Personen mit tiefem sozioökonomischem Status. Die Untersuchung der Universität Bern bestätigte damit frühere Studien, wonach marginalisierte Gruppen bei Seuchenausbrüchen besonders verwundbar sind. Wer wenig verdient, lebt oft auf engem Raum, kann sich schlechter isolieren – und Krankheitserreger verbreiten sich dort schneller.
Ein Forschungsteam des Complexity Science Hub (CSH) in Wien hat nun ein Computermodell entwickelt, das nicht nur sozioökonomische Unterschiede berücksichtigt, sondern auch die soziale Durchmischung in Städten – und deren Einfluss auf die Dynamik von Epidemien. Die Simulation, gespeist mit Daten aus über 400 Städten, bildet soziale Kontakte, Entscheidungsverhalten und deren epidemiologische Folgen ab.
Resultat: Eine strikte Trennung von sozialen Gruppen reduziert die Übertragungen nicht, wie man annehmen könnte, sondern: «Laut unserem Modell führt hohe Segregation zu einer explosionsartigen Ausbreitung der Krankheit», lässt sich Erstautorin und Modelliererin Sina Sajjadi in einer Mitteilung zitieren. In durchmischten Quartieren hingegen breiten sich Krankheiten deutlich langsamer aus, wie die Forschenden im Fachblatt «Scientific Reports» berichten.
Ein Grund für diese Dynamik: In einer ersten Welle stecken sich vor allem Menschen mit geringem Einkommen an. In diesen «Clustern» verbreitet sich das Virus schnell. Es bleibt aber nicht, sondern greift schnell einmal auf andere Bevölkerungsschichten über. Hinzu kommt: Sobald die Fallzahlen sinken, wiegen sich Menschen, die sich zuvor isolieren konnten, in falscher Sicherheit. Sie nehmen frühzeitig wieder am öffentlichen Leben teil, was den Boden für neue Ausbrüche bereitet.
Soziale Durchmischung hingegen wirkt wie ein Puffer. Wenn sich Menschen mit höherem Einkommen aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, sinkt damit auch das Risiko für ihre ärmeren Nachbarinnen und Nachbarn – weil insgesamt weniger Kontakte stattfinden. So folgern die Forschenden: Städte, in denen verschiedene soziale Gruppen miteinander leben, schützen sich besser gegen Epidemien und mindern gesundheitliche Folgen von Krisen. (aargauerzeitung.ch)