Riesige Tanklager, Logistikfirmen, Engros-Bauhändler, Güterbahnanlagen, so weit das Auge reicht – der Birsfelder Rheinhafen ist ein eigenartiges, ziemlich unromantisches Sammelsurium. Sattelschlepper schnauben vorbei, eine Diesellok zieht träge einige Kesselwagen zu einer Abfüllanlage. In Birsfelden wird ein grosser Teil der Schweizer Ölimporte umgeschlagen. Ein Petrolgeruch liegt in der Luft. Doch nur wenige Meter weiter duftet es angenehmer: hier rösten Delica, ein Tochterunternehmen der Migros, und Bertschi ihren Kaffee.
Nur der Name der Sternenfeldstrasse erinnert an die Zeiten, als in dieser Gegend die Menschen ihre Hälse nach oben reckten; nicht zu den Sternen, sondern zu den Aeroplanen, diesen verrückten Flugmaschinen, die damals für Aufsehen sorgten. Am 12. September 1920, also mittlerweile hundert Jahren, wurde zur Einweihung des Flugfeldes die grosse Eröffnungsflugschau inszeniert. In seinem Buch «Vom Ballon zum Jet» erinnert sich der Aviatikpionier Eugen Dietschi: «Als Erster landete auf dem Sternenfeld am Sonntagvormittag der Oltner Fliegerleutnant Max Cartier. Er hatte mich – seinen Schulkameraden – eingeladen, ihn auf dieser Premiere zu begleiten. In einer knappen halben Stunde flogen wir von Dübendorf nach Basel, führten eine weit ausholende Schleife über der Rheinstadt aus, um dann zur Landung anzusetzen. Das Sternenfeld hat seine Landetaufe empfangen.»
Ein paar Flugverrückte gründeten den Verein Aviatik beider Basel, und schon nach drei Jahren betrieb die Handley Page Aircraft Company (später Imperial Airways) vom Londoner Croydon Airport aus regelmässigen Linienverkehr. Die belgische Sabena flog von Amsterdam via Brüssel nach Basel. Es folgte die Badisch-Pfälzische Luftverkehrsgesellschaft, die den Liniendienst Frankfurt-Mannheim-Karlsruhe-Freiburg-Basel tätigte.
Auch in den Folgejahren wurde mit Flugmeetings und Lotterien Geld gesammelt, um die Infrastruktur des Flugplatzes finanzieren zu können. Die Betreiberin des Sternenfeldes war ab 1924 die gemischtwirtschaftliche Flugplatzgenossenschaft Aviatik beider Basel.
Das Sternenfeld schrieb schweizerische Luftfahrtgeschichte. 1925 wurde die Balair gegründet, welche mit fünf von KLM erworbenen Fokker-Flugzeugen F-III an den Start ging. Später schloss sich die damalige erste Balair mit der Zürcher Luftverkehrsgesellschaft Ad Astra Aero zur Swissair zusammen. Die Nachfrage war da und stieg zusehends. 1926 landeten bereits sieben Fluggesellschaften auf den Rasenpisten, der Flugplatz erwies sich bald als zu klein. Bis 1927 entstanden ein neues Stationsgebäude und ein grösserer Hangar.
Der Flugverkehr nahm laufend zu, und das Sternenfeld war 1939 mit einem Marktanteil von rund einem Drittel am schweizerischen Luftverkehr der zweitgrösste Flugplatz der Schweiz. «Basel hatte eine Stellung erreicht, die es später nie mehr erreichen konnte», schreibt Peter F. Peyer in seiner Flughafengeschichte «Vom Sternenfeld zum Euro-Airport Basel-Mulhouse-Freiburg». Das Liniennetz reichte damals von Marseille im Süden bis nach London im Norden und Wien im Osten. Bis zum Ausbruch des Weltkriegs wurden vom Sternenfeld aus 13 Liniendestinationen bedient.
Doch Zürich hatte die besseren Karten. Mit der Planung des Interkontinental-Flughafens bei Kloten war 1944 das Schicksal des Sternenfelds besiegelt. Die Entwicklungsmöglichkeiten in Birsfelden waren beschränkt: Im Norden der Rhein, im Osten der Wald, im Westen das Dorf und die Stadt. Zudem war der neue Birsfelder Rheinhafen in Planung. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von lokalen Politikern der Bau eines alternativen Flugplatzes ins Auge gefasst. Die meistdiskutierten Varianten waren:Birsfelder Hard: Das Projekt wäre dem Sternenfeld geografisch am nächsten gewesen. Doch es hätte die praktisch vollständige Rodung des Hardwaldes erfordert. Schon damals wurde das mehrheitlich als ein Unding angesehen und hatte politisch keine Chance.
Neuallschwil-Burgfelden: Der Flugplatz wäre direkt auf die Landesgrenze gebaut worden – zu nahe an der Stadt.
Bruderholz: Dieses Vorhaben hätte grossflächige Planierungsarbeiten erfordert. Es bestand zudem hohes Unfallrisiko wegen Böschungen. Ein Projekt auf der Binninger Höhe namens Paradieshof hätte ähnliche Probleme aufgeworfen.
Das Rennen machte Blotzheim in Frankreich. Am 8. März 1946 erfolgte der erste Spatenstich. Vom Sternenfeld nahm die Fliegerei im August 1950 Abschied. Fortan gab Zürich den Takt an.
Die mit der Ad Astra zwangsfusionierte Balair war aus Basel verschwunden. Als Sitz der neuen Gesellschaft, der Swissair, wurde Zürich gewählt. Der zweiten Balair erging es ähnlich. Sie wurde 1948 vom Aero-Club Sektion Basel ins Leben gerufen und war zunächst eher Dienstleisterin (Abfertigung, Schulung, Taxi-, Rund- und Fotoflüge). Erst 1957 stieg sie ins Chartergeschäft ein. 1959 beteiligte sich Swissair mit 40 Prozent an Balair. 1993 wurde sie mit der CTA, der zweiten Chartergesellschaft der Swissair, fusioniert.
Eine Reminiszenz aus der Sternenfeld-Zeit hat eins zu eins überlebt: der sogenannte Lucky-Strike-Hangar. Er wurde in Birsfelden ab- und auf dem Flugplatz Blotzheim wieder aufgebaut. Die coole Zigarettenwerbung der 1950er-Jahre ist immer noch zu sehen.
Mehr atemberaubende Bilder aus der Geschichte:
Das Birsfelder Museum an der Schulstrasse 29 plant im kommenden Jahr eine grössere Ausstellung zum Sternenfeld. Es dürfte eine spannende Zeitreise werden.
Allerdings graut mir bei solchen Nostalgiebildern immer mehr vor einer total überbauten Schweiz. Wahnsinn, dieser Landfrass.