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Manche Graffiti sind wahre Kunstwerke. Andere sind üble Schmierereien. Schönheit liegt hier, wie so oft, im Auge des Betrachters. Doch an vielen Orten sind Graffiti, seien sie nun beeindruckend oder ärgerlich, schlicht unerwünscht. Für solche Fälle entwickelt ein Team von Forschern des Grazer Joanneum Research ein neues Überwachungssystem. Das Besondere daran: Es reagiert auf akustische Reize.
Während Kameras bei schlechten Sichtverhältnissen, zum Beispiel bei Dunkelheit oder Nebel, nicht mehr viel erkennen, spielt das für die Sensoren des akustischen Monitoringsystems keine Rolle. «Unser System hört auch um die Ecke», sagt Franz Graf, Leiter der Forschungsgruppe «Intelligente Akustische Lösungen», die die Analyse-Software entwickelt hat.
Wie funktioniert das akustische System?
Franz Graf: Es erkennt mithilfe sensibler Sensoren und einer am Joanneum Research entwickelten Analyse-Software bestimmte akustische Muster. Das sind in diesem Fall Sprühgeräusche und das charakteristische Klackern der Mischkugel in der Spraydose.
Und dann?
Dann wird ein Alarm ausgelöst. Der kann an eine Leitzentrale gehen oder auch an ein Mobiltelefon. Was dann geschieht, ist je nach Auftraggeber unterschiedlich: Der Alarm kann direkt an die Polizei weitergeleitet werden, zum Beispiel bei Nahverkehrsbetreibern. Oder es kann ein Mechanismus aktiviert werden, der auf dem Gelände alle Scheinwerfer einschaltet. Möglich ist auch eine automatische Warnung über Lautsprecher, beispielsweise: «Achtung, die Polizei ist alarmiert worden!»
Wie hoch ist denn die Fehlerquote?
Man kann es so sagen: Wenn es ein Mensch hören würde, hört es das System auch. Ein Sensor deckt etwa eine Länge von 40 Metern ab. Störgeräusche können die Wahrnehmung vermindern oder verhindern. Ein lauteres Geräusch, zum Beispiel ein vorbeifahrender Lastwagen, kann das fragliche Geräusch «maskieren», wie der Fachbegriff lautet.
Die Sprayer lassen sich bestimmt etwas einfallen, um das Sysem auszutricksen.
Nun, sie können das Klacker-Geräusch natürlich vermeiden, wenn sie die Spraydose vorher gut schütteln und dann die Kugel mit einem an der Dose befestigten Magneten fixieren. Das Klackern allein verrät allerdings noch nicht unbedingt eine strafbare Handlung. Ich kann mit einer Spraydose durch die Stadt gehen und die ständig schütteln, ohne dass ich mich strafbar mache. Das ist beim Sprühgeräusch anders.
Wofür dann das Klackern überhaupt erkennen?
Manche Auftraggeber wünschen sich eine Art Vor-Alarm, bevor das eigentliche Sprayen beginnt. Wenn dann sofort das Licht angeht oder sonst eine Warnung erfolgt, flüchtet der Sprayer vielleicht, bevor er richtig angefangen hat.
Wie sind Sie denn überhaupt auf die Idee gekommen, so ein System zu entwickeln?
Wir forschen schon seit 15 Jahren an akustischen Lösungen für verschiedene Problembereiche. Akustisches Monitoring erfüllt ähnliche Aufgaben wie Videokameras, aber eben akustisch. Warum also Sprayer-Aktivitäten nicht auch akustisch überwachen? Sprayen verursacht hohe Schäden. Ich bin nicht ganz sicher, ob die Zahl stimmt, aber so viel ich weiss, gibt es in Europa pro Jahr Graffiti-Schäden in der Höhe von 185 Millionen Euro.
Und wer interessiert sich denn für Ihre Lösung?
Vornehmlich Nahverkehrsbetreiber. Dann Hersteller von Eisenbahnwaggons. Und die Bahn. Die Bahn hat ein starkes Interesse an der Bekämpfung von Sprayereien. Passagiere steigen nicht gern in versprayte Waggons ein.
Wann kommt die Praxisreife, bei der sich die Sprayer warm anziehen müssen?
Bisher ist das akustische Monitorsystem erst im Labor getestet worden. Im Frühjahr 2016 folgen dann reale Tests in der Praxis.
Gibt es noch weitere Anwendungen für akustisches Monitoring?
In der Tat. Zum Beispiel Qualitätsüberprüfung im Industriebereich. Oder bei der Verkehrsüberwachung.
Akustische Verkehrsüberwachung?
Exakt. In Strassentunnels ist diese Methode besonders vorteilhaft. Wenn in einem Tunnel ein Auto in Brand gerät, ist eine Kamera durch den Rauch innerhalb von wenigen Sekunden blind. Mikrofone dagegen – sie werden alle 100 oder 120 Meter installiert – können dann immer noch Schreie orten.
Was für Geräusche erkennt denn so ein System in einem Tunnel?
Es handelt sich um eine ganze Palette, darunter Unfallgeräusche, Reifenquietschen oder auch Türenschlagen. Türenschlagen bedeutet, dass jemand im Tunnel sein Fahrzeug verlassen hat. Der Operator wird in einem solchen Fall nach einer Sekunde alarmiert.
Die Schweiz ist ein Tunnelland. Ist Ihre akustische Verkehrsüberwachung hier schon irgendwo installiert?
Nein, bisher leider nicht. Wir werden in den nächsten Monaten unsere Fühler aber auch in Richtung Schweiz ausstrecken.
Zurück zu den Graffiti: Haben Sie etwas gegen diese Kunstform?
Persönlich unterscheide ich sehr wohl zwischen kunstvollen Graffiti und Schmierereien. In Graz gibt es zum Beispiel eine eigene Wand, da können Jugendliche ihre Kunstwerke draufsprayen. Ich hab sehr bewundert, was die da zum Teil gemacht haben. Dort, wo's erlaubt ist, hab ich keine Probleme mit Graffiti. An Schmierereien an meinem eigenen Haus hätte ich dagegen keine Freude.
Bestimmt kennen Sie George Orwells Dystopie «1984». Fürchten Sie nicht manchmal, dass Sie am Aufbau eines Überwachungsstaats mitarbeiten?
Ich hatte bisher nicht das Gefühl am Aufbau eines Überwachungsstaats mitzuhelfen. Unsere Anwendungen sind breit gestreut und werden zumeist nicht an öffentlichen Plätzen installiert. Die Graffiti-Detektion bildet da die Ausnahme. Aber auch da geht es nicht darum, dass unbescholtene Bürger ausspioniert werden. Es wird lediglich ein spezielles Geräusch erkannt, das eine strafbare Handlung darstellt. Bei den anderen Anwendungen – zum Beispiel dem Akustischen Tunnelmonitoring – geht es darum, Tunnels sicherer zu machen, Menschenleben zu retten und menschliches Leid sowie auch den volkswirtschaftlichen Schaden zu minimieren.