Wenn wir – bei gutem Wetter und ohne Lichtverschmutzung – in den Nachthimmel schauen, sehen wir Tausende Sterne. Doch daneben gibt es noch zahllose Objekte, die für unsere Augen nicht sichtbar sind, weil ihre Strahlung nicht im Bereich des sichtbaren Lichts erfolgt. Ein Beispiel dafür sind Radio- oder Röntgenemissionen. Zu diesen Objekten gehört auch ASKAP J1832-0911, das etwa 15'000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist – das ist ziemlich weit, aber immer noch innerhalb unserer Galaxie, der Milchstrasse.
ASKAP J1832-0911 ist ein stellares Objekt, das aufgrund seiner ungewöhnlichen Eigenschaften anders ist als alle Objekte, die bisher entdeckt wurden: Es sendet alle 44 Minuten zwei Minuten lang synchron Impulse in zwei verschiedenen Frequenzbereichen, nämlich im Radiowellen- und Röntgenbereich. Die Astronomen stehen vor einem Rätsel – «Das Objekt ähnelt nichts, was wir zuvor gesehen haben», erklärt Ziteng Wang von der australischen Curtin-Universität in Perth, dessen Team das Objekt entdeckt und in einer Studie im Wissenschaftsmagazin «Nature» vorgestellt hat.
Nun sind Objekte, die Radiowellen emittieren, nichts grundlegend Neues. Bereits in den 1950er-Jahren hat man den Begriff «Quasar» für Objekte geprägt, die Strahlung im Radiowellenbereich aussenden und von denen mittlerweile bekannt ist, dass es sich um den hellen Kern einer Galaxie handelt, in deren Zentrum sich ein superschweres Schwarzes Loch befindet. Auch Neutronensterne und sogenannte Pulsare emittieren Radiowellen (siehe Infobox unten).
2007 wurden extrem kurze Radioblitze entdeckt, sogenannte Fast Radio Bursts (FRBs), die in kurzen Intervallen immer wieder aufblitzen. Ihre Quelle sind vermutlich Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern, die als «Magnetare» bezeichnet werden. Und erst vor drei Jahren entdeckte ein Forschungsteam der Curtin-Universität das erste Exemplar einer Klasse von Objekten, die aufgrund ihrer lang anhaltenden Radioemissionen «Long-Period Transients» (LPTs) genannt werden. Bisher wurden zehn dieser rätselhaften Objekte entdeckt, bei denen noch unklar ist, was sie eigentlich sind und wie sie ihre ungewöhnlichen Signale erzeugen.
Auch ASKAP J1832-0911 ist ein LPT, sendet jedoch auch synchron im Röntgenbereich. Entdeckt wurde das Objekt Ende 2023 mit dem ASKAP-Radioteleskop, das vom australischen Forschungsinstitut CSIRO betrieben wird. Weitere Beobachtungen mit anderen Teleskopen auf der ganzen Welt zeigten, dass die Radioimpulse regelmässig auftraten und es sich bei ASKAP J1832-0911 demnach um ein LPT handeln musste.
Das Forschungsteam durchsuchte darauf auch ältere Daten von Radioteleskopen, wie Hauptautor Wang in einem Gastbeitrag auf der Plattform «The Conversation» berichtet. Und fand nichts. Dies deute darauf hin, stellt Wang fest, dass kurz vor der ersten Entdeckung etwas Dramatisches geschehen sei – etwas, das stark genug war, um das Objekt plötzlich «einzuschalten».
Im Februar 2024 sei ASKAP J1832-0911 «extrem aktiv» geworden, schreibt Wang. Die Aufhellung sei so dramatisch gewesen, dass weniger als 30 Objekte am Himmel jemals eine solche Helligkeit im Radiowellenbereich erreicht hätten – die meisten Sterne, die in diesem Frequenzbereich beobachtet würden, seien etwa 10'000 Mal schwächer als ASKAP J1832-0911 während dieses Aufflammens.
Zufällig hatte während dieser aktiven Phase auch das Chandra-Röntgenteleskop der NASA denselben Himmelsausschnitt im Blick und empfing deutliche Röntgensignale des Objekts, obwohl es auf ein anderes Ziel gerichtet war. Während das ASKAP-Radioteleskop einen weiten Blickwinkel auf den Nachthimmel hat, erfasst das Chandra-Teleskop nur einen Bruchteil davon.
«Es war also ein Glücksfall, dass Chandra denselben Bereich des Nachthimmels zur selben Zeit beobachtete», betont Wang in einer Mitteilung der Curtin-Universität. Die Entdeckung der Röntgenstrahlung sei wie der Fund der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen gewesen. Es ermöglichte den gleichzeitigen Nachweis beider Signalarten. Auffällig ist allerdings, dass die Röntgensignale nicht immer vorhanden waren. Sie traten nur während einer Zeitspanne auf, in der auch die Radiosignale aussergewöhnlich stark waren.
Derzeit gibt es keine eindeutige Erklärung dafür, was diese Signale auslöst oder warum sie sich in so langen, regelmässigen und ungewöhnlichen Abständen ein- und ausschalten. Wang und sein Team vermuten, es könne sich entweder um einen Magnetar handeln oder um ein Doppelsternsystem, bei dem einer der beiden Sterne ein Weisser Zwerg mit einem extrem starken Magnetfeld am Ende seiner Lebenszeit ist. Letztere Vermutung basiert auf einer früheren Entdeckung eines LPT, bei dem die Astronomen davon ausgehen, dass die langen Radioblitze durch magnetische Wechselwirkungen zwischen einem Weissen Zwerg und einem ihn eng begleitenden Roten Zwerg erzeugt werden.
«Doch selbst diese Theorien erklären nicht vollständig, was wir beobachten», räumt Wang ein. ASKAP J1832-0911 passe in keine der bekannten Kategorien von Objekten in unserer Galaxie. Sein Verhalten sei zwar in mancher Hinsicht ähnlich, aber dennoch untypisch. In jedem Fall zeige die neue Entdeckung, dass LPTs viel höhere Energie hätten als bisher angenommen. «Diese Entdeckung könnte auf eine neue Art von Physik oder neue Modelle der Sternentwicklung hinweisen», schreibt Wang.
Da ASKAP J1832-0911 vermutlich kein Einzelfall ist, könnten weitere Beobachtungen in den nächsten Jahren wohl Klarheit verschaffen. Wang: «Es ist möglich, dass es sich um ein völlig neues Objekt handelt oder dass es Radiowellen auf eine Weise aussendet, die wir noch nie zuvor gesehen haben.»
Enorm spannend, die Sache. Und das ganz fand vor 15'000 Jahren statt, also zu dem Zeitpunkt, als die letzte Eiszeit langsam zu Ende ging die Menschen als Jäger und Sammler in Europa verteilten.