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Mysteriöses Objekt im All blinkt alle 44 Minuten

An image of the sky showing the region around ASKAP J1832-0911. The yellow circle marks the position of the newly discovered source. This image shows X-rays from NASA’s Chandra X-ray Observatory, radi ...
Das rätselhafte Objekt ASKAP J1832-0911 ist rund 15'000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Bild: Ziteng (Andy) Wang, ICRAR

Mysteriöses Objekt im All blinkt alle 44 Minuten

04.06.2025, 19:5005.06.2025, 07:57
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Wenn wir – bei gutem Wetter und ohne Lichtverschmutzung – in den Nachthimmel schauen, sehen wir Tausende Sterne. Doch daneben gibt es noch zahllose Objekte, die für unsere Augen nicht sichtbar sind, weil ihre Strahlung nicht im Bereich des sichtbaren Lichts erfolgt. Ein Beispiel dafür sind Radio- oder Röntgenemissionen. Zu diesen Objekten gehört auch ASKAP J1832-0911, das etwa 15'000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist – das ist ziemlich weit, aber immer noch innerhalb unserer Galaxie, der Milchstrasse.

ASKAP J1832-0911 ist ein stellares Objekt, das aufgrund seiner ungewöhnlichen Eigenschaften anders ist als alle Objekte, die bisher entdeckt wurden: Es sendet alle 44 Minuten zwei Minuten lang synchron Impulse in zwei verschiedenen Frequenzbereichen, nämlich im Radiowellen- und Röntgenbereich. Die Astronomen stehen vor einem Rätsel – «Das Objekt ähnelt nichts, was wir zuvor gesehen haben», erklärt Ziteng Wang von der australischen Curtin-Universität in Perth, dessen Team das Objekt entdeckt und in einer Studie im Wissenschaftsmagazin «Nature» vorgestellt hat.

Nun sind Objekte, die Radiowellen emittieren, nichts grundlegend Neues. Bereits in den 1950er-Jahren hat man den Begriff «Quasar» für Objekte geprägt, die Strahlung im Radiowellenbereich aussenden und von denen mittlerweile bekannt ist, dass es sich um den hellen Kern einer Galaxie handelt, in deren Zentrum sich ein superschweres Schwarzes Loch befindet. Auch Neutronensterne und sogenannte Pulsare emittieren Radiowellen (siehe Infobox unten).

2007 wurden extrem kurze Radioblitze entdeckt, sogenannte Fast Radio Bursts (FRBs), die in kurzen Intervallen immer wieder aufblitzen. Ihre Quelle sind vermutlich Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern, die als «Magnetare» bezeichnet werden. Und erst vor drei Jahren entdeckte ein Forschungsteam der Curtin-Universität das erste Exemplar einer Klasse von Objekten, die aufgrund ihrer lang anhaltenden Radioemissionen «Long-Period Transients» (LPTs) genannt werden. Bisher wurden zehn dieser rätselhaften Objekte entdeckt, bei denen noch unklar ist, was sie eigentlich sind und wie sie ihre ungewöhnlichen Signale erzeugen.

Pulsare, Magnetare und Quasare
Nach einer Supernova-Explosion eines massereichen Sterns bleibt ein Neutronenstern zurück, der bis zu drei Sonnenmassen komprimiert auf kleinstem Raum (etwa 10 bis 20 km Durchmesser) enthält. Ein Pulsar (von engl. puls(ating st)ar) ist ein sehr schnell rotierender, stark magnetisierter Neutronenstern, der seine Strahlung in einem engen Lichtkegel abgibt – vergleichbar mit einem Leuchtturm. Ein Magnetar ist eine spezielle Form eines Pulsars, der ein abnorm starkes Magnetfeld – tausendmal stärker als sonst bei Neutronensternen – besitzt.
Ein Quasar (von engl. quasi-stellar radio source) ist dagegen kein Stern, sondern das extrem helle, aktive Zentrum einer Galaxie, in der ein supermassereiches Schwarzes Loch grosse Mengen an Materie verschlingt. Diese heizt sich vor dem Sturz ins Schwarze Loch stark auf und gibt daher eine intensive Strahlung ab. Quasare gehören zu den leuchtkräftigsten Objekten im All.

Auch ASKAP J1832-0911 ist ein LPT, sendet jedoch auch synchron im Röntgenbereich. Entdeckt wurde das Objekt Ende 2023 mit dem ASKAP-Radioteleskop, das vom australischen Forschungsinstitut CSIRO betrieben wird. Weitere Beobachtungen mit anderen Teleskopen auf der ganzen Welt zeigten, dass die Radioimpulse regelmässig auftraten und es sich bei ASKAP J1832-0911 demnach um ein LPT handeln musste.

CSIRO’s ASKAP radio telescope on Wajarri Yamaji Country in Australia.
Das Radioteleskop ASKAP im Westen Australiens, mit dem ASKAP J1832-0911 entdeckt wurde.Bild: CSIRO

Das Forschungsteam durchsuchte darauf auch ältere Daten von Radioteleskopen, wie Hauptautor Wang in einem Gastbeitrag auf der Plattform «The Conversation» berichtet. Und fand nichts. Dies deute darauf hin, stellt Wang fest, dass kurz vor der ersten Entdeckung etwas Dramatisches geschehen sei – etwas, das stark genug war, um das Objekt plötzlich «einzuschalten».

Im Februar 2024 sei ASKAP J1832-0911 «extrem aktiv» geworden, schreibt Wang. Die Aufhellung sei so dramatisch gewesen, dass weniger als 30 Objekte am Himmel jemals eine solche Helligkeit im Radiowellenbereich erreicht hätten – die meisten Sterne, die in diesem Frequenzbereich beobachtet würden, seien etwa 10'000 Mal schwächer als ASKAP J1832-0911 während dieses Aufflammens.

Zufällig hatte während dieser aktiven Phase auch das Chandra-Röntgenteleskop der NASA denselben Himmelsausschnitt im Blick und empfing deutliche Röntgensignale des Objekts, obwohl es auf ein anderes Ziel gerichtet war. Während das ASKAP-Radioteleskop einen weiten Blickwinkel auf den Nachthimmel hat, erfasst das Chandra-Teleskop nur einen Bruchteil davon.

NASA s Chandra X-ray Observatory as it may appear at about 50,000 miles from the Earth, nearly twice as high as Earth-orbiting geosynchronous satellites. In this image the Chandra X-ray Observatory re ...
Darstellung des Chandra-Röntgenteleskops. Da Röntgenstrahlen die Erdatmosphäre nicht durchdringen können, sind Röntgenteleskope im All positioniert.Bild: imago stock&people

«Es war also ein Glücksfall, dass Chandra denselben Bereich des Nachthimmels zur selben Zeit beobachtete», betont Wang in einer Mitteilung der Curtin-Universität. Die Entdeckung der Röntgenstrahlung sei wie der Fund der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen gewesen. Es ermöglichte den gleichzeitigen Nachweis beider Signalarten. Auffällig ist allerdings, dass die Röntgensignale nicht immer vorhanden waren. Sie traten nur während einer Zeitspanne auf, in der auch die Radiosignale aussergewöhnlich stark waren.

Vergleich der Radio- und Röntgensignale von ASKAP J1832-0911.
Der Vergleich der Radio- und Röntgensignale von ASKAP J1832-0911 zeigt die Gleichzeitigkeit der Strahlungspulse.Grafik: Ziteng (Andy) Wang, ICRAR

Derzeit gibt es keine eindeutige Erklärung dafür, was diese Signale auslöst oder warum sie sich in so langen, regelmässigen und ungewöhnlichen Abständen ein- und ausschalten. Wang und sein Team vermuten, es könne sich entweder um einen Magnetar handeln oder um ein Doppelsternsystem, bei dem einer der beiden Sterne ein Weisser Zwerg mit einem extrem starken Magnetfeld am Ende seiner Lebenszeit ist. Letztere Vermutung basiert auf einer früheren Entdeckung eines LPT, bei dem die Astronomen davon ausgehen, dass die langen Radioblitze durch magnetische Wechselwirkungen zwischen einem Weissen Zwerg und einem ihn eng begleitenden Roten Zwerg erzeugt werden.

Künstlerische Darstellung eines Weisser-Zwerg-Pulsars: In diesem Doppelsternsystem beschleunigt ein sich schnell um seine eigene Achse drehender Weisser Zwerg (rechts) Elektronen auf nahezu Lichtgesch ...
Künstlerische Darstellung eines Weisser-Zwerg-Pulsars: In diesem Doppelsternsystem beschleunigt ein schnell rotierender Weisser Zwerg (r.) Elektronen auf Fast-Lichtgeschwindigkeit. Diese hochenergetischen Teilchen erzeugen Strahlungsschübe, die auf den ihn begleitenden Roten Zwerg (l.) treffen und das gesamte System vom Radio- bis zum Röntgenbereich pulsieren lassen.Bild: M. Garlick/University of Warwick/ESO

«Doch selbst diese Theorien erklären nicht vollständig, was wir beobachten», räumt Wang ein. ASKAP J1832-0911 passe in keine der bekannten Kategorien von Objekten in unserer Galaxie. Sein Verhalten sei zwar in mancher Hinsicht ähnlich, aber dennoch untypisch. In jedem Fall zeige die neue Entdeckung, dass LPTs viel höhere Energie hätten als bisher angenommen. «Diese Entdeckung könnte auf eine neue Art von Physik oder neue Modelle der Sternentwicklung hinweisen», schreibt Wang.

Da ASKAP J1832-0911 vermutlich kein Einzelfall ist, könnten weitere Beobachtungen in den nächsten Jahren wohl Klarheit verschaffen. Wang: «Es ist möglich, dass es sich um ein völlig neues Objekt handelt oder dass es Radiowellen auf eine Weise aussendet, die wir noch nie zuvor gesehen haben.»

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79 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lord_Mort
04.06.2025 21:02registriert Oktober 2015
Ich mag es, wenn Physiker*innen aus dem Häuschen sind. Dann wirds immer spannend.
1671
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Gen X
04.06.2025 20:49registriert August 2023
Wenn die Skala nicht verschiben wurde, zeigt sie an, dass der Peak Rötgenstrahlung kurz _vor_ dem der Radiowellen auftritt.
Enorm spannend, die Sache. Und das ganz fand vor 15'000 Jahren statt, also zu dem Zeitpunkt, als die letzte Eiszeit langsam zu Ende ging die Menschen als Jäger und Sammler in Europa verteilten.
991
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iss mal ein snickers...
04.06.2025 20:20registriert September 2014
Das sind sicher Aliens, welche sich über den Tesla, der da rum schwebt beschweren 💁🏼‍♀️
8820
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