Wissen
Klima

Wer die Welt in den letzten 200 Jahren am meisten verschmutzt hat 

Bild: null
Rangliste der Klimasünder

Wer die Welt in den letzten 200 Jahren am meisten verschmutzt hat 

Wer trägt Schuld am Klimawandel? Eine neue Rangliste zeigt, wie stark einzelne Länder in den vergangenen 200 Jahren zur Erderwärmung beigetragen haben. Sieben Staaten haben mehr als 60 Prozent zu verantworten. 
18.01.2014, 11:0618.01.2014, 13:23
Axel Bojanowski, SPiegel Online
Mehr «Wissen»

Die Bilanz scheint einfach: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich die bodennahe Luft im weltweiten Durchschnitt um 0,8 Grad erwärmt. Dem Stand der Wissenschaft zufolge sind vor allem vom Menschen erzeugte Treibhausgase für den Temperaturanstieg verantwortlich. Wissenschaftler sprechen von «historischer Schuld». Doch was haben einzelne Staaten dazu beigetragen?

Neue Berechnungen zeigen, wer welchen Anteil an der Erwärmung haben könnte. Eine Gruppe um Damon Matthews von der Concordia University in Kanada hat den Ausstoss von Gasen und die Veränderung der Vegetation in allen Staaten in den vergangenen 200 Jahren überprüft. Daraus haben die Forscher berechnet, welchen Einfluss die Länder aufs Klima hatten.

Sieben Staaten sind der Studie zufolge, die im Fachblatt «Environmental Research Letters» erschienen ist, für 63 Prozent der Klimaerwärmung verantwortlich: die USA, China, Russland, Brasilien, Indien, Deutschland und Grossbritannien. Die obersten 20 der Liste haben demnach 82 Prozent des globalen Temperaturanstiegs verursacht.

Die grössten Klimasünder

Den grössten Anteil haben mit etwa 20 Prozent die USA; das Land allein habe die bodennahe Lufttemperatur um 0,15 Grad erhöht. China an zweiter und Russland an dritter Position haben jeweils etwa 0,06 Grad beigetragen. Brasilien und Indien jeweils ungefähr 0,05 Grad, gefolgt von Deutschland und Grossbritannien mit jeweils gut 0,03 Grad.

Wird jedoch die ausgelöste Erwärmung pro Einwohner berechnet, ändert sich die Tabelle grundlegend: China und Indien, die zusammen fast die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, rutschen auf Platz 19 und 20 der Klimasünder. In dieser Rangliste führt Grossbritannien vor den USA, Kanada, Russland, Deutschland, den Niederlanden und Australien.

Während der Anteil der Staaten auf robusten Rechnungen beruht, dürften die errechneten Gradzahlen nicht das letzte Wort sein: Die Werte beruhen auf der Annahme, menschengemachte Treibhausgase hätten die Erwärmung fast zur Gänze erzeugt - eine grob vereinfachte Annahme.

Klimaforscher debattieren intensiv über den Einfluss natürlicher Faktoren wie Sonne und Meeresströmungen. Treibhausgase hätten den «grössten Beitrag» zur Erwärmung geleistet, heisst es zwar im jüngst veröffentlichten Sachstandsbericht der Vereinten Nationen. Grundlage für die Annahme ist die wärmende Wirkung der Treibhausgase. Doch die Kenntnis über andere Umweltfaktoren bezeichnen die Experten als nicht ausreichend.

Die Studie könnte künftige Uno-Klimaverhandlungen beeinflussen, bei denen die Weltgemeinschaft seit 20 Jahren Regeln sucht, um den Ausstoss von Treibhausgasen einzuschränken. Weniger entwickelte Staaten fordern, Industrieländer müssten die finanziellen Lasten schultern, weil sie den Grossteil der Erwärmung verursacht hätten.

Wer vom Kühleffekt profitiert

Neben dem Treibhausgasausstoss liegen den neuen Berechnungen auch die Veränderungen der Landschaft zugrunde. Die Abholzung von Wäldern etwa beschleunigt die Erwärmung. Pflanzen nehmen CO2 auf, sie entziehen der Luft also Treibhausgase. Etwa ein Drittel des weltweiten Temperaturanstiegs sei durch Vernichtung von Pflanzen zu erklären, schreiben die Forscher. Aufgrund der massiven Rodungen ihrer Wälder liegen etwa Brasilien und Indien so weit vorne in der neuen Rangliste.

Der Smog in China (im Bild über der Stadt Lianyungang) verlangsamt die Erderwärmung vorübergehend. Bild: Getty Images AsiaPac

Auch künstliche Kühlung ging in die Studie ein. Schwefelgase etwa, die besonders aus Kohlekraftwerken in die Luft gelangen, legen sich als Schleier vor die Sonne. Sie bremsen die Erwärmung vorübergehend. Aufgrund seines starken Wirtschaftsaufschwungs profitiere derzeit vor allem China von dem Effekt, berichten Matthews und seine Kollegen. Sein Anteil an der Erwärmung verringere sich durch die sogenannten Aerosole um 0,065 Grad.

China überholt EU

Brasilien, Indonesien und Frankreich hingegen haben vergleichsweise wenig kühlende Aerosole erzeugt. Andere klimawirksame Substanzen aus Abgasen wie etwa Russpartikel wurden für die Untersuchung ignoriert; ihr Effekt würde die Ergebnisse aber nicht grundlegend ändern, meinen die Forscher. Die neuen Zahlen zeigten, wie schwierig es werde, die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, schreiben Matthews und seine Kollegen.

Bislang habe sich die Erde um 0,11 Grad pro eine Milliarde Einwohner erhöht. Angesichts zunehmender Weltbevölkerung dürfe höchstens noch das Doppelte eintreten, sonst drohe die Erwärmung zwei Grad zu überschreiten. Der Pro-Einwohner-Ausstoss von Treibhausgasen sollte höchstens noch in Entwicklungsländern steigen, schreiben die Forscher. Doch schon in elf Jahren - so eine Schätzung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung - dürfte Chinas Anteil an der Summe aller bis dahin aufgelaufenen CO2-Emissionen den historischen Beitrag aller EU-Staaten übersteigen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Halo-Effekt: Filter auf Social Media machen uns attraktiver – aber es ist ein Haken dabei

Menschen, die wir als attraktiv wahrnehmen, halten wir tendenziell auch für intelligent, gesellig und vertrauenswürdig. Diese kognitive Verzerrung ist als Halo-Effekt bekannt, der besagt, dass wir von einem Merkmal einer Person auf weitere Eigenschaften schliessen, ohne dass dafür eine objektive Grundlage besteht. Falls die Verzerrung positiv ist, spricht man auch vom «Heiligenschein-Effekt» (englisch halo bedeutet «Heiligenschein»), bei einer negativen vom «Teufelshörner-Effekt».

Zur Story