Erst liess die türkische Regierung Twitter sperren. Nun ist der Dienst zwar wieder zugänglich. Aber Twitter hat an Ostern zwei Konten in der Türkei blockiert, die die Regierung unter mächtigen Druck brachten.
Nach dem Ende der Twitter-Blockade in der Türkei hat der Kurznachrichtendienst die Inhalte von zwei regierungsfeindlichen Konten mit knapp einer Million Nutzern in dem Land gesperrt. @Bascalan und @Haramzadeler333 sind seit Sonntag in der Türkei nicht mehr aufrufbar.
Über diese Konten waren vor der Kommunalwahl Ende März Youtube-Videos mit Telefonmitschnitten verbreitet worden, die Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unter Korruptionsverdacht brachten.
In Izmir begann am Montag ein Prozess gegen Twitter-Nutzer wegen Tweets während der Gezi-Proteste im vergangenen Sommer. Twitter teilte mit: «Wir halten keine Inhalte auf alleinige Anforderung eines Regierungsvertreters zurück.» Eine solche Massnahme werde «nach einem rechtsstaatlichen Verfahren», also zum Beispiel nach einem Gerichtsbeschluss ergriffen.
Twitter werde ohne rechtliche Grundlage keine Nutzerinformationen an türkische Behörden weitergeben. Die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, den Nutzern der Konten werde Verletzung von Persönlichkeitsrechten vorgeworfen.
Erdogan hatte Twitter eine «Bedrohung» für die Gesellschaft genannt. Kurz vor der Wahl Ende März – die Erdogans AKP mit grossem Abstand gewann – hatte die Regierung den Kurznachrichtendienst ebenso wie die Plattform Youtube sperren lassen.
Die Twitter-Sperre wurde nach einem Urteil des Verfassungsgerichts am 3. April aufgehoben. Youtube ist in der Türkei weiter nicht zugänglich. Eine Delegation unter Leitung von Twitter-Vizepräsident Colin Crowell war vor wenigen Tagen zu Gesprächen mit Vertretern der Regierung und von Nichtregierungsorganisationen in die Türkei gereist. Twitter hatte die Treffen «produktiv und informativ» genannt.
In der südwesttürkischen Metropole Izmir müssen sich seit Montag 29 Twitter-Nutzer vor Gericht verantworten. Ihnen wird nach Angaben von Prozessbeobachtern von Amnesty International vorgeworfen, während der landesweiten Unruhen im vergangenen Sommer zum Gesetzesverstoss aufgerufen zu haben.
Ausserdem sollen einige von ihnen in ihren Nachrichten Erdogan beleidigt haben. Das Gericht beschloss am Montag Medienberichten zufolge, Erdogan als «Geschädigten» zu führen. Anwältin Duygucan Yazici – die einige der Beschuldigten vertritt – sagte am Montag: «Ich glaube nicht nur, sondern ich bin mir sicher, dass das politische Vorwürfe sind.»
Die betroffenen Tweets seien durch die türkische Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention als freie Meinungsäusserung geschützt. Internationale Kritik Prozessbeobachter Andrew Gardner von Amnesty International nannte das Verfahren einen Beleg dafür, «wie stark die Achtung der Meinungsfreiheit in der Türkei abgenommen hat».
Der Prozess wurde am Montag auf den 14. Juli vertagt. Das harte Vorgehen der Regierung in Ankara gegen Kritik in sozialen Medien wurde besonders von der EU und den USA scharf kritisiert. (sda/dpa/afp)