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Sepp Blatter ist nicht das Opfer – er hat aus der FIFA ein Monster gemacht

Sepp Blatter ist nicht das Opfer – er hat aus der FIFA ein Monster gemacht

Die FIFA wird vom grössten Skandal ihrer Geschichte erschüttert. Offiziell begrüsst sie die Ermittlungen der Justiz, doch die Korruption ist Teil des Systems, das Sepp Blatter erschaffen hat.
27.05.2015, 18:1628.05.2015, 18:35
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Sieben FIFA-Funktionäre in Zürich verhaftet

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Sieben FIFA-Funktionäre wurden am 26. Mai 2015 in Zürich verhaftet
Jeffrey Webb.
quelle: epa/mti / epa files / szilard koszticsak
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Als er noch Josef Blatter hiess, war er ein leidlich begabter Fussballer. Heute nennt er sich Joseph S. Blatter und erweist sich als begnadeter Schachspieler. Als der interne Untersuchungsbericht der FIFA im letzten November aufzeigte, dass es bei der Vergabe der WM-Endrunden 2018 und 2022 an Russland und Katar zu Ungereimtheiten gekommen war, reichte der Weltfussballverband selbst bei der Bundesanwaltschaft in Bern Strafanzeige ein – gegen unbekannt.

Der ehemalige FIFA-Funktionär und heutige Blatter-Kritiker Guido Tognoni sprach schon damals von einem «cleveren Schachzug». Nun kann er sich bestätigt fühlen, da die Bundesanwaltschaft offiziell Ermittlungen aufgenommen hat und die US-Justiz parallel dazu mehrere Funktionäre wegen Korruptionsverdachts verhaften liess. «Heute ist kein schöner Tag, aber irgendwie ein guter Tag», sagte FIFA-Kommunikationschef Walter De Gregorio an der Medienkonferenz in Zürich.

Die FIFA-Skandale unter Sepp Blatter

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Die FIFA-Skandale unter Sepp Blatter
Die Präsidentschaftswahl 1998: Sepp Blatter, damals noch FIFA-Generalsekretär, gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson.
quelle: ap/ap / francois mori
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Für das Image seien die Ermittlungen nicht gut, räumte er ein. Doch die FIFA sei in diesem Verfahren die geschädigte Partei. Präsident Sepp Blatter sei «recht entspannt», er wisse, dass er nicht involviert sei. Mit seiner Anzeige hat es Blatter geschafft, den Spiess umzudrehen: Die FIFA ist im grössten Skandal ihrer Geschichte nicht die Täterin, sondern das Opfer.

Fragt sich nur, wer ihm das abkauft. Die FIFA ist in keinster Weise das Opfer. Korruption ist ein immanenter Teil des Systems, das Blatter erschaffen hat.

Sepp Blatter
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Seit 1981 sitzt der Walliser an den Schalthebeln der Macht, erst als Generalsekretär, seit 1998 als Präsident. Er hat sich einige Verdienste erworben. So hat er aus einem grossen, aber auch relativ armen Verband, der die Fernsehrechte am Premiumprodukt Fussball-WM fast verschenkt hatte, einen milliardenschweren Konzern gemacht. 

Blatters Macht und das Geld

Damit schuf er aber auch ein Monster, denn auf dem Geld basiert die Macht des Sepp Blatter. Er verteilt es grosszügig an die Landesverbände, die ihm aus Dankbarkeit ihre Stimme bei der Präsidentenwahl geben. Und er drückt beide Augen zu und dreht den Kopf weg, wenn ein Teil dieses Geldes in den Taschen korrupter Funktionäre versickert.

«Auf Dauer geht so etwas nicht gut. Immer wieder fliegen Korruptionsaffären auf und Blatter um die Ohren», heisst es im Blatter-Porträt, das watson am Wochenende veröffentlicht hat. Nun hat sich dies einmal mehr bewahrheitet, und das auf einem ganz neuen Level. Machtsysteme, die auf Korruption basieren, sind anfällig. Man macht sich erpressbar oder läuft Gefahr, dass jemand auspackt. Wie im konkreten Fall der gierige US-Funktionär Chuck Blazer.

«Das ist ein grosser Sumpf»

«Das ist ein grosser Sumpf. Das Problem ist nicht damit erledigt, dass man Sepp Blatter als Präsident verhindert. Der Fehler liegt im System der FIFA. Es können sich zu viele bedienen», sagte Theo Zwanziger, abtretendes FIFA-Exekutivmitglied und ehemaliger Präsident des Deutschen Fussballbundes (DFB), zum neusten Skandal. In der Tat könnte man sich fragen, ob die FIFA mit einem anderen Präsidenten ein besserer Verband wäre.

Die FIFA im Visier: US-Justizministerin Loretta Lynch.
Die FIFA im Visier: US-Justizministerin Loretta Lynch.Bild: AP/FR170079 AP

Die Frage aber ist müssig, denn für die heutigen Zustände ist allein Sepp Blatter verantwortlich. Er hat einige Reformen angekündigt und auf dem Papier auch umgesetzt. Wirklich wirksam aber wäre nur ein scharfes Controlling der FIFA-Geldflüsse, doch davor schreckt Blatter zurück. Als Präsident kann man sich mit solchen Massnahmen nur unbeliebt machen. Und Blatter will bleiben. Seine Wiederwahl am Freitag ist nicht gefährdet. In Zeiten der Not schliesst die «Familie», wie der Präsident die FIFA gerne bezeichnet, ihre Reihen. 

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Die nächsten Jahre aber dürften schwierig werden, denn die US-Justiz ist unerbittlich. Die Schweizer Banken können ganze Choräle davon singen. Und für Justizministerin Loretta Lynch, die gerade erst ihr Amt angetreten hat, ist die ungeliebte FIFA ein ideales Vehikel zur Profilierung.

Es könnte einsam werden um Joseph S. Blatter. Die fünfte Amtszeit, die er aus Machtgier angestrebt hat, könnte sich als die eine zu viel erweisen.

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dracului
27.05.2015 22:34registriert November 2014
Eigentlich kann uns die FIFA egal sein, aber die Schweiz bot und bietet für diesen Verein den (il)legalen Rahmen. Antikorruptiongesetze gelten nicht und richtig versteuern muss das geschaffene Monster auch nicht. Die Schweiz hat es versäumt zu verlangen, dass die FIFA in eine reguläre Gesellschaft überführt wird. Und jetzt ist auch die Schweiz wieder im Schaufenster der USA. Thanks, Sepp!
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Angelo C.
27.05.2015 20:11registriert Oktober 2014
Mehrheitlich nicht übel, der Inhalt des Artikels. Dies etwas im Widerspruch zum überrissenen Titel :-)! Ich gehe davon aus, dass der damals wohl noch sehr junge Peter Blunschi - im Gegensatz zu mir - die Rituale und Skandale des langjährig tätigen Blatter-Vorgängers und Mentors Joao Havelange nicht so präsent in der Erinnerung hat. Dieser ebenso abgebrühte wie stolze Brasilianer, dessen Generalsekretär Joseph Blatter viele Jahre lang war, hat da sehr gute Vorarbeit geleistet, wodurch es etwas weit greift, zu schreiben, er (Blatter) hätte den Laden zu einem Haifischbecken umfunktioniert, oder eben, ein Monster erschaffen. Tatsache ist, dass in der FIFA schon in der lange währenden Präsidentschaft Havelanges stets grosse Beträge im Spiel waren und Verbandskapitäne einzelner Länder wacker die Krumme gemacht haben :-)!
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