Fast eineinhalb Jahre hatte Ueli Maurer den Rücktrittsentscheid für sich behalten. Nur seine Familie war eingeweiht. Das ist typisch für den SVP-Magistrat aus dem Zürcher Oberland. Spekulationen über seinen Abgang pflegte er mit dem Argument abzublocken, er allein werde über den richtigen Zeitpunkt entscheiden. Daran hat er sich gehalten.
Ende Jahr wird der Finanzminister aus dem Bundesrat zurücktreten, nach 14 Amtsjahren und kurz nach seinem 72. Geburtstag. Maurer ist jünger als Donald Trump oder Joe Biden, man kauft es ihm ab, dass er «Luscht» auf etwas Neues hat. Es ist aber wohl das Ende der politischen Karriere eines Mannes, der in Hinwil in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs.
Seine Wahl 2008 verlief turbulent. Ein Jahr zuvor hatte die SVP nach dem Rauswurf von Christoph Blocher den Bundesrat mit Getöse verlassen. Nach dem Rücktritt des zur BDP «übergelaufenen» Samuel Schmid wollte sie wieder rein und nominierte ein Ticket mit zwei Zürchern: mit Blocher und dem langjährigen Parteipräsidenten Ueli Maurer.
Beide stiessen im Parlament auf Widerstand. Blocher galt als unwählbar, und Maurer hatte in seinen zwölf Jahren als Parteichef den Wähleranteil der SVP verdoppelt, aber auch viele Verletzungen bei den andern Parteien hinterlassen. Die Anti-Blocher-Allianz wollte ihn mit der «wilden» Kandidatur des Thurgauer SVP-Nationalrats Hansjörg Walter verhindern.
Am Ende schaffte Ueli Maurer die Wahl mit einer Stimme Vorsprung – jener von Walter. Der Bauernpräsident wäre gerne Bundesrat geworden, doch am Ende wollte er seiner Partei eine erneute Zerreissprobe ersparen. Maurer übernahm von Schmid das Verteidigungsdepartement VBS und trat mit dem Anspruch an, die «beste Armee der Welt» zu schaffen.
Sein Start in der Landesregierung war positiv. Entgegen mancher Befürchtungen agierte er nicht wie Christoph Blocher als Dauerquerulant, sondern kollegial und konstruktiv. Das überraschte nur auf den ersten Blick. Blocher und Maurer hatten zwar gemeinsam den harten Zürcher SVP-Stil geprägt, persönlich aber standen sie sich nie besonders nahe.
Viktor Giacobbos Parodie von Ueli Maurer als Blochers dauergrinsender «Verdingbub» war lustig, aber sie entsprach nicht der Realität. Im Bundesrat konnte er sich als eigenständige Persönlichkeit entfalten. Als VBS-Chef gleiste er einiges auf, aber letztlich wurde seine Bilanz durch das Nein des Stimmvolks zum Kampfjet Gripen 2014 überschattet.
Nach dem Wechsel ins Finanzdepartement Anfang 2016 blühte der diplomierte Buchhalter regelrecht auf. Jahr für Jahr konnte er für die Bundeskasse Überschüsse verzeichnen. Dennoch ist seine Bilanz auch in diesem Departement durchzogen. Mehrere Steuervorlagen scheiterten in der Volksabstimmung oder wurden erst im zweiten Anlauf angenommen.
Erst am letzten Sonntag musste er mit der Reform der Verrechnungssteuer eine weitere Niederlage einstecken. Die Ausgabefreudigkeit des Parlaments machte ihm ebenfalls zu schaffen. Der Finanzminister wirkte zunehmend gereizt und dünnhäutig, etwa wenn er davor warnte, den künftigen Generationen einen Schuldenberg aufzuladen.
In seiner langen Amtszeit hatte Ueli Maurer zudem immer öfter am Kollegialprinzip gerüttelt. Hinter dem Magistrat kam der Parteisoldat zum Vorschein, nicht nur als er das Trychler-Shirt anzog. Er war ein ganzer SVP-Bundesrat, ob aus Überzeugung oder aus Kalkül, und kein «halber» wie Vorgänger Schmid. Seine Partei feierte ihn dafür.
Wenn die Gesamtregierung aber einen Entscheid gefällt hatte, hielt sich Maurer daran. Er war in gewisser Weise ein kollegialer Querschläger. Das macht seine Bilanz zwiespältig. Bei aller Kritik aber blieb Maurer ein bodenständiger Typ, der bei Veranstaltungen für eine Bratwurst anstand und auch oder gerade für die einfachen Leute ein offenes Ohr hatte.
Bei seinem Aufritt am Freitag vor den Medien, mit denen er ein schwieriges Verhältnis hatte, wirkte er bestens gelaunt. Auch wenn er dies nicht bestätigen mag, leistet er seiner Partei einen Dienst. Die bürgerliche Mehrheit in der Bundesversammlung wird ein Jahr vor den Wahlen «kä Luscht» haben, die beiden SVP-Sitze infrage zu stellen.
Ich war nahezu nie gleicher Meinung wie er. Wenn es aber einen Politiker aus dem rechten Winkel gab dem ich trotzdem zuhörte war es oftmals Maurer. Politische Gegner braucht es. Maurer war einer der mir gepasst hat. Anders als beispielsweise Aeschi, Reimann, Imark, Glarner und Konsorten.