Gemeinsam wurden Albert Rösti (SVP) und Elisabeth Baume-Schneider (SP) im letzten Dezember in den Bundesrat gewählt. Mit ein paar Tagen Unterschied luden sie zur etwas verfrühten 100-Tage-Medienkonferenz. Die neue Justizministerin stellte ihre Prioritäten am Montag vor, der Vorsteher des Infrastrukturdepartements UVEK am Freitag.
Auffällig war, dass beide Akzente setzten, die durchaus im Sinne ihrer Partei waren. Das begann mit der Wahl der Location. Baume-Schneider lud in den Schiffbau im Zürcher Stadtkreis 5, einer Hochburg der Linken. Rösti wählte den alten Generatorenraum des Kraftwerks Matte in Bern, der für grundsolide Schweizer Energieproduktion steht.
Inhaltlich wurden ebenfalls bezeichnende Prioritäten gesetzt. Baume-Schneider äusserte sich primär über «linke» Anliegen wie den Schutz vor sexualisierter Gewalt, das Recht der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung und non-binäre Personen. Erst in zweiter Linie kam sie auf das für Sozialdemokraten unbequeme Thema Asylpolitik zu sprechen.
UVEK-Vorsteher Albert Rösti setzte seine Akzente subtiler, aber nicht weniger deutlich. Immer wieder liess er Bemerkungen fallen, die man aus dem Mund von SP-Vorgängerin Simonetta Sommaruga (und wohl auch von Doris Leuthard) kaum gehört hätte.
Als ersten Schwerpunkt nannte der 55-jährige Berner eine sichere Energie- und Stromversorgung «ohne Scheuklappen». Die Schweiz solle «offen sein für alle Technologien», betonte Rösti. Das UVEK werde die Forschung «genau beobachten». Es war (noch) kein Plädoyer für neue AKWs, aber die bestehenden sollen laufen, «so lange sie sicher sind».
Aktuell liegt Röstis Fokus auf dem Mantelerlass «für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien», den der Nationalrat in der Frühjahrssession behandelt hatte. Die Vorlage sei «gut unterwegs», befand Rösti. Es gebe aber Stolpersteine (Restwasser, Solarpflicht), und vor allem die Stromversorgung im Winter müsse ausgebaut werden.
Der Energieminister strebt im Hinblick auf das nächste Winterhalbjahr «noch mehr Reservekraftwerke» an. Längerfristig benötige die Schweiz im Winter zusätzlich je zwei Terawattstunden aus Wasserkraft und alpinen Solaranlagen (Rösti will demnächst eine weitere Beschleunigungsvorlage in den Bundesrat bringen) und eine TWh durch Wind.
Ein Stromabkommen mit der Europäischen Union sei wichtig, «aber wir sollten uns nicht unter Druck setzen lassen in anderen Bereichen», betonte Rösti mit einem Seitenhieb auf die laufenden Gespräche über einen Neustart in den Beziehungen mit Brüssel nach dem Scheitern des Rahmenabkommens. Die SVP wird diese Worte gerne zur Kenntnis nehmen.
Das Nein zum CO2-Gesetz war Sommarugas grösste Niederlage als UVEK-Chefin. Eine Neuauflage wird derzeit von der zuständige Ständeratskommission behandelt. «Klimapolitik fängt mit Energiepolitik an und nicht umgekehrt», sagte Nachfolger Albert Rösti und betonte, man könne eine CO2-Reduktion «nicht über das Portemonnaie der Bevölkerung» machen.
Das Klimaschutz-Gesetz, der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative, nimmt diese Bedenken auf. Am 18. Juni wird darüber abgestimmt. Albert Rösti steht vor der delikaten Aufgabe, die Vorlage als zuständiger Bundesrat gegen seine Partei vertreten zu müssen, die das Referendum ergriffen hatte – mit dem damaligen Nationalrat Rösti im Komitee.
In die Karten schauen lassen wollte er sich am Freitag nicht. Er verwies auf eine demnächst stattfindende Medienkonferenz, an der er die Position des Bundesrats darlegen wird. Den Vorwurf der SVP, es handle sich um ein «Stromfresser»-Gesetz, dürfte er mit Verweis auf den Mantelerlass kontern, der einen Ausbau der einheimischen Stromversorgung zum Ziel hat.
Simonetta Sommarugas Priorität war der öffentliche Verkehr. Albert Rösti betonte, er stehe zur freien Wahl des Verkehrsmittels: «Man darf Bahn und Strasse nicht gegeneinander ausspielen.» Der ehemalige Präsident von Auto Schweiz machte keinen Hehl daraus, dass die Anliegen des motorisierten Individualverkehrs bei ihm auf offene Ohren stossen werden.
«Es bringt nichts, die Bahnfahrt zwischen Zürich und Bern um eine oder zwei Minuten zu reduzieren», meinte Rösti. Vielmehr müsse man die Staus auf den Autobahnen abbauen. Beim Bahnverkehr soll der Fokus auf den Agglomerationen liegen, aber letztlich will der Berner Oberländer Politik für das ganze Land «von den Städten bis ins Berggebiet» machen.
Das betrifft auch die Post, deren Angebot ausgedünnt wurde. Sie sei «zu stark auf die analoge Welt» ausgerichtet. Er wolle die Versorgung in den Regionen sicherstellen, meinte Rösti. Auch schnelles Internet solle überall verfügbar sein. Er werde eine «nationale Hochbreitbandstrategie» in den Bundesrat bringen, kündigte der Infrastrukturminister an.
Deutlich zurückhaltender äusserte sich Bundesrat Rösti zur staatlichen Medienförderung. Eine Neuauflage der vor einem Jahr abgelehnten Vorlage von Simonetta Sommaruga habe für ihn «keine unmittelbare Dringlichkeit», sagte er auf eine Frage von watson. Das Bundesamt für Kommunikation werde zum Thema «eine Auslegeordnung» erarbeiten.
Die Führung des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation ist ein anspruchsvoller Job. Albert Rösti gab zu, dass seine Tage noch stärker durchgetaktet seien als erwartet. Er verfüge aber über tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihn freundlich empfangen hätten: «Es ist ein Privileg, im UVEK arbeiten zu dürfen.»
Klar ist aber auch, dass Rösti «bürgerlichere» Akzente setzen wird als Sommaruga und Leuthard. Querschüsse wie von Ueli Maurer sind vom gmögigen Berner kaum zu erwarten, aber die SVP kann dennoch beruhigt sein: Er ist immer noch einer von ihnen.
Am meisten Geld hat er von der Wasser, Strom und Erdöllobby erhalten.
Und wer nun denkt: Wenigstens Wasserkraft ist immerhin nachhaltig. Ja, schon. Rösti möchte aber vor allem im Sinne der Stromkonzerne ausbauen. Also möglichst schnell grosse Kraftwerke (Wasser und PV) realisieren. Auch dies ist natürlich im Grundsatz richtig und notwendig. Das Problem ist, dass er einzig auf zentrale Grosskraftwerke setzt, und den dezentralen Ausbau der Privaten und KMUs (mittels Fördergeldern und neuen Gesetzen) sträflich vernachlässigt.