Das Zürcher Kulturhaus Kosmos meldete diese Woche Konkurs an. Die Schliessung war zwar abrupt, angebahnt hat sie sich aber schon länger. Intern ist es offenbar immer wieder zu Streitereien gekommen. An der Türe hängt ein Blatt mit einer ernüchternden finalen Botschaft: «Leider blieb der KOSMOS nur Vision ohne nachhaltige Machbarkeit.»
Das Kosmos hatte auf seinen über 4000 Quadratmetern einiges zu bieten – neben dem Kino im Untergeschoss umfasste es einen Buchladen, eine Bar mit Club und ein Bistro. Überdies bot es den Besuchern ein breit gefächertes Kulturangebot; von Podiumsdiskussionen über den Krieg in der Ukraine bis zu Lesungen verschiedenster Autoren und Autorinnen.
Wie es mit den Räumlichkeiten weitergeht, ist unklar. Das Kosmos-Gebäude befindet sich mitten in der Stadt Zürich, an der Ecke Langstrasse und Europaallee. Viel Platz in einer Top-Lage.
Doch was wollen und brauchen die Zürcherinnen und Zürcher? watson hat diese Frage in einem Gespräch mit Joëlle Zimmerli geklärt: «Wertvoll für die Stadt wäre, wenn ein Teil des Kosmos weiterhin öffentlich zugänglich bleibt, so wie bis anhin die Aufenthaltsräume in der Bibliothek.»
Joëlle Zimmerli ist Soziologin und Planerin im Fachverband Schweizer RaumplanerInnen. Zimmerli beschäftigt sich mit der Stadtentwicklung und untersucht die verschiedenen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer.
Zimmerli betont im Gespräch mit watson, dass kulturelle Institutionen das urbane Leben und das Angebot in der Stadt bereichern. Sie präzisiert: «Ein vielfältiges Angebot an kommerziellen und weniger kommerziellen Angeboten ist für das städtische Leben wichtig. Neben dem Partyleben, der Gastronomie und Bars braucht es auch Kultur, Orte, an denen nicht nur konsumiert, sondern auch reflektiert wird.»
Die Kulturhäuser in der Stadt bieten laut Zimmerli also einen Mehrwert. Stellt sich die Frage, was die Schliessung des Kosmos für die Stadt Zürich bedeutet. Zimmerli führt aus: «Es gab bereits vor dem Kosmos Kulturangebote und es wird auch nach dem Kosmos Angebote geben.» Das Kino habe mit ähnlich ausgerichteten Kinos in unmittelbarer Nähe konkurriert, es gebe in der Stadt diverse Orte, an denen Lesungen durchgeführt werden können.
Sie resümiert: «Mit Blick auf das kulturelle Leben in Zürich ist es schade, aber nicht tragisch, dass das Kosmos und sein Angebot wegfallen. Es ist eine Chance für die vielen Kulturschaffenden in der Stadt, nun zu beweisen, dass man mit einem wirtschaftlich nachhaltigen Betriebskonzept etwas Gutes aufbauen kann.» Zimmerli erklärt weiter: «Gleiches muss nicht mit Gleichem ersetzt werden. Spannend ist, welche Konzepte jetzt ausgehandelt werden können.»
Vermietet werden die Räumlichkeiten von der SBB. Für Zimmerli stellt sich die Frage, was die SBB von dem neuen Mieter erwartet, damit sie den Kulturbetrieb weiterhin grosszügig unterstützt. «Die Vermietung der Kinosäle wird eine grosse Herausforderung», sagt Zimmerli. Eine Clubnutzung als Alternative würde zwar in das aufgeregte Nachtleben zwischen Europaallee und Langstrasse passen. Diese könnte allerdings zusätzliche Nutzungskonflikte mit dem Wohnen und Arbeiten bringen, die es mit dem ruhigen Kulturbetrieb nicht gab.
Für die unspezifischen Räume im Erd- und Obergeschoss würden die SBB, die Vermieterinnen der Räumlichkeiten, wohl schnell einen Nachmieter finden. Zimmerli schätzt die Angebote in der Europaallee als relativ homogen ein. Die Soziologin kommt zum Schluss, dass auch etwas Unaufgeregtes interessant wäre, das einen Kontrastpunkt setzen würde: «Gerade für ein älteres Publikum oder solche, die sich nicht ins Nachtleben stürzen wollen, gibt es fast keine ansprechenden Angebote. Die ganze Gastronomie, die Clubs und Geschäfte sind auf ein junges Publikum ausgerichtet.»
Die Soziologin würde es interessant finden, wenn man in der szenigen Europaallee einen unaufgeregteren Ort schaffen könnte, der für ein breites Publikum zugänglich ist. Eines ist sicher: Bis die SBB sich für eine Nachmieterin entschieden haben, wird es in den Räumlichkeiten ruhig und unaufgeregt bleiben.