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Japanische Forscher dürfen jetzt menschliche Organe in Tieren züchten

Rattenembryo nach 15,5 Tagen
Rattenembryo nach 15,5 Tagen. Bild: Science Pictures ltd/SPL

Japanische Forscher dürfen jetzt menschliche Organe in Tieren züchten

31.07.2019, 17:20
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Wissenschaftler in Japan dürfen mit der Züchtung von menschlichen Organen in Tieren beginnen. Das Wissenschaftsministerium segnete laut einem Bericht des Fachjournals «Nature» den Beginn der Forschung mit menschlichen Stammzellen ab, die in Tierembryonen eingepflanzt und von den Tieren ausgetragen werden sollen.

Das bestätigte Ayako Maesawa, Direktorin beim Ministerium in Tokio, der Nachrichtenagentur dpa. Die Erlaubnis bezieht sich jedoch nur auf ein Forschungsprojekt der Universität Tokio. Ziel der Forschung insgesamt ist es, später einmal Menschen zu helfen, die bisher vergeblich auf eine Organspende warten.

Ein Forscherteam der Universität Tokio will nun in Embryos von Nagern sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) einpflanzen. Die Embryos seien genmanipuliert, so dass sie keine eigene Bauchspeicheldrüse haben werden. Es sei zu erwarten, dass die heranwachsenden Föten eine Bauchspeicheldrüse aus den menschlichen iPS-Zellen haben werden, so die Ministeriumssprecherin.

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Die Föten sollen von den Tieren ausgetragen werden. Während der Schwangerschaft solle auch herausgefunden werden, ob sich auch woanders im Körper der Tiere menschliche Stammzellen verbreiten, so Maesawa. Die ausgetragenen Embryos würden später getötet, erklärte die Sprecherin.

Maus dank Ratten-Embryo geheilt

Japanische Forscher hatten bereits 2017 ein Vorläufer-Experiment erfolgreich abgeschlossen. Sie manipulierten einen Rattenembryo so, dass er keine Bauchspeicheldrüse aus eigenen Zellen entwickelte, und injizierten ihm stattdessen Maus-Stammzellen. In der Tat bildete der Rattenembryo darauf aus diesen Stammzellen eine Bauchspeicheldrüse.

Dieses Organ entnahmen die Wissenschaftler später dem Ratten-Embryo und pflanzten es einer diabeteskranken Maus ein. Diese wurde dadurch von der Krankheit geheilt; die fremde Bauchspeicheldrüse regulierte ihren Zuckerhaushalt wie ein angestammtes, gesundes Organ. Allerdings sind Maus und Ratte eng verwandte Arten – zwischen Mensch und Ratte ist die genetische Distanz sehr viel grösser.

Keine Mensch-Tier-Chimären

Die japanischen Wissenschaftler wollen iPS-Zellen auch in Embryonen von Affen und Schweinen einpflanzen. Diese sollen jedoch nicht von den Tieren ausgetragen werden. Man wolle lediglich die Embryos züchten, um herauszufinden, zu wie viel Prozent sie aus iPS-Zellen bestehen.

Bis zum Frühjahr dieses Jahres war es in Japan verboten gewesen, solche Föten austragen zu lassen. Dahinter hatten ethische Bedenken bestanden, dass Mischlinge aus Mensch und Tier entstehen könnten.

Das Wissenschaftsministerium hob jedoch Einschränkungen für das Einpflanzen menschlicher Stammzellen in Tieren auf. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass ein solches Risiko, Mensch-Tier-Chimären entstehen zu lassen, technisch bei Null liege, hiess es dazu.

Die etruskische Chimäre von Arezzo 
Von Carole Raddato from FRANKFURT, Germany - The Chimera of Arezzo, c. 400 BC, found in Arezzo, an ancient Etruscan and Roman city in Tuscany, Museo Archeologico Na ...
Der Begriff «Chimäre» bezeichnet ein Mischwesen aus verschiedenen Spezies. Die etruskische Plastik zeigt die Chimäre aus der griechischen Mythologie.Bild: Wikimedia/Carole Raddato

«Schritt über den Rubikon»

Der Entscheid des Wissenschaftsministeriums hat allerdings auch Kritiker auf den Plan gerufen. Sie befürchten, dass menschliche Stammzellen sich im Tierembryo auch in Gehirnzellen entwickeln könnten.

Der deutsche SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dem «Spiegel», die Züchtung von Mensch-Tier-Wesen sei ein «Schritt über den Rubikon». Lauterbach erklärte: «Mit der Züchtung von Mensch-Tier-Wesen wird eine Grenze überschritten, die wir als Menschen nicht überschreiten dürfen. Das ist ein klarer ethischer Megaverstoss.» Man versuche, «sich selbst zu Göttern zu machen».

Gehen die Forscher mit diesen Experimenten zu weit?

(dhr/sda/dpa)

Fleisch wird jetzt im Labor gezüchtet

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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gipfeligeist
31.07.2019 17:42registriert Januar 2016
Der Wissensdurst des Menschen ist unstillbar, so war es die letzten 300 Jahren und so wird es im Informationszeitalter weitergehen. Nach der Endteckung von CRISPR/Cas9 ist dies der nächste Schritt. Ist er schlecht?

Entweder solche Gen-Forschung wird erlaubt, ethische Regeln aufgestellt und mit staatlichen Ressourcen für die Öffentlichkeit betrieben. Oder aber die Wissenschaft wird in die Illegalität gedrängt und geheim durchgeführt. Unsere Entscheidung...
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Sarkasmusdetektor
31.07.2019 18:17registriert September 2017
Wenn es machbar ist, wird es auch gemacht.
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sunnigs Türkis
31.07.2019 20:10registriert Mai 2016
Ein gefährliches Spiel!
Sollen die Menschen in Zukunft ewig leben? Dann wird es irgendwann zu eng auf unserer Welt!
Versteht mich nicht falsch, es ist schlimm wenn ein nahestehender Mensch erkrankt und nicht geholfen werden kann...
Aber so????
Ich bin skeptisch!
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Das Interstate-System der USA ist sooo befriedigend – aber leider nur auf den ersten Blick
Die Nummerierung der Interstate Highways, der wichtigsten Fernstrassen in den USA, ist in der Theorie wunderbar logisch, doch die Umsetzung lässt leider vielerorts zu wünschen übrig. Zumindest aus Sicht von Perfektionisten.

Neulich während einer Recherche für ein komplett anderes Thema: Auf der Social-Media-Plattform X wird mir ein Post mit den folgenden beiden Karten angezeigt. Sie zeigen den Verlauf der Interstate Highways, des Autobahnnetzes der USA. «Sehr befriedigend. Gut gemacht, zufälliger US-Beamter», schreibt der X-User dazu.

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