Herr Schneuwly, heute hat Bundesrat Alain Berset mitgeteilt, dass die Krankenkassenprämien im nächsten Jahr um 8,7 Prozent steigen werden. Was sagen Sie zu dieser Nachricht?
Felix Schneuwly: Das ist wirklich eine happige Erhöhung und wird den unteren Mittelstand und alle darunter hart treffen. Sie müssen jetzt extrem sparen, um ihre Prämien noch zahlen zu können. Und das, während die Lebenskosten ohnehin stetig steigen. Was mich aber am meisten nervt, ist, dass dieser Prämienanstieg vermeidbar gewesen wäre.
Wie wäre das vermeidbar gewesen?
Wenn nach der Corona-Pandemie nicht die Reserven der Krankenkassen angezapft worden wären. Nun sind ihre Reserven aufgebraucht. Also müssen sie die gestiegenen Gesundheitskosten an die Versicherten weitergeben. Besonders tragisch an der ganzen Geschichte ist, dass der Bundesrat nicht zum ersten Mal diese Fehlentscheidung getroffen hat. Es ist schon das dritte Mal. Und jedes Mal endete die Situation mit einem Prämienschock für die Versicherten. Die Politik lernt nicht aus der Vergangenheit.
Bundesrat Alain Berset meinte an der Medienkonferenz heute, dass man mit Reformen versucht habe, die Prämiensteigerung so tief wie möglich zu halten.
Ja. Dass Alain Berset seine schlechten Reformen der letzten zehn Jahre an der Medienkonferenz auch noch verteidigt hat, hat mich besonders erstaunt. Insbesondere die beiden Sparpakete verursachen nur unnötigen administrativen Aufwand für das medizinische Personal. Das ist nicht nur teuer, es heizt auch den Fachkräftemangel an. Die Menschen sind Ärztin oder Pfleger geworden, weil sie den Menschen helfen wollen, nicht, um Dokumente auszufüllen. Aber auch die beiden Gegenvorschläge des Bundesrats zur Kostenbremse-Initiative der Mitte und der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP sind unnötig.
Weshalb sind diese Vorstösse unnötig?
Unser Gesetz bietet bereits Lösungen. Reichen Kantone die vom Bund zugesicherten Gelder für Prämienverbilligungen nicht an ihre Bevölkerung weiter, kann das eingefordert werden. Dazu gab es bereits einen Bundesgerichtsentscheid im Falle des Kantons Luzern. Und trotzdem will beispielsweise der Kanton Zürich nun die Prämienverbilligungen wieder kürzen. Und im Falle der Kostenbremse-Initiative: Alle Gesundheitsinstitutionen sind schon jetzt dazu verpflichtet, nur Eingriffe und Therapien zu unternehmen, die auch wirklich notwendig sind. Trotzdem ist unser System so aufgebaut, dass derzeit jene profitieren, die möglichst viel machen.
Ist unser Gesundheitssystem aus Ihrer Sicht überhaupt noch zu retten?
Absolut. Es müssten nur endlich mutige Reformen durchgebracht werden. Solche, die Effizienz und Qualität statt blosse Mengen belohnen. Und gleichzeitig müssen schlechte Reformen aus der Vergangenheit rückgängig gemacht werden. Etwa die Kostensteuerungs- und Qualitätsbürokratie.
Gibt es auf politischer Ebene Aussagen, die Sie nicht mehr hören können in Bezug auf die Krankenkassen?
Ja. Dieses immer den anderen die Schuld geben. Ich wäre dafür, dass jeder Akteur, der etwas zur Diskussion beitragen möchte, zuerst Verbesserungspotenzial bei sich selbst vorbringen müsste. Ausserdem wäre ich froh, würde die Politik endlich begreifen, dass es nichts bringt, immer dieselben Vorschläge zu bringen. Es müssen neue Ansätze her.
Das ist doch einfach unglaubwürdig.
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