Rund 50 Tage ist Mitte-Bundesrat Martin Pfister im Amt. Am Montag will er auf dem Waffenplatz Bure eine erste Bestandsaufnahme machen und vor den Medien seine künftigen Schwerpunkte darlegen. Dabei dürfte auch das Verhältnis zur EU zur Sprache kommen. Nicht nur über die neuen bilateralen Verträge, denen Pfister bekanntermassen wohlgesonnen ist. Sondern auch über neue Verhandlungen mit Brüssel im sensiblen Bereich der Sicherheitspolitik. Also in Pfisters Zuständigkeitsbereich.
Es geht um ein Abkommen, das die Schweiz in Zeiten geopolitischer Turbulenzen enger an die EU binden soll.
Unter dem Eindruck der transatlantischen Schock-Politik von US-Präsident Donald Trump forderte der Nationalrat mit 115 gegen 66 Stimmen bereits im März in einer Erklärung den Bundesrat überraschend deutlich dazu auf, «konkrete Schritte zur sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Europa vorzulegen».
Und Mitte Mai legte die Sicherheitspolitische Kommission nach. Sie fordert vom Bundesrat, ein Mandat für ein sogenanntes «Sicherheits- und Verteidigungsabkommen» mit der EU auszuarbeiten. In der von SP-Nationalrat Fabian Molina eingebrachten Motion heisst es explizit, dass es darum gehe, «die Abhängigkeit von Drittstaaten, insbesondere den USA» zu reduzieren und einen Beitrag zum «Aufbau der europäischen Sicherheitsarchitektur» zu leisten.
Neben dem Dienst an Europa geht es aber vor allem um handfeste wirtschaftliche Interessen der Schweiz.
Erstens: Die Armee will aufrüsten. Und weil das im Moment alle Staaten wollen, riskiert der Bund nicht nur, einen höheren Preis zu bezahlen. Sondern auch, sich bei den Waffenfabrikanten als vergleichsweise kleiner Kunde ganz hinten in der Schlange anstellen zu müssen. Statt im Alleingang wäre es günstiger, in gemeinsame Beschaffungsprojekte von EU-Staaten einzusteigen – als Teil einer grossen Einkaufsgemeinschaft.
Zweitens geht es darum, das Überleben der Schweizer Rüstungsindustrie zu sichern. In Europa entsteht ein Binnenmarkt für Verteidigung. Für die Schweizer Waffenschmieden ist ein möglichst diskriminierungsfreier Zugang zu diesem Markt zentral. Zur Erinnerung: Letztes Jahr gingen 80 Prozent der Schweizer Kriegsmaterialexporte nach Europa.
Konkret geht es nun darum, für Schweizer Firmen den Zugang zum mit 150 Milliarden Euro gefüllten Rüstungsprogramm «Safe» zu sichern, das die EU-Staaten gemeinsam aufgelegt haben.
Dafür verlangt Brüssel von Drittstaaten jedoch ein entsprechendes Sicherheits- und Verteidigungsabkommen. Grossbritannien hat sich mit der EU-Kommission bereits im Grundsatz geeinigt und dürfte als erstes assoziiert werden. Andere Länder wie Kanada sind mit Hochdruck daran, die Gespräche voranzutreiben. Denn die Zeit drängt – in der Schweiz aber beginnt gerade erst die Debatte.
Das 150-Milliarden-EU-Programm Safe wird diesen Dienstag definitiv vom EU-Ministerrat in Kraft gesetzt. Schon in sechs Monaten könnten erste Gelder für mehrere EU-Staaten-übergreifende Projekte fliessen. Gemeinsame Panzerbestellungen, die Entwicklung eines neuen Waffensystems, der Aufbau von Munitionsfabriken – ist die Schweiz dabei, kann sie sowohl als Einkäuferin wie auch als Zulieferin profitieren. Ist sie nicht dabei, können hiesige Firmen Komponenten von höchstens 35 Prozent des Gesamtwerts eines Projekts zuliefern – wenn überhaupt.
Gerade für Unternehmen, die sogenannte «Dual-Use»-Güter herstellen, also Waren, die sowohl für zivile wie militärische Zwecke verwendet werden können, wäre dies ein Hindernis. Die Schweiz hat hier grosses Potenzial. Superpräzise Atomuhren, welche in modernen Waffensystemen zur Navigation und der Sensorsteuerung eingesetzt werden, sind nur eines von vielen Beispielen.
Ob der Bundesrat den Sicherheits- und Verteidigungspakt mit der EU eingeht, ist allerdings noch unklar. Die Entscheidungsfindung dazu habe noch nicht stattgefunden, heisst es in Bern. Von involvierten Stellen beim Bund heisst es aber: «Jetzt ist die Zeit gekommen, um zu handeln.»
Immerhin: Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hielt die Landesregierung im Jahr 2022 im aktualisierten Verteidigungspolitischen Bericht schon fest, dass sie einen Ausbau der Zusammenarbeit anstrebe. Seitdem ist unter der ehemaligen Verteidigungsministerin Viola Amherd einiges passiert: Die Schweiz trat unter anderem im Bereich der militärischen Mobilität und der Cyber-Abwehr zwei EU-Projekten der «Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit» (Pesco) bei. Seit letztem Herbst beteiligt sich die Schweiz an der «Sky Shield»-Initiative für einen europäischen Raketenabwehr-Schirm.
Klar ist: Bei der EU würde man eine Annäherung der Schweiz im Sicherheitsbereich durchaus begrüssen. Und die Schweizer Seite betont vorsorglich, dass es sich keinesfalls um Abkommen handle, die für die Schweiz militärisch bindend seien. Die Neutralität bleibe unangetastet.
Das ist jedoch umstritten. So müsste der Bund im Falle einer engeren Rüstungskooperation sein Kriegsmaterialgesetz so anpassen, dass im Ernstfall Rüstungsgüter aus Schweizer Produktion unter Partnerstaaten problemlos weitergegeben werden könnten. Über diese Frage streitet das Parlament freilich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im März 2022. Je nach Vorschlag kommt Kritik von links – oder von der SVP.
Ohnehin will die SVP von einer Annäherung an die EU im Sicherheitsbereich nichts wissen. Sie hat sowohl die Erklärung des Nationalrats wie auch die entsprechende Motion in der Sicherheitspolitischen Kommission geschlossen abgelehnt.
«Die Neutralität ist der Beitrag zum Frieden, den die Schweiz auf der Bühne der Weltpolitik bieten kann», sagte SVP-Nationalrat Walter Gartmann, als er in der Debatte im März das Nein seiner Partei zur Erklärung begründete. «Bei Konflikten, in denen Grossmächte wie die USA, die EU, die Nato mitmischen, kann die Schweiz das Blatt nicht wenden.» Viel wichtiger sei es, «anzupacken und die Armee wieder wehrfähig zu machen».
Verteidigungsminister Pfister stehen heftige sicherheitspolitische Debatten bevor.
Diese Rechtspopulisten legen sich lieber mit Putin, Orban und Trump ins Bett.
Diese Partei schadet der Schweiz…. tragisch dieser Kult.