Auf der Website von «Russia Today Deutsch» steht fett die Schlagzeile «Russische Wirtschaft verkraftet Sanktionen besser als vom Westen erwartet». Dennoch machen die Mitarbeiter von Russia Today bittersaure Miene: «Durch die Rubel-Abwertung wurde unser Budget halbiert», erklärt Chefredaktorin Margarita Simonjan gegenüber «Wedomosti». Die Gründe für den Rubel-Absturz seien neben dem sinkenden Ölpreis die Wirtschaftssanktionen der USA und der EU, mit denen Russland für die Annektierung der Krim und den Krieg in der Ukraine bestraft wird.
Noch im September 2014 hatte der Kreml der «RT»-Chefredaktorin ein 40 Prozent höheres Budget zugesichert, mit dem auch ein deutschsprachiger «RT»-Kanal finanziert werden sollte. Stattdessen muss Margarita Simonjan nun das Budget von 445 Millionen Dollar um rund 50 Prozent kürzen.
Andere Propaganda-Medien aus Russland trifft es noch härter: Das Nachrichtenportal «Rossija Sewodnja» (in Deutsch «Sputnik») und die Nachrichtenagenturen «TASS» müssen ihr Budget von 250 Millionen Dollar sogar um 60 Prozent kürzen. «TASS» entlässt einen Viertel ihrer Mitarbeiter und streicht die Gehälter der verbleibenden Mitarbeiter um 25 Prozent.
Das Propaganda-TV «Russia Today» sendete erstmals 2005 positive News aus Russland für ein internationales Publikum. Zuerst in Englisch, seit 2007 in Arabisch und seit 2009 auch in Spanisch. Im Schweizer Kabelfernsehen von Swisscom und Cablecom ist «Russia Today» auch zu sehen. Und natürlich auf YouTube, wo «Russia Today» über 1,3 Milliarden Videoaufrufe und 1,4 Millionen Abonnenten zählt.
Offiziell soll der TV-Sender «eine Gegenöffentlichkeit herstellen sowie Medien-Manipulationen aufzeigen», heisst es in der Selbstdarstellung von «Russia Today». Präsident Putin redete aber Klartext, als er erklärte, «Russia Today» habe wie der Rüstungskonzern Kalaschnikow «eine strategische Bedeutung für die Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit des Staates sowie für den Schutz der Moral, der Gesundheit, der Rechte und legitimen Interessen der Bürger».
— Nicolaj Gericke (@Nicolaj_Gericke) 29. August 2014
Sein Hauptquartier hat «Russia Today» in einer ehemaligen Teefabrik im Moskauer Stadtviertel Lefortowo – benannt nach dem Schweizer Admiral François Le Fort. Bei der Gründung arbeiteten «nur» 300 Journalisten mit einem soliden Jahresbudget von 30 Millionen Dollar für «Russia Today». Doch die damals erst 25jährige Chefredaktorin Simonjan bekam vom Kreml ein «No Limits»-Budget: 2014 waren es 445 Milionen Dollar für weltweit über 2000 Mitarbeiter.
2009 änderte «Russia Today» seinen Namen in das neutrale Kürzel «RT». Gleichzeitig sendete «RT» nicht mehr positive Nachrichten aus Russland, sondern vor allem negative News aus den USA und Europa. «RT» ist seither strikt auf der Kreml-treuen Linie, wie die Berichterstattung über die Annexion der Krim im Frühling 2014 und den Krieg in der Ost-Ukraine zeigt.
Im Herbst 2014 gab Margarita Simonjan bekannt, dass in Berlin ein eigener deutscher TV-Kanal eröffnet werden soll. Am Potsdamer Platz arbeitet schon seit 2012 die Video-Nachrichtenagentur «Ruptly», eine Tochterfirma von «RT». Über drei Stockwerke erstrecken sich die Büros sowie Schneide- und Aufnahmeräume von «Ruptly» und «RT Deutsch» für 110 Mitarbeiter aus Deutschland, England, Spanien, Russland und Polen.
Police veteran and me during victory day in Donetsk. Why so serious? ;) #Ukraine pic.twitter.com/5lwB5aBy5e
— Nicolaj Gericke (@Nicolaj_Gericke) 24. Mai 2014
Am 6.November 2014 startete die erste und bisher einzige Sendung von «RT Deutsch». Moderiert wird das Magazin «Der fehlende Part» von Jasmin Kosubek, als Aussenreporter sind Lea Frings und Nicolaj Gericke im Einsatz. Der Schweizer Gericke fällt dabei nicht gerade durch differenzierte Urteile auf. Deutschsprachige Medien bezeichnet er schon mal als «Göbbels-Presse», nach Hitlers Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels.
Mariupol unter beschuss...und jetzt schreien gerade die Leute die über den Beschuss von Donetsk ruhig geblieben sind #GöbbelsPresse
— Nicolaj Gericke (@Nicolaj_Gericke) 24. Januar 2015
Der 24jährige Gericke ist in Herzogenbuchsee/BE aufgewachsen und arbeitet seit Juli 2013 für «Ruptly TV» respektive «RT Deutsch» in Berlin. «RT Deutsch hat derzeit zehn Mitarbeiter», erklärte Nicolaj Gericke gegenüber watson, «fünf Kollegen arbeiten für die Website und fünf produzieren unsere Sendung ‹Der fehlende Part›.» Diese könnte nun aber dem Streichkonzert zum Opfer fallen.
Keine Stunde nach unserer Vorab-Meldung, dass das Budget von «RT» um 50 Prozent gekürzt wird und «RT Deutsch» damit wohl nicht realisiert werde, twitterte Nicolaj Gericke zurück: «Wer nicht kämpft, hat schon verloren»
@juergvollmer Wer nicht kämpft hat schon verloren
— Nicolaj Gericke (@Nicolaj_Gericke) 25. Januar 2015
Tatsächlich scheinen die Pläne für einen «RT Deutsch»-Kanal mit der radikalen Budgetkürzung aufs Eis gelegt worden zu sein. «RT Deutsch»-Chefredaktor Iwan Rodionow antwortete bisher nicht auf unsere Anfragen.
Der Verlust hält sich allerdings in Grenzen, wenn man die Kritik der Medienforscher und Journalisten zu «RT Deutsch» und dessen bisher einzige Sendung «Der fehlende Part» zusammenfasst. Für Professor Martin Emmer, Direktor des Publizistikinstituts der FU Berlin, ist der TV-Sender «eindeutig ein Kommunikationskanal der russischen Regierung».
Zwar sei die Propaganda von «RT Deutschland» sehr professionell, attestiert das «Handelsblatt», die Moderationen seien aber pannenhaft «und die Moderatorin Jasmin Kosubek überfordert mit ihrer Naivität manchen Gesprächspartner» und jeden historisch und politisch sattelfesten Zuschauer. Die 27-jährige Kosubek kann russische Namen nicht aussprechen und wenn sie vor der Kamera erklärt, «ich habe ja keine Ahnung», möchte niemand widersprechen.
So moderierte Jasmin Kosubek den ehemaligen DDR-Spitzel Rainer Rupp («Topas») mit dem Satz an: «Es könnte mir keiner besser erzählen, was in Deutschland gerade passiert.» Für die Wochenzeitung «Zeit» eines von vielen erschreckenden Beispielen, «wie in ‹RT Deutsch› gelogen und verbogen wird. Insgesamt ist es haarsträubend, was in ‘RT Deutsch’ als Journalismus verkauft wird.» Wie lange noch, das weiss man nur in Moskau.
An alle, die eine "gesamtheitliche westliche Medienverschwörung" sehen, überlegt euch einmal, wie diversifiziert die westliche Presselandschaft ist, wie verschiedenen deren politische, kulturelle und nationale Agenda ist und dann beachtet die als "einzeig freie Stimme" so hochgelobte russische Presse.
Mit auch nur einem Tropfen Objektivität dürfte offensichtlich sein, was an diesem auf Verschwörungstheorien aufbauenden Weltbild nicht passen kann.