Verrückt, aber wahr! Ab einer Distanz von mehr als drei Kilometern ist unser liebstes Fortbewegungsmittel – Achtung, Trommelwirbel – das Auto! Oder genauer: 38 Prozent der Leute steigen bereits bei einer Strecke zwischen 3 und 5 Kilometern ins Auto. Immerhin 32 Prozent laufen und 17 nehmen das Velo. Und je mehr Strecke, desto mehr Leute nehmen das Auto. So weit, so klar. Gemeint sind übrigens jeweils 3 Kilometer hin und zurück, nicht 3 Kilometer hin und 3 Kilometer zurück.
Ich kann das schon verstehen:
Die Frage, die mir meine Velogspänli, Möchtegern-Nicht-Autofahr-Menschen und meine lieben Bekannten oft stellen:
Ihr Guten, ja, für unser Klima und die Umwelt (und unsere Gesundheit) ist Autofahren einfach nicht das Gelbe vom Ei. Das können wir drehen und wenden, wie wir lustig sind.
Um das ganze Malheur zu verdeutlichen, habe ich vor einiger Zeit mit einem Ökobilanzexperten an einem Beispiel rumgerechnet.
Also stellt euch vor: Eine Person, nennen wir sie Horst, fährt mit dem Schweizer Durchschnitts-Benziner (Verbrauch: 7,8 Liter/100 km, Durchschnittsauslastung 1,6 Personen) 1,5 Kilometer zum Coopigi (wir wollen ja nicht parteiisch sein) und kauft ein Kilo Rispentomaten. Dann fährt Horst wieder nach Hause und kocht ein Gläsli Sugo. Auf den insgesamt drei Kilometern hat er rund 560 Gramm CO2-Äquivalente rausgeblasen. Die Äquivalente erklär ich gleich, aber wir können ausnahmsweise auch einfach von CO2 sprechen.
Eingerechnet sind die indirekten Emissionen, die unter anderem bei der Herstellung des Treibstoffs, des Fahrzeugs, dessen Wartung und Entsorgung entstehen. Würde Horst ein Schweizer Durchschnitts-E-Auto fahren (Verbrauch: 20,9 kWh/100 km, gleiche Auslastung), käme er auf gut 270 Gramm CO2. Denn wie viele von euch inzwischen wissen, schlägt beim E-Auto vor allem die Batterieherstellung und damit das Fahrzeug selbst zu Buche.
Würde Horst dieselben drei Kilometer mit dem Velo fahren, käme er auf knapp 17 Gramm CO2!
Und nun zu den CO2-Äquivalenten: Sie vereinheitlichen die Klimawirkung verschiedener Treibhausgase. Beispielsweise ist ein Gramm Methan so klimawirksam wie 28 Gramm CO2, ein Gramm Lachgas wie 265 Gramm CO2.
Für Zahlen-Nerds, Skeptikerinnen und Neugierige gibt's die Daten zu den Emissionen auf der Plattform Mobitool als Excel-Tabelle zum Download. Die Daten zur Verkehrsmittelnutzung in der Schweiz findet ihr beim Bundesamt für Statistik. Und wer sich die volle Ladung geben will, findet die Klimawirksamkeit der Treibhausgase in den Ökofaktoren Schweiz 2021.
Die ganzen Geschichten mit Ozonbildung (das bodennahe, nicht das in der Stratosphäre) an heissen, sonnigen Tagen; die in der Schweiz jährlich anfallenden 8100 Tonnen Mikroplastik vom Reifenabrieb oder die gesundheits- und umweltschädlichen Stickoxide, die durch Verbrenner-Autos entstehen, lassen wir an dieser Stelle mal aussen vor. Zu den Stickoxiden habe ich ja bereits vor ein paar Wochen beim Thema Bäumlipflanzen was geschrieben.
Damit wir uns richtig verstehen, wenn ich sage, lasst uns Autos abschaffen: Es geht mir nicht um die Menschen, die wegen nächtlicher Schichtarbeit oder frühmorgentlicher Gipfäli-Backzeiten nur mit dem Auto zum Arbeitsplatz gelangen.
Es geht mir viel mehr darum, dass Autos ein bisschen wie Geschirrspülmaschinen sind: Sie machen unser Leben leichter und bequemer. Wenn du sie hast, bist du blöd, wenn du sie nicht nutzt. Schliesslich hast du für das Auto – allenfalls auch für die Spülmaschine – viel Geld ausgegeben und beim Auto zahlst du auch noch extra Versicherung, Steuern, Parkplatz, etc … So oder anders sind diese beiden Freunde nur für dich da und stehen deshalb beide im Schnitt 23 bis 23,5 Stunden am Tag nur rum.
Aber im Gegensatz zum Auto machen Spülmaschinen unseren Alltag umweltfreundlicher, indem sie weniger Wasser und Energie verbrauchen. Autos dagegen, egal wie effizient und elektrisch, fallen der Umwelt immer stärker zur Last als Velo, Elektro-Bus, Tram oder Zug. Einzig der Diesel-Bus kann teils schlechter abschneiden. Ein bisschen, weil er mit Diesel fährt. Hauptsächlich aber, weil die Auslastung unterirdisch ist. Mit anderen Worten, würden wir öfter den Bus statt das Auto nehmen, würde selbst der Diesel-Bus besser abschneiden.
Wie immer braucht ihr zuerst den Willen, etwas zu ändern. Ihr müsst euch also für die Umwelt und eure Gesundheit entscheiden – Letzteres gilt beim Autofahren in doppelter Weise. Da wir uns ohne Auto mehr bewegen und weniger Autos bessere Luftqualität bedeuten – auch was E-Autos betrifft!
Sie verursachen beim Fahren zwar keine Stickoxide oder Feinstaub durch Verbrennung, aber die Feinstaubbelastung durch den Reifenabrieb ist ungefähr gleich wie bei Verbrennern. Falls es noch nicht klar ist: Feinstaub ist schlecht für unsere Gesundheit.
Södelig. Nun ergeben sich je nach Lebensumständen durch weniger Autos und weniger Autofahren natürlich einige Herausforderungen. Die folgenden Tipps und Gedanken sind deshalb auch nicht einfach allgemeingültig. Abgesehen von einer Sache …
Und stellt euch vor: Die Nachfrage nach geteilten Autos steigt und es würde dadurch mehr solche Sharing-Autos geben, sodass ihr nicht zuerst zum Bahnhof latschen müsst oder zu irgendeinem abgelegenen Parkplatz.
Setzt euch politisch für den umweltfreundlichen Verkehr ein. Egal, ob indirekt durch eure Stimme, beispielsweise bei den nationalen Wahlen, oder aktiv und direkt für Lösungen in eurer Gemeinde. Nur mithilfe der Politik lassen sich beispielsweise sichere Velowege oder mehr Grünflächen, Spielplätze und Strassencafés statt Parkplätze realisieren.
Weniger Blechlawine ist nicht nur fürs Klima gut, es bedeutet letztlich auch weniger Lärm, weniger Feinstaub und bei Hitzewellen weniger Ozonbildung. Nur müssen wir uns als Gesellschaft dafür entscheiden. Oder wie Politik-Menschen sagen: «Wir müssen die richtigen Anreize schaffen.»
Alleine Auto zu fahren, ist etwa so ineffizient, wie mit einem Kilo Tomaten ein Gläsli Sugo zu kochen. Aber Horst ist eben Horst. Normale Menschen würden vermutlich mit mindestens 5 Kilo Tomaten und einem grossen Topf fünf Gläsli Sugo kochen.
Apropos Effizienz: Fährt ein 26-Tonnen-Durchschnitts-Diesel-Lkw mit Durchschnittsauslastung von 7,7 Tonnen Horsts Rispentomaten von Spanien 1000 Kilometer zum Coopigi, bläst er für dieses eine Kilo Tomaten 132 Gramm CO2 in die Luft. Ich bin gespannt auf eure Schlussfolgerungen in der Kommentarspalte 😉
Södelig, ich geh jetzt mit dem Velo einkaufen. Bis bald, hebed üch Sorg und geht nächsten Monat wählen.
Ich habe aber kein Auto. Ich bin mit ÖV oder Fahrrad unterwegs obwohl ich „niene im nüt“ Lebe und in der Stadt im dreischichtbetrieb arbeite. Ich gehe mit dem ÖV für eine fünfköpfige Familie 2 Hunde, 1 Katzen viele Hühner und einen Gemüsegarten einkaufen und es geht. Manchmal muss ich mir was liefern lassen, aber es war eine entscheidung die ich Nie bereut habe.
Es ist machbar!
Mir fehlt effektiv die Weitsicht, sowohl in solchen Artikeln, als auch in den Kommentarspalten. Das hat dann z.B. so Auswüchse, dass Stadt-Home-Office-Menschen den Menschen im letzten Bergdorf erklären, dass der ÖV so toll ist und sie böse Umweltsünder seien.
Schade, denn sachliche Diskussionen wären richtig und wichtig. Ich verstehe bis heute nicht z.B. warum so viele Kinder in Dörfern in die Schule gefahren werden.