Die Frau zu Hause in der Küche und bei den Kindern, der Mann bei der Arbeit. Ein Bild, das seit einigen Jahrzehnten hinterfragt, relativiert, aufgelockert und angepasst wird. Der Vergangenheit gehört dieses Klischee aber definitiv nicht an. Denn obwohl geschlechterspezifische Vorurteile zu Aufgaben und Fähigkeiten abnehmen und der Individualismus zelebriert wird, ist der Gender Shift noch längst nicht abgeschlossen. Der Megatrend, der weltweit zu massiven Umbrüchen in den traditionellen Geschlechterrollen im Berufs- und Privatleben führt, befindet sich noch mitten in der Entwicklung.
Ella Stadler-Stuart, Leiterin des Studiengangs «CAS Women Leading Digital» an der Hochschule für Wirtschaft Zürich, spricht deshalb auch nicht von einem Gender Shift, sondern erst von einer Gender Awareness: «Wir als Gesellschaft sind erst seit vergleichsweise kurzer Zeit dabei, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Diversität – egal, ob dies nun Geschlecht, Herkunft, Alter, sexuelle Orientierung oder körperliche und psychische Beeinträchtigungen angeht – ein Gewinn darstellt.»
Welche wirtschaftlichen Vorteile allein schon die Gleichstellung von Frau und Mann bringen kann, zeigt etwa eine von der Credit Suisse durchgeführte Analyse von 2400 Unternehmen weltweit. Demnach erzielten Firmen mit mindestens einem weiblichen Vorstandsmitglied eine höhere Rendite und ein höheres Wachstum des Nettogewinns als Unternehmen, die keine Frauen im Vorstand hatten.
Doch von tatsächlicher Diversität sind wir noch weit entfernt. Eine Untersuchung der Weltbank in 190 Ländern hat ergeben, dass nur gerade in zwölf Ländern eine rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau besteht. Gemäss einer Berechnung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit kostet das die Wirtschaft jährlich sechs Billionen US-Dollar.
Wenn also bereits die Gleichstellung von Frau und Mann eine scheinbar unüberwindbare Hürde darstellt, welche Hoffnung besteht dann für tatsächliche Diversität? Expertin Stadler-Stuart zeigt sich optimistisch. «Immer mehr Unternehmen werden sich ihrer Verantwortung, aber auch dem Potenzial von Diversität bewusst. Gleichzeitig wird der Druck aus der Arbeitnehmerschaft immer stärker», erklärt sie. Tatsächlich haben Befragungen ergeben, dass knapp 70 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer es wichtig finden, in einem Unternehmen zu arbeiten, das Wert auf Diversität und Inklusion legt.
Um den Wandel anzustossen oder voranzutreiben, sind vor allem positive Rollenvorbilder wichtig. «Es braucht Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, die Diversität auf jeder Hierarchieebene leben. Nur dann kann sich wirklich etwas bewegen», ist Studiengangsleiterin Stadler-Stuart überzeugt. Dazu brauche es zwingend Geschäftsleitungen, die das Thema aktiv aufgreifen.
Dafür sei es wiederum wichtig, sich als Unternehmen seinem «unconscious bias» bewusst zu werden – also der verzerrten Wahrnehmung, von der alle Menschen in der einen oder anderen Form betroffen sind. «Es braucht deshalb mutige Diskussionen und offenes sowie vernetztes Denken. Nur so kommen Unternehmen, aber auch die Gesellschaft weiter», hält Stadler-Stuart fest.
Nordkantonler
Nicht überraschend, fallen doch nahezu alle Länder mit Wehrpflicht heraus (mit Ausnahmen wie Israel).