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Und was, wenn nicht

«Und was, wenn nicht?» –Über die kalten Fragen des Lebens

Bild: shutterstock
29.05.2016, 15:0929.05.2016, 15:32
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Der Mensch ist erstaunlich widerstandsfähig, sowohl körperlich als auch psychisch. Umso schwerer tun wir uns damit, uns einzugestehen, dass etwas im Argen ist. Und selbst wenn, haben wir mehrere Möglichkeiten, mit solchen Situationen umzugehen. Schönreden? Akzeptieren (versuchen)? Oder ganz verdrängen?  

Viele von uns sehen sich mittlerweile mit Krebsfällen in der Familie konfrontiert. Oder mit Freunden, deren Eltern Krebs haben. Was sagt man da?  

«Das kommt schon wieder gut.» «Mal abwarten.» «Mal noch nicht den Teufel an die Wand malen.»  

Was soll man denn sonst sagen?  

Und obwohl der Wunsch bei solchen Aussagen Vater des Gedanken ist und man selbst grosse Mühe hat, sich den negativen Ausgang vorzustellen, würde es sich vielleicht lohnen, tiefer über die Lebensrealität des Gegenübers nachzudenken.  

Denn als direkt Betroffene/r stellt sich einem halt auch die Frage: «Und was, wenn nicht...?» Was, wenn’s nicht gut kommt?  

Das beginnt schon im Kleinen, bzw. weniger Dramatischen als der imminenten Bedrohung an Leib und Leben. Wenn man sich Kinder wünscht, zum Beispiel. Oder wenn man Angst um seine Beziehung hat. Oder eine/n PartnerIn sucht. Auch da kommen immer dieselben Zusprüche der Ermunterung und auch da stellt sich die traurige, kalte Frage: «Und was, wenn nicht?»

In «Sex and the City» gibt es eine Szene zu genau diesem Thema, wo die krebserkrankte Samantha nach überstandener Chemotherapie mit ihrer Freundin Carrie am Tisch sitzt und diese ihr sagt, sie sei halt jemand, der ein kleines bisschen Pech hatte, das sei nun aber vorbei. «Ich könnte sterben», meint da Samantha, worauf Carrie sagt: «Du gehst nirgendwo hin.» Und dann kommt ein sehr wichtiger Satz seitens Samantha: «Please, Carrie, let me talk about what I’m afraid of.» Lass mich bitte über das reden, was mir Angst macht.  

Was, wenn unsere Liebsten nicht gesund werden? Was, wenn wir doch keine Kinder haben können? Was, wenn unser/e PartnerIn uns verlässt? Was, wenn wir für immer allein sind?  

Es sind die harten Fragen, die kalten Fragen. Stimmt in diesen Belangen «Don’t worry, be happy»? Bringt es nichts, sich diese Gedanken zu machen, weil’s ja eh «ist, wie es ist», bzw. «kommt, wie’s kommt»?  

Oder aber bringen sie uns eine tiefere Form der Erkenntnis, dass es auch andere Wege gibt, eine Art Vorbereitung darauf, dass unser Leben nicht nur so verlaufen könnte, wie wir uns das vorstellen – und dass das nicht ausschliesslich schlecht sein muss? Sind die kalten Fragen auch eine Chance?  

Fakt ist: Wenn unser Gegenüber betroffen ist, soll es sich alle Fragen der Welt stellen dürfen und wir sollten es ernst nehmen. Natürlich wünschte es sich, dass «es wieder gut kommt», es muss sich aber auch mit der Möglichkeit auseinandersetzen dürfen, dass es das eben nicht wird.  

Bei Krankheitsfällen erlaubt einem diese Erkenntnis, das Gegenüber (noch) mehr zu schätzen und die verbleibende Zeit intensiver zu erleben, anstatt sie damit zu verbringen, «das kommt schon wieder gut» zu sagen und dann zu erschrecken, wenn es das nicht tut. Kommt's trotz allem wieder gut, hat man absolut nichts verloren – im Gegenteil.  

Dasselbe gilt für «kleinere» Themen, die uns selber betreffen: Sich die kalten Fragen zu stellen tut weh, das steht ausser Frage. Und man muss das auch nicht non-stop tun. Ich glaube aber, dass es gut tun kann, sie anzugehen, sie nüchtern zu betrachten – wie die meisten Herausforderungen verlieren nämlich auch sie an Bedrohlichkeit, wenn man sie bei der Hand nimmt.  

Vielleicht versagen wir, ja. Vielleicht verlieren wir und vielleicht fliegen wir immer wieder auf die Schnauze. Die kalten Lebensfragen machen Angst, das ist unbestritten.  

Aber vielleicht sind wir auch ohne Kinder glücklich – irgendwann. Und vielleicht sind wir auch ohne unsere/n jetzigen PartnerIn zufrieden – irgendwann. Und vielleicht können wir unser Leben mit uns selber aushalten – irgendwann.  

Und vielleicht sind wir selber auch unsere Carrie zu unserer Samantha, denn auf «Please, Carrie, let me talk about what I’m afraid of» folgt:  

«Okay, I’m here.»

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Yonni Meyer
Yonni Meyer (34) ist Psychologin und schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen – direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt. 

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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S.Fischer
29.05.2016 18:55registriert März 2016
Gerade was Krankheiten und ähnliches angeht, habe ich, sowohl als Betroffener als auch als Freund einer betroffenen Person, schon oft bemerkt, dass es am sinnvollsten ist einfach zuzuhören und auch mal zuzugeben, dass etwas (entschuldigt die Wortwahl) scheisse ist.

Immer alles schön zu reden vermittelt das Gefühl, dass man es nicht ernst nimmt, zumindest wirkt es auf mich so.

Schöner Artikel. :)
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el_barto_tiburon
29.05.2016 15:57registriert Oktober 2015
Super Beitrag Pony M und bitte mehr davon. Regt zum überlegen an... Danke!
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Hierundjetzt
29.05.2016 15:51registriert Mai 2015
Ich denke mir, im kleinen stellen sich diese aufgeworfenen Fragen bereits dann, wenn die eigenen Eltern den Lebensabend langsam beenden und sich bereit machen, sich auf eine andere Zukunft vorzubereiten.

Klar nicht vergleichbar, für mich aber ähnlich.

Toller Text Yonni!
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