Seit Jahren wird von einem Apple-Auto gemunkelt – doch jetzt häufen sich Berichte, die immer konkreter werden. Eine südkoreanische Zeitung schrieb, Apple wolle demnächst Milliarden in den Autobauer Kia investieren, um in dessen Werk im US-Bundesstaat Georgia die Produktion seiner Elektro-Fahrzeuge zum Jahr 2024 vorzubereiten. Das «Wall Street Journal» berichtete, im ersten Jahr sollten dort bis zu 100'000 Wagen gebaut werden. Der US-Sender CNBC legte mit der Information nach, die Apple-Autos sollen komplett autonom fahren.
Schon in den vergangenen Wochen verdichteten sich Hinweise, dass der iPhone-Konzern nach Südkorea schaut. Die Kia-Schwesterfirma Hyundai bestätigte dem Finanzdienst Bloomberg Verhandlungen mit Apple – nur um wenig später lediglich vom «Interesse diverser Unternehmen» zu sprechen.
Der in Apples Zuliefererkette bestens vernetzte Analyst Ming-chi Kuo schrieb, Hyundais neue Elektroauto-Plattform E-GMP solle als Basis für das Fahrzeug des Elektronik-Riesen dienen. Hyundai stellt bei E-GMP eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern in Aussicht – und verspricht, mit einer Schnellladefunktion 80 Prozent der Batteriekapazität binnen 18 Minuten auffüllen zu können.
CNBC schränkte zugleich ein, dass der Produktionsstart auch später als 2024 kommen könnte, die Verhandlungen mit Hyundai-Kia noch nicht abgeschlossen seien – und stattdessen oder zusätzlich auch andere Hersteller eingebunden werden könnten. Laut der Zeitung «Nikkei» gibt es auch Gespräche mit japanischen Autofirmen. So oder anders – es sind die bisher ausführlichsten Hinweise auf die Apple-Pläne.
Zwischenzeitlich schien es schon, als würde ein «iCar» ein Phantom bleiben. Apple-Chef Tim Cook soll 2014 grünes Licht für die Entwicklung eines Elektroautos gegeben haben. Zulieferer bekamen bereits Prototypen zu sehen – doch dann schaltete Apple einen Gang runter und fokussierte sich zunächst auf die Entwicklung von Software zum autonomen Fahren.
Das einzige unwiderlegbare Zeugnis von Apples Auto-Ambitionen waren bisher die zu Roboterwagen umgebauten SUV der Toyota-Luxusmarke Lexus, die mit Sensoren gespickt im Silicon Valley unterwegs sind. Mehr als 50 davon sind bei der kalifornischen Verkehrsbehörde registriert.
In den vergangenen Jahren tauchten immer mal wieder heisse Gerüchte auf. So hiess es, Apple wolle den britischen Sportwagenbauer McLaren kaufen. Immer wieder wurde der Auftragsfertiger Magna als wahrscheinlicher Produktionspartner gehandelt. Apple holte sich Experten vom Elektroauto-Pionier Tesla und etablierten Herstellern.
Doch die Jahre gingen ins Land ohne ein Auto vom iPhone-Konzern. 2016 habe Apple seine Auto-Sparte «drastisch reduziert», schrieb die Nachrichtenagentur Bloomberg damals. Hunderte Mitarbeiter des Auto-Teams, das rund 1000 Angestellte umfasste, «haben in den letzten Monaten ihren Job verloren, wurden in andere Abteilungen versetzt oder haben selbst gekündigt», schrieb der bekannte Apple-Insider Mark Gurman im Oktober 2016. Die «New York Times» berichtete, dass Apple Dutzende Mitarbeiter des Projekts auf die Strasse gestellt habe. Querelen über die Strategie, mehrere Führungswechsel sowie Problemen mit Zulieferfirmen sollen das Projekt jahrelang verzögert haben. Nun scheint es, dass Apple endgültig davon abgerückt ist, ohne Partner einen Tesla-Rivalen bauen zu wollen und sich auf die Software konzentriert.
Unterdessen wurde Sony zum ersten Elektronik-Konzern, der Anfang 2019 einen eigenen Autoprototypen vorstellte, entwickelt zusammen mit Magna. Zu einer Serienproduktion sagt Sony immer noch nichts – aber jüngste Weiterentwicklungen und fortlaufende Strassentests zeigen, dass die Japaner es ernst meinen.
Zugleich ändert sich die gesamte Industrie. Die Hersteller riefen die Ära des «von Software definierten Autos» aus. Die Grundidee: Ein Fahrzeug kann durch Software-Updates immer weiter verbessert und mit neuen Funktionen weiterentwickelt werden. Tesla macht es bereits mit seinen System-Aktualisierungen vor, der Rest der Branche schwenkt auf den Kurs ein. VW etwa entwickelt wie Tesla sein eigenes Auto-Betriebssystem, das in allen Marken der VW-Gruppe (Audi, Skoda, Seat etc.) zum Einsatz kommen soll.
Und schon seit Jahren sehen Branchenexperten einen grundlegenden Konflikt zwischen Autoherstellern und Tech-Konzernen wie Apple und Google – einen Wettstreit um die Schnittstelle zum Menschen im Auto. Die Leute wollen im Auto ihre vom Smartphone gewohnten Apps und Dienste nutzen.
Die Strategie der Hersteller ist, den Fahrzeuginsassen eine eigene Welt anzubieten, von der Steuerung der Infotainment-Anlage bis hin zur Auswahl von Apps und anderen Diensten. Sie konkurrieren damit mit Systemen wie Apples Carplay oder Googles Android Auto, die es Nutzern erlauben, Apps von ihrem iPhone oder Android-Telefon auf den grossen Bildschirm im Cockpit zu bringen.
Im Auto der Zukunft geht es bei der Kontrolle über die Interaktion mit den Insassen nicht um Prestige, sondern um Geld. «Der Zugang zum Kunden wird bestimmen, wer die Service-Umsätze macht. Und das wird in zehn Jahren ein Viertel der Erlöse der Industrie sein», sagt Branchenexperte Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture. Auto-Hersteller wie Tesla, VW oder BMW stecken daher Milliarden in die Entwicklung eigener Autopilot-Systeme, die künftig als Abo-Dienste Geld in die Kassen spülen sollen. Ob die Software im Auto von Apple und Google (Waymo) oder Autobauern wie Tesla und VW kommt, teuer wird es für die Kunden so oder so.
Klar ist, im Hintergrund werden auch die grossen Cloud-Anbieter Amazon und Microsoft profitieren. Das Auto der Zukunft ist vernetzt und ruft seine Infos aus der Cloud ab.
Die Morgan-Stanley-Analystin Katy Huberty gibt zugleich zu bedenken, dass Apple lediglich zwei Prozent des globalen Mobilitätsmarktes erobern müsste, um mit seinem Auto das Volumen des heutigen iPhone-Geschäfts zu erreichen.
Und Apple sei traditionell gut darin, einen Markt durch seinen Eintritt zu vergrössern. «Eine solche Entwicklung könnte nach unserer Ansicht den Markt für Elektrofahrzeuge erheblich ausweiten», hiess es jüngst in einer Analyse der Investmentbank.
(oli/sda/awp/dpa)