Mitten im Präsidentschaftswahlkampf steht Google in den USA das grösste Wettbewerbsverfahren seit mehr als 20 Jahren bevor. Das Justizministerium und elf Bundesstaaten verklagen den weltgrössten Suchmaschinenbetreiber unter dem Vorwurf, er missbrauche seine marktbeherrschende Stellung.
Das geht aus am Dienstag veröffentlichten Gerichtsunterlagen hervor. Der Tochter des Internetkonzerns Alphabet wird vorgeworfen, bei Suchergebnissen und im Werbegeschäft Konkurrenten benachteiligt zu haben.
Der Konzern sorge dafür, dass Konkurrenten in dem Markt nicht Fuss fassen könnten, argumentierte das Justizministerium. Ein Beispiel seien Deals etwa mit Apple oder Samsung, durch die die Google-Suche als Standard im Webbrowser voreingestellt wird. Durch das Verhalten von Google laufe Amerika Gefahr, die nächste Welle von Innovationen zu verpassen, sagte Vize-Justizminister Jeffrey Rosen.
Google zählt mit einem Umsatz von 162 Milliarden Dollar zu den grössten Unternehmen der Welt. Der Konzern dominiert bei der Internetsuche sowohl in den USA als auch in Europa mit Marktanteilen zwischen 80 und 90 Prozent.
Anti-Trust-Verfahren von ähnlichen Dimensionen gab es in den USA 1998 gegen Microsoft und 1974 gegen AT&T. Das Microsoft-Verfahren wird wegen der Einbremsung des Softwarekonzerns als ein Wegbereiter des Internetbooms angesehen. Das AT&T-Verfahren führte zu einer Neuordnung des Telefonnetzes in den USA.
Während sich die Republikaner von Präsident Donald Trump und die Demokraten seines Herausforderers Joe Biden vor der Wahl am 3. November aufs Heftigste bekämpfen, demonstrierten beide Lager in ihrer Kritik an Google seltene Einigkeit. Der republikanische Senator Josh Hawley bezeichnete die Klage als «wichtigstes Kartellverfahren einer ganzen Generation». Senatorin Elizabeth Warren von den Demokraten hatte ein «rasches, energisches Vorgehen» gegen Google gefordert.
In den USA werden bereits seit mehr als einem Jahr Kartellermittlungen gegen den Suchmaschinenbetreiber geführt. Ein umfassender Bericht kam jüngst zum Schluss, Google nutze seine Suchmaschinen-Dominanz und Kontrolle über das Android-Betriebssystem, um seinen Anteil am Markt für Webbrowser zu vergrössern und seine anderen Geschäftszweige zu begünstigen.
Von Google war bislang keine Stellungnahme zu den nun erhobenen Klagen zu erhalten. Die Alphabet-Aktie notierten an der Wall Street kaum verändert. Fondsmanager Robert Pavlik von SlateStone Wealth in New York erklärte das mit Zweifeln daran, ob Google angesichts der zahlreichen Feindseligkeiten von Republikanern und Demokraten die Regierungsbehörden ernsthaft fürchten müsse.
Medien- und Technogieanalyst Neil Campling von Mirabaud Securities sagte, die Klage scheine zu spät zu kommen. «Google hat bereits eine Monopolstellung». Der Konzern habe Milliarden in künstliche Intelligenz, Infrastruktur, Software, Engineering und Talente investiert. «Man kann ein Jahrzehnt erheblicher Fortschritte nicht einfach zurückdrehen», sagte Campling.
Die elf Bundesstaaten, die an der Klage beteiligt sind, haben alle republikanische Generalstaatsanwälte. Weitere Klagen könnten folgen, da mehrere Bundesstaaten weitere Geschäftsbereiche von Google untersuchen. So hat eine von Texas angeführte Gruppe den Konzern wegen seines Geschäfts für Digitalwerbung ins Visier genommen und könnte bereits im November Klage einreichen.
Der US-Kongress hat nebst Google auch Amazon, Apple und Facebook ins Visier genommen. Die einstigen Start-ups hätten sich in gefährliche Monopolisten verwandelt. Nun wird laut über eine Zerschlagung der Internetriesen nachgedacht.
Die Europäische Union hat im vergangenen Jahr eine milliardenschwere Strafe gegen Google verhängt, weil es Konkurrenten benachteiligt habe. Bereits 2018 und 2017 wurden dem Konzern in Europa Milliardenstrafen aufgebrummt, weil er seine marktbeherrschende Stellung missbraucht habe. So sei beispielsweise durch restriktive Klauseln in Verträgen verhindert worden, dass Google-Konkurrenten ihre Suchmaschinenwerbung an den am besten sichtbaren und am häufigsten angeklickten Stellen der Ergebnisseiten platzieren konnten.
Im Juni 2020 hat die EU zwei Kartellverfahren gegen Apple eingeleitet. Auch dem iPhone-Konzern werfen Konkurrenten vor, seine Marktmacht zu missbrauchen. Es geht primär um Apples App-Store-Monopol auf iOS-Geräten. Beispielsweise beschwerte sich der Musikdienst Spotify in Brüssel über die Abgabe von 30 bzw. 15 Prozent auf Abo-Einnahmen im App Store, die ihn gegen Apples eigenes Streaming-Angebot benachteilige. Bei Apple Pay kritisierten Banken unter anderem, dass sie nicht an Apple vorbei auf den NFC-Chip zum kontaktlosen Bezahlen zugreifen können. Davon ist beispielsweise Twint betroffen. Auch Konsumentenschützer hatten Apple deswegen kritisiert.
2019 leitete die EU-Kommission eine Untersuchung möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Amazon ein. Amazon verkauft über seine Internet-Seite nicht nur Waren aus dem eigenen Lager, sondern auch die von Drittanbietern. Die Kommission geht der Frage nach, ob und wie der weltgrösste Online-Händler die Verkaufsdaten Dritter auswertet, um die eigenen Verkäufe anzukurbeln.
Bei der laufenden Untersuchung gegen den US-Giganten seien die Wettbewerbshüter von Daten, die von Amazon selbst und von Rivalen kamen, überflutet worden. «Wir haben keine Haufen, sondern Berge von Daten erhalten», sagte Vestager bereits vor zwei Jahren.
(oli/sda/awp/reu)